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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2007

Neubau der Geschwister-Scholl-Schule

3. Preis

Motorlab Architekten

Architektur

Erläuterungstext

KONTEXT – AUTONOMIE
Die Architektur der neuen Grundschule nimmt Themen des städtebaulichen Kontextes auf, ohne dabei ihre Autonomie als öffentlicher (Schul-)Bau zu verlieren: Die Orthogonalität der umliegenden Bebauungsstrukturen aus den 60er Jahren (das Quartier beruht im Wesentlichen auf einem orthogonalen System von Scheibenhäusern verschiedener Typen und Größen, sowie Punkthäusern und Pavillons) wird bei der Organisation der neuen Anlage weitergeführt und in die Grammatik des Gesamtensembles übernommen. Der Schulbau setzt sich in einem spannungsvollen Wechselspiel aus Zeilen, Clustern und (Innen-) Höfen zu einem lebendigen, klar ablesbaren Organismus mit hoher Aufenthaltsqualität und Transparenz zusammen.
Der Baukörper wird am südöstlichen Rand des Bebauungsfeldes platziert und begrenzt zusammen mit der Sporthalle und dem Pavillon für Aufsichtspersonal und Spielgeräte einen für die Gesamtanlage angemessen großen und übersichtlichen Pausenhof mit vielfältigen, die Sinne anregenden Angeboten für die Nutzer. Er öffnet sich zur angrenzenden Kulturlandschaft im Südwesten und teilt sich in dynamische Bewegungsbereiche, die den Höhenunterschied von zwei Metern vom Zugangsniveau Hessenring zum Eingangsniveau der Schule überbrücken (Gefälle ca. 5%) und ebenen Aufenthalts- bzw. Ruhezonen. Durch diese Höhenlage des an das Gebäude angrenzenden Hofbereichs gemäß der vorhandenen Topografie wird gegenüber der östlichen Umgebung eine Senke geschaffen, die zusammen mit dem eingeschossigen Pavillon im Rücken einen wirksamen Schallschutz gegenüber der geplanten höher liegenden Wohnbebauung bewirkt.
Die Lage des Pausenhofs schafft eine prominente und klar erkennbare Zugangssituation für den Neubau der Geschwister-Scholl-Schule und unterstreicht deren Bedeutung als Kinder-Campus © und neue Quartiersmitte.

PLOT
Das gesamte Schulgelände wird als interpretierbare Szenenanweisung gleichsam einer Spielfeldmarkierung verstanden, die sich grafisch aus der diagonalen Zugangsrichtung entwickelt und den Einzelnutzungen Schule und Sporthalle sowie der Anlieferung bereits beim Betreten des Geländes eindeutige Adressen zuordnet. Über diese ablesbaren, grafisch-gliedernden sowie tektonisch-topografischen „Feldlinien“ erfährt die Außenanlage ihre konsequente Weiterführung in den Baukörpern und dadurch eine nachvollziehbare Nutzungszuordnung und ebenso kindgerechte Maßstäblichkeit: Es entsteht ein komplexes Spiel-, Lern- und Erfahrungsfeld, das zwischen Determinierung und Offenheit oszilliert, wodurch die Gesamtanlage eine charakteristische Unverwechselbarkeit erhält.
Die Linien, die der Betrachter wahrnimmt, können konzeptionell als Analogie zur Bündelung eines Blatt-adersystems oder als Sprossverzweigungen biologischer Wachstumsprozesse gesehen werden – eine Erweiterung der Anlage in einem zweiten Bauabschnitt ist dementsprechend ein kontinuierlicher natürlicher Wachstumsschritt.

