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Award / Auszeichnung | 01/2003

5. Unipor Architekturpreis "Im Einklang mit der Natur"

Das Rote Haus, Zweifamilienhaus, Dortmund

2. Preis

SPAP// Architektur / Stadt / Landschaft _ BDA DASL

Architektur

Erläuterungstext

Das rote Haus –
Haus für eine Wohngemeinschaft aus 2 Erwachsenen und 4 Kindern in Dortmund

Ein Haus im Leierweg – das wäre bis vor ein paar Jahren für viele undenkbar gewesen. Die Straße begleitete über Jahrzehnte Halden, Lager- und Gleisflächen des Zechengeländes Tremonia mit all seinem Kohlenstaub und Schmutz. Bei den Dortmundern war der Leierweg schon lange vorm 2. Weltkrieg immer eine der schmuddeligsten Adressen der Stadt.

Doch dies alles ist verschwunden und da, wo ehemals Kohlenloren standen und Kohle lagerte ist seit ein paar Jahren eine grüne Parkfläche entstanden mit einer Weite, die an die eines englischen Landschaftsparks erinnert.

Und der Leierweg ist heute eine Straße mit einseitiger Bebauung direkt am Park, so wie es stadtplanerisch aufgrund der Unwirtschaftlichkeit nie mehr realisiert werden würde.

Glücklich sind die, die ein Grundstück für kleines Geld hier gekauft haben, denn die Bewohner des Leierwegs genießen auch zu ihrer „Rückseite“ unverbaubaren Fernblick. Hier endet die Dortmunder Innenstadt abrupt und große, durchgrünte Flächen der DB beginnen. Die Bahngleise nimmt man jedoch kaum wahr, da diese 5-8 Meter tiefer in einer Senke liegen und man quasi darüber hinwegschaut bis zum Horizont nach Dorstfeld, wo sich der „Hannibal“, eine der größten Wohnmaschinen der Republik zeigt.

Einziger Wermutstropfen, vorausgesetzt man stört sich nicht an den stellenweise immer noch schmuddeligen Nachbarhäusern mit ab und zu obskuren Bewohnern:
Alle halbe Stunde fährt der „Märkische Express“ nach Lüdenscheid an den Gärten des Leierwegs vorbei. Dafür hat man ein preiswertes Parkgrundstück mehr oder weniger direkt in der City und bei schönem Wetter, mit allabendlichen Sonnenuntergängen und der Silhouette des „Hannibals“ - Großstadtromantik pur!

Das rote Haus jedenfalls nutzt die Chancen und Qualitäten seines Grundstücks und spiegelt den Genius loci, seinen Geist des Ortes wieder:

Konzeptuell steht eine „camera obscura“, also eine Lochkamera hier stellvertretend für diesen Archetypus.

Nur dass das Loch in diesem Fall eben nicht nur ein Loch, sondern eine gesamte Fassade zum „Licht“ nach Südwesten ist, gerahmt von einem fast 10 Meter hohen, 8 Meter breiten und 3 Meter tiefen, konisch zulaufenden Sichtbetonrahmen, der die Idee unterstreicht als auch Schutz vor ungewollten Einblicken, Regen und bedingt auch vor der steil stehenden Sommersonne ist.

Diese Seite, Rahmen und elementierte Glasfassade, ist quasi das „Objektiv“ des Hauses. Hier fällt fast alles
Licht ein, hier sind bei schönem Wetter jeden Abend die Sonnenuntergänge in der Ferne, hier hat man den
weiten Blick.
Diese Fassade als Matrix aus dreißig 2,65 m bzw. 3,50 m hohen Kiefernfenstern abwechselnd unterschiedlich verglast, die allesamt nach außen zu öffnen sind, tritt in einen Dialog mit der Landschaft und der Weite.

Von innen stellt sich dieses Wechselspiel aus unterschiedlichen Gläsern, in dessen transluzenten Flächen zeitweilig die Spektralfarben des Sonnenlichts reflektiert werden, fast kaleidoskopisch dar.
Der Wechsel aus transparenten und transluzenten Flächen gibt den Bewohnern eine gewisse Intimität, schon fast ein schützendes Gefühl, trotz vollflächiger Verglasung und er schenkt den Räumen deutlich Höhe, da die Vertikalstruktur sehr viel deutlicher in Erscheinung tritt. Der Blick in die Ferne ist dennoch ungetrübt.
Diese Fassade zum Licht ist die offene Seite des sonst strengen und dreiseitig verschlossenen Monolithen aus 36,5er Ziegelmauerwerk, tief eisenoxidrot, glatt gefilzt, mineralisch verputzt .

Vorlage für den Putz waren original sienesische Farbpigmente, auf dessen Grundlage der durchgefärbte Oberputz in vielen Bemusterungen hergestellt wurde, bis der Farbton gefunden war und der Putz genügend Sättigung hatte. Hier sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Haus weder gestrichen noch lasiert wurde.

Geschlossene Fassaden zum Bauwich des Nachbarn, zur Straße und nach Norden definieren die rigiden und kubischen Seiten mit extrem schlanken Fensterschlitzen, liegend, stehend oder asymmetrisch winklig.

Unterstrichen wird das Motiv des kompromisslos Kubischen durch innen bündige Fenster, die somit fast
40 cm tiefe Laibungen erzeugen. Die Fenster selbst treten gänzlich in den Hintergrund, verstärkt durch das Konstruktionsdetail, das sämtliche Blendrahmen von außen komplett unsichtbar sind.

Was somit plastisch und konkret wird, sind die eigentlichen Öffnungen, die Schlitze des Monolithen, die
nochmals einseitig durch 9 cm starke Sichtbetonlinien nachgezeichnet werden. Funktional sind dies die Fensterbänke aus Betonfertigteilen.

Der Eingang des Hauses stellt sich ebenso streng wie mächtig dar: Eine tief zurückliegende schlichte Holztür
von fast 4 Metern Höhe, darüber 5 Meter rahmenloses Glas, außen und innen bündig eingeputzt, in einem fast haushohem Schlitz von gerade 1 Meter Breite, zeigt dem Ankommenden unmissverständlich, dass das Haus
von hierher erschlossen wird.

Innen ist viel Raum, neben 160 qm Wohnfläche plus 50 qm Dachterrasse, auch viel Luftraum und Raumerlebnis, alles aus glattem Gipsputz und weiß gestrichen. Durchblick und Aufblicke, teils dreigeschossig, geben dem Inneren des Hauses Plastizität und dem Bewohner skulpturale Eindrücke.

Die Dachterrasse als vierte Ebene, erschlossen durch einen Glaskasten, der demjenigen, der die Terrasse betritt, das Gefühl eines Goldfischs im Aquarium suggeriert, ist mit einem zu beiden Hausseiten, 8 Meter spannendem und 5 Meter tiefem Sichtbetonrahmen überdacht.
Den Bewohnern wird das Gefühl eines südländischen Feriendomizils vermittelt – unterstrichen durch eine blaue, 15-jährige und 5 Meter hohe Pinie, die per Kran in eigenem Betontrog auf das Dach „verpflanzt“ wurde und bei Sonne verführerische Licht- und Schattenspiele erzeugt. Sie kann nun ungestört durch den 4 Meter großen kreisrunden Ausschnitt im Betonrahmen noch viele Jahre weiter wachsen.

Mit der Idee „Kleines Haus – ganz groß“, ist es gelungen, der bis zu viergeschossigen Nachbarbebauung städtebaulich mit einem Quasi-Einfamilienhaus etwas deutlich entgegen zu setzen.

Teil des architektonischem Konzepts ist auch die zum Nachbarn 35 m lange und 2,50 m hohe Gartenmauer, ebenso eisenoxidrot verputzt wie das Haus. Sie schafft einen ungestörten Gartenhof, lässt das Haus noch größer erscheinen und gibt dem Ganzen den Charakter eines Ensembles.

Folgerichtig der plastisch-monolithischen Sprache des Gebäudes ist eine Konstruktion aus einfachem, hochdämmendem Porotonmauerwerk gewählt worden. Der k-Wert beträgt 0,30, so dass auf ein Wärmedämmverbundsystem glücklicherweise gänzlich verzichtet werden konnte. Der Stein ist außen wie innen ausschließlich verputzt. Das Haus erfüllt den Standard eines Niedrig-Energie-Hauses.