Offener Wettbewerb | 05/2023
Ersatzneubau Zivilschutz-Ausbildungszentrum Meiersboden in Chur (CH)
©Atelier Arpagaus Sommer Zarn / Archobau
CRUNA
4. Rang
Preisgeld: 12.000 CHF
Architektur, Projektsteuerung
Architektur
Transsolar Energietechnik GmbH
Nachhaltigkeitskonzept, Energieplanung
Tragwerksplanung
TGA-Fachplanung
Akustikplanung, Bauphysik
Brandschutzplanung
Beurteilung durch das Preisgericht
Ortsbau / Architektur
Die Projektverfassenden orientieren sich mit ihrem kompakten Neubau an der vorhandenen orthogonalen GebĂ€ude- und Erschliessungsstruktur. Unter Ausnutzung der maximalen GebĂ€udehöhe und Minimierung des Landverbrauchs wird ein neuer Orientierungspunkt vorgeschlagen. Das GebĂ€ude besteht aus einem Untergeschoss und vier gleich hohen Obergeschossen. Durch das ZurĂŒckversetzen des Neubaus entsteht eine langgezogene Vorzone mit einem ĂŒbersichtlichen Eingangsbereich und vorgelagerten ParkplĂ€tzen. Der grössere Abstand zum NachbarsgebĂ€ude bringt einerseits mehr Tageslicht, fĂŒhrt aber auch zu engeren PlatzverhĂ€ltnissen im Bereich der Anlieferung auf der RĂŒckseite des Neubaus.
Das GebĂ€ude ist strukturell in zwei unterschiedlich tiefe Raumschichten gegliedert; eine tiefe Raumschicht gegen SĂŒden fĂŒr die HauptrĂ€ume und eine schmalere Schicht gegen Norden fĂŒr dienende RĂ€ume. Im 1. und 2. Obergeschoss wird diese dienende Raumschicht zu einem sehr ansprechenden zweigeschossigen Erschliessungs- und Aufenthaltsraum ausformuliert und mit einer Wendeltreppe direkt verbunden. Im 3. Obergeschoss lĂ€sst die Grundstruktur eine klassische Gliederung mit zwei Zimmerschichten und einem zentralen Korridor mit WandschrĂ€nken zu.
Der geschlossene Erschliessungskern mit Treppe und Lift liegt als starres Element in der GebĂ€udegrundstruktur und erstreckt sich ĂŒber die gesamte GebĂ€udetiefe. Durch diese Setzung wird die grundsĂ€tzliche FlexibilitĂ€t der Struktur eingeschrĂ€nkt. Der architektonische Ausdruck des Neubaus ist geprĂ€gt durch eine starke Identifikation mit der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft. Dies wird deutlich durch den sichtbaren Holzbau, die Brise Soleil mit PV-Elementen in der Fassade und den wiederverwendeten (Re-Use) Fassadenverkleidungselementen.
Nachhaltigkeit
Das GebĂ€ude ist als innenliegender Holzskelettbau konzipiert mit von aussen sichtbaren DiagonalstĂ€ben entlang der Fassade, sodass im GebĂ€udeinnern eine maximale rĂ€umliche FlexibilitĂ€t möglich ist. Die gezielte Verwendung von natĂŒrlichen Materialien wird in sĂ€mtlichen Geschossen sichtbar, speziell beim Holztragwerk und den Holz-LehmHourdisdecken.
Das Projekt hat sich auf verschiedenen Ebenen umfassend mit der Erreichung von Netto-Null beschĂ€ftigt. Das vorgeschlagene Netto-Null Konzept ist erreichbar durch die Einlagerung von CO2 im GebĂ€ude, wobei der Fokus auf möglichst schnell nachwachsenden Rohstoffen und einem guten GebĂ€udegrundkonzept liegt. Dieses Konzept besteht aus einer kompakten Bauweise, einem geringen FassadenGlasanteil von 26% und einer hohen Nutzungs-FlexibilitĂ€t. Ein plausibles Kreislaufwirtschaftskonzept mit Re-Use Fassadenverkleidungen, Systemtrennung, natĂŒrlichen und rĂŒckbaufĂ€higen Materialien ist entwickelt.
Eine zukĂŒnftige Erweiterung des GebĂ€udes um fĂŒnf Achsen ist in sĂŒdöstliche Richtung möglich. Die WĂ€rme- und KĂ€lteerzeugung als Areallösung wĂ€re bei einer Umsetzung zu ĂŒberprĂŒfen.
FunktionalitÀt / Betrieb
Das Projekt erfĂŒllt aus Sicht des Betreibers die Anforderungen nicht ĂŒberzeugend. Es fehlt die allgemeine Ăbersicht und Orientierung im GebĂ€ude. Die zentrale Eingangshalle mit freistehender Anmeldetheke liegt zwischen Speisesaal und Aula, wobei die Aula ĂŒber die dazwischenliegende Erschliessungsschicht mit Treppe und Lift unglĂŒcklich erschlossen ist und ĂŒber keine Vorzone verfĂŒgt. Die RĂ€umlichkeiten der Ausbildung sind ĂŒber die ersten beiden Obergeschosse verteilt. Der BĂŒrobereich im 2.âObergeschoss unterschreitet die geforderte Grösse und liegt weit weg vom Sekretariat im Erdgeschoss, was den Betrieb und die lĂ€ngerfristige FlexibilitĂ€t nachteilig beeintrĂ€chtigen.
ZusĂ€tzliche FlĂ€che fĂŒr Technik befindet sich in dem kleinen Infrastrukturbau, der zwischen Zivilschutzzentrum und Asylaufnahmezentrum vorgeschlagen wird. Dort befindet sich der Trafo und die WĂ€rmeerzeugung fĂŒr das gesamte Areal. Aus GrĂŒnden der Suffizienz werden LagerrĂ€ume im Untergeschoss bewusst im Schutzraum untergebracht, was aus betrieblicher Sicht klar bemĂ€ngelt wird.
Wirtschaftlichkeit / Kosten
Das Projekt ĂŒberzeugt mit einem kompakten GebĂ€udevolumen und liegt im Vergleich zu den anderen Projekten unter dem Mittelwert. Dies gilt auch fĂŒr die GeschossflĂ€che. Dementsprechend sind die Projektkosten im Vergleich mit den anderen Projekten tief. Wartungsarme Materialien und ein tiefer Technisierungsgrad lassen eher geringe Lebenszykluskosten sowie Betriebs- und Unterhaltskosten erwarten.
Fazit
Insgesamt beeindruckt das Projekt «CRUNA» durch innovative Versuche den Anforderungen der Nachhaltigkeit und dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft nachzukommen. Das Ă€ussere Erscheinungsbild zeigt diese Absichten, was sehr begrĂŒsst wird. Die rĂ€umliche Organisation ĂŒber vier Geschosse und die innere Grundstruktur vermögen jedoch nicht zu ĂŒberzeugen. Die Grunddisposition mit dem geschlossenen Erschliessungskern schrĂ€nkt die Organisation des Erdgeschosses und die betriebliche Benutzbarkeit des GebĂ€udes allzu stark ein.
©Atelier Arpagaus Sommer Zarn / Archobau
©Atelier Arpagaus Sommer Zarn / Archobau