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Offener Wettbewerb | 07/2015

Schweizerische Landesausstellung EXPO2027

Offshore

2. Rang

Preisgeld: 30.000 CHF

Leopold Banchini Architekten

Architektur

ErlÀuterungstext

Offshore

Das Projekt «Offshore»: das Warum und das Wie
Wenn wir feiern, laden wir unsere Nachbarn ein. Und wenn diese Nachbarn gegenĂŒber wohnen, am anderen Ufer eines Sees, einigen wir uns zusammen auf ein Fest, das auch fĂŒr sie passt. Mit einer Landesausstellung möchten wir unser Land, unsere Landschaften im VerhĂ€ltnis zu unseren Nach-barschaften und unseren Grenzen ausloten. Die Grenze in ihrer am wenigsten einschrĂ€nkenden Form wird zum Leitmotiv: Eine Grenze auf dem Wasser.

Also antworten wir denen, die uns fragen, warum wir 2027 eine Landesausstellung machen wollen: Nicht um unsere nationale IdentitĂ€t wie in den frĂŒheren Ausstellungen festzuschreiben oder in Frage zu stellen, sondern um eine vielfache IdentitĂ€t zu leben. Eine Gemeinschaft von See-ufersiedlern, nicht nur in der Schweiz, sondern rund um unseren Planeten, der nicht weniger als 56 internationale Seen zĂ€hlt. Diese Interessengemeinschaft zu bekrĂ€ftigen bedeutet, dass wir, die wir zufĂ€llig als Schweizer geboren sind oder in der Schweiz wohnen, diesen Zufall nutzen wollen, um uns in die menschliche Gemeinschaft einzufĂŒgen.

In der Antwort auf das Warum findet sich auch das Wie. Die Nachbarschaft, die Grenze und das Wasser der Seen sind die drei Antworten, die das Warum definieren. Und die gleichen Antworten finden sich auch im Wie. Stellen wir uns vor, wir spazieren 2027 entlang der Ufer des Bodensees, und, den Horizont des gegenĂŒberliegenden Ufers abmessend, entdecken wir ĂŒber der WasseroberflĂ€che, offshore, eine Ansammlung von schwimmenden Plattformen verschiedenster Grösse. Vertikal im Wasser schwimmende mit Luft gefĂŒllte Container tragen das Ganze, die Bauten darauf sind unterschiedlichster Art. Die einen sind gebaut worden, um spezifischen BedĂŒrfnissen von öffentlichen oder privaten TrĂ€gerschaften rund um den See oder auch weiter davon entfernt Rechnung zu tragen. Diese leihen sie der Expo aus, um sie nach Ende der Ausstellung an ihrem Herkunftsort wieder aufzubauen. Andere entsprechen den BedĂŒrfnissen der Gemeinden direkt am See und werden nach der Ausstellung zu ihren endgĂŒltigen Standorten geschleppt.

Weitere erzÀhlen von den internationalen Seen rund um den Planeten und werden von diesen gestellt.

Das Ensemble dieser gebauten Plattformen bildet ein poetisches Konglomerat, im Wasser schwebend, sich sanft bewegend und organisiert gemĂ€ss dreier thematischer Achsen: Wirtschaft – Politik – und Kultur.

Um vom Ufer zu den Plattformen und von einer zur andern zu gelangen, benutzen die Besucher die verschiedensten öffentlichen Verkehrsmittel– zu Wasser und in der Luft – von alter oder neuester Machart. Auf dem Langensee und auf dem Genfersee kĂŒndigen noch vor 2027 schwimmende Strukturen die bevorstehende Landesausstellung an, ebenso wie auf den 56 internationalen Seen symbolisch daran hingewiesen wird.

Zu Land, onshore, werden bestehende Infrastrukturen von Wirtschaft, Politik und Kultur der ganzen Region und darĂŒber hinaus, reihum fĂŒr die Programmierung der Landesausstellung 2027 verwendet, ohne dass Weitere gebaut werden sollen. WĂ€hrend 180 Tagen der Landesausstellung werden drei bi-direktionale Achsen gleich den Zeigern einer Uhr langsam ĂŒber die Landschaft streifen und jeden Tag in eine um 1 Grad gedrehte Richtung zeigen. Die von den Achsen berĂŒhrten Institutionen aus Wirtschaft, Politik und Kultur- Museen, Fabriken, RatshĂ€user in der Schweiz oder im Ausland- werden so dazu bestimmt, einen Tag lang Teil der Programmierung der Ausstellung zu sein, bevor sie in ihren Alltag zurĂŒckkehren.

Offshore und onshore werden so Wirtschaft, Politik und Kultur wÀhrend einer Saison zusammenkommen, um in einer Region und auf einem See Nachbarschaft zu feiern, Grenzen zu hinterfragen und um alle Seelandschaften zu zelebrieren.


Jenseits der Schweiz

Vier LĂ€nder, die grösser sind als sie, umgeben die Schweiz: Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien. Mit allen vier LĂ€ndern teilt die Schweiz Seen, und sogar ihre drei grössten: Genfer-, Langen- und Bodensee. Jeden Morgen, wenn ĂŒber diesen Seen die Sonne aufgeht, können Hunderttausende von Schweizern einen Blick auf das andere Ufer werfen, dorthin, wo ihre Nachbarn leben.

Dieses «Jenseits» der Schweiz, auf der anderen Seite der Grenze, gehört zum Alltag der Seeuferbewohner. Sie leben mit der Grenze, ohne sich dessen bewusst zu sein. FĂŒr sie bedeutet der See, mit seinen wandelnden Konturen, seinen Schiffen, seinen Fischen, seinen Möwen und seinen SchwĂ€nen ein Gemeingut. Das Wasser, das ihn fĂŒllt, ist weder schweizerisch noch auslĂ€ndisch, es ist den Wellen und den Strömungen ergeben, es fliesst von einem Ufer zum andern. Auf einem See ist die Grenze noch immaterieller als auf Festland.

Die Grenzen der Schweiz werden normalerweise durch in den Boden eingelassene Grenzsteine festgelegt. Nur nicht auf dem Wasser, insbesondere auf den Seen, wo diese Grenzen «schwimmend» sind, das heisst unklar definiert, und die Anwohner sich einigen und ĂŒber dieses «gemeinsame Gut» verhandeln mĂŒssen. Deshalb ist der beste Ort, um ein Land wie die Schweiz zu erzĂ€hlen, die Grenze. Und der beste Ort, um eine Grenze zu erzĂ€hlen, ist ein See. Aber wie soll man diese Grenze definieren, die gleichzeitig eine virtuelle Linie ist und eine RealitĂ€t, in der drei Sichtweisen aufeinanderprallen?


Aus politischer Sicht

Die Definition und die Erhaltung einer nationalen Grenze ist Teil der Rahmenbedingungen der politischen Existenz eines Landes. Die Festlegung der territorialen Grenze gehört zur Entstehung des Nationalstaates, und wurde im allgemeinen seit dem 19. Jahrhundert durch alle möglichen Kriege, VertrÀge, und wiederum neuen Kriege definiert, bis sich diese Grenze in einem Zustand stabilisiert, die, wenn auch selten ewig bestÀndig, immer als definitiv proklamiert wird.

Von unseren vier grossen Nachbarn hat keiner seine aktuellen Grenzen seit mehr als zwei Generationen. Frankreich hat Indochina und Algerien verloren und besitzt noch als immerwĂ€hrend vorgegebene Übersee-Departemente. Die Deutsche Bundesrepublik hat ihre aktuelle Grenze erst 1989 gefunden, Österreich ihre in 1945, ebenso wie Italien bei Triest und in Savoyen. Die Schweiz ihrerseits datiert ihre Grenze auf das 19. Jahrhundert, mit bis heute nur geringfĂŒgigen Berichtigungen.

Politik und Administration sind im allgemeinen sehr konservativ, was die nationalen, aber auch die lokalen Grenzen (Kantone, Bezirke, Gemeinden) betrifft. Die Gesamtheit der Symbole, die ein Land definieren, (Wappen, Uniformen, Herkunftsbezeichnungen
) wird sorgfĂ€ltig produziert, geschĂŒtzt und bewahrt.

Aus politischer Sicht dient die nationale Grenze dazu, den Geltungsbereich der Gesetze zu definieren, die das Zusammenleben der BĂŒrger regeln. Sie dient auch dazu, die Steuerhoheit und die NationalitĂ€t der Bewohner festzulegen, die Privilegien, Rechte und Aufgaben jener, die dieser