FUNKTIONSVERTEILUNG / INFRASTRUKTUR / ZONIERUNG
Der Entwurf sieht ein klar strukturiertes Ensemble aus mehreren nutzungsspezifischen Baukörpern, die zusammen eine kompakte bzw. autonome Großform bilden, vor. Das Ensemble gliedert sich gemäß den Feldlinien zunächst in drei parallele Zonen:
Die Mittelzone besteht aus zwei (Brücken-) Baukörpern, die im Erdgeschoss das Foyer mit dem Hauptzugang zu Schule, Betreuung und Verwaltung sowie Mensa und Aula beherbergen. Im Obergeschoss der Mittelzone befinden sich über dem Hauptzugang die gesamte Verwaltung und das Lehrerzimmer mit Seminarbereich, über Mensa und Aula die Bibliothek, Lehrmittelräume, betreute Grundschule mit Sprachheilklasse sowie der EDV-Bereich mit allen erforderlichen zugeordneten Räumen.
In der Mittelzone befindet sich ebenfalls der Zentrale Innenhof, der im räumlichen Verbund mit Mensa und Aula das Herz der Schule bildet. Er ist temporär überdachbar und dadurch flexibel zu bespielen, dient als Bühne, als Ort für Schulfeste und Versammlungen. Ein über die kompletten Innenfassaden verlaufender weißer Textilvorhang schafft eine charakteristische ephemere Atmosphäre: Seine Perforation bildet abstrakte Blütenmuster und weckt dadurch Assoziationen an die Weiße Rose, dem Symbol der Widerstandsgruppe um die Geschwister Scholl.
Die Mittelzone bildet das verbindende Rückgrad, an das sich im Süd-Westen der Anlage drei zweigeschossige Unterrichtscluster angliedern: Die beiden zweibündigen Baukörper für jeweils eine Jahrgangsstufe pro Geschoss sowie der einbündige Riegel, der die Vorschule im EG und den Werk- und Sachraum im OG beherbergt. Zwischen den Gebäudeteilen liegen jeweils begrünte Höfe, die als Spielzone für die Vorschule und Schülertreff für die Grundschüler dienen. Sie orientieren sich nach Südwesten hin zum Vertikalen Schrebergarten ©, einem begrünten (Flucht-)Laubengang, der die Unterrichtsbereiche und Höfe räumlich und geometrisch fasst. Der südwestliche Geländestreifen hin zu der Schreberanlage wird zum terrassierten Schulgarten, der als sog. Patengarten © eine Möglichkeit der Kommunikation zwischen Schülern und angrenzenden Nachbarn darstellt.
Die Erschließung der Cluster erfolgt über die Lineare Halle, die alle schulischen Bereiche mit den in der Mittelzone angesiedelten Funktionen verbindet und komplexe Blickbezüge in die drei Innenhöfe und die angrenzende Gartenanlage im Südwesten bietet.
Aneigenbare Pufferzonen zwischen den Innenhöfen geben der Erschließungshalle zusätzliche Aufenthalts-qualität und erweitern das Nutzungsspektrum.
Ein einbündiger Riegel schließt das Ensemble nach Nordosten zur geplanten Wohnbebauung hin ab. Er beherbergt die Betreuung im OG, allein der Bewegungsraum befindet sich im EG, die Hausmeisterzentrale direkt an Foyer und Hauptzugang. Am südlichen Ende des Riegels ist die Küche mit allen Nebenräumen für Mensa und Aula platziert. Dieser Bereich ist unterkellert und bietet Flächen für zusätzliche Lagerräume, die haustechnischen Anlagen und die Lüftungszentrale.
Die gewählte Organisationsform ermöglicht kurze Wege und eine leichte Orientierung aufgrund charak-teristischer Sichtbeziehungen zum Außengelände.

MATERIALITÄT / FASSADEN
Die Qualität des Entwurfskonzeptes findet in der Tektonik und Materialität der je nach Nutzung spezifisch gegliederten Fassaden der Einzelbausteine ihre Entsprechung.
Die schichtweise Anordnung von außen liegenden Funktionselementen wie feststehenden Lichtlenk-Lamellen, steuerbarem Sonnenschutz, dezentralen Lüftungsgeräten und die auf die Nutzungsanforderungen abgestimmte Fassadengliederung in Brüstungsbänder, Fensterflügel und Oberlichter im Bereich der Schulcluster erzeugt durch Licht und Schattenwirkung eine spannungsvolle Tiefe und unterstreicht damit die Plastizität der Baukörper. Die großformatigen Fensterflächen dienen der natürlichen Belichtung der Unterrichtsräume tagsüber, die niedrigen Brüstungselemente in den Klassen zum Sitzen und Arbeiten entsprechen der Maßstäblichkeit der Schüler und die separaten Oberlichter dienen der Nachtluftkühlung und somit der Schaffung eines angenehmen Raumklimas im Sommer.
Die Nordost-Fassade nimmt durch die transluzenten geschosshohen Klappläden Bezug auf die Maßstäblichkeit der angrenzenden Wohnbebauung, durch den je nach dahinter liegender Nutzung erzeugten Wechsel von offenen und geschlossenen Elementen erhält der Baukörper eine lebendige Gliederung.
Darüber hinaus nimmt die farbige Felder- und Materialstruktur der Fassade Bezug zum grünen Außengelände und zur Umgebung auf.
Das Material- und Pflanzkonzept führt die Themen von Zonierung und Feldlinien durch die spezifische Zuord-nung von Farben und Oberflächenqualitäten fort.

KONSTRUKTION / ENERGIEKONZEPT
Die klare typologische Gliederung des Gesamtgeländes setzt sich in der robusten, elementaren Konstruktion des Bauwerks durch die nachvollziehbare Schichtung der Elemente fort. Zur Transparenz der Fassadenbauteile kommt die Funktionszonen übergreifende räumliche Transparenz des Gesamtorganismus hinzu.
Angestrebt wird eine wirtschaftliche Schottenbauweise, die Geschosse werden als nur in Teilbereichen abgehängte Betonflachdecken ausgeführt, damit deren thermische Masse im Winter als Wärmespeicher und im Sommer als Kühllast (Nachtluftspülung) herangezogen werden kann.
In der weit gespannten Mittelzone der Mensa bzw. Aula werden Verbunddecken als „Verbindungsbrücken“ vorgeschlagen. Verstärkte HEA-Profile mit einer Druckplatte aus Stahlbeton tragen über die Spannweite von ca. 16m. Alle übrigen Flachdecken können in der gewählten Bauteilstärke auch zur Bauteilaktivierung herangezogen werden. Die Gründung des Bauwerks erfolgt über Streifen und Einzelfundamenten.
Durch die kompakte und hoch gedämmte Bauweise sowie durch die Anordnung von Pufferzonen wird das Erreichen eines Niedrigenergiestandards und damit ein deutlich geringerer Energieverbrauch als nach ENEV angestrebt. Die Überdachung des zentralen Innenhofes durch leichte ETFE-Folienkissen kann zu Lüftungs-zwecken geöffnet werden und schafft eine thermische Pufferzone, die durch solare Energieeinträge in den Übergangszeiten und im Winter eine positive Gesamtenergiebilanz aufweist. Sie erlaubt eine einfachere und somit wirtschaftliche Ausbildung der angrenzenden Fassadenbauteile.
Aus ökologischen Gründen werden optional zur hocheffizienten Brennwerttechnik eine Pelletsanlage zur CO2-neutralen Energieerzeugung und Wärmepumpen mit Erdsonden/Geothermie vorgeschlagen.
Zur Verbesserung des thermischen Komforts und der Luftqualität in den Unterrichtsräumen kommen kontrollierte dezentrale Lüftungseinheiten zur kontinuierlichen Frischluftversorgung zum Einsatz.
Bei sparsamem Einsatz von Energie für innere Wärmequellen wie z. B. Beleuchtung sowie der Ausnutzung der thermischen Speicherfähigkeit der Gebäudemassen können technische Anlagen kleiner dimensioniert werden.
Damit ergeben sich neben Einsparungen an Betriebskosten ebenfalls Kostenreduktionen bei den Investitionskosten der haustechnischen Anlagen.
Neben der rationellen Energieverwendung spielt natürlich die zunehmende Substitution fossiler Energieträger durch regenerative Energiequellen eine wichtige Rolle. Hier kommen die weitgehend frei verfügbaren Energiequellen wie Erdreich (Geothermie), Nachtkühle, Tageslicht und Sonne (Photovoltaik) zum Einsatz.
Insgesamt gesehen wird ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept vorgeschlagen, das bei minimalem Energieverbrauch ein Optimum an visuellem und thermischem Komfort bietet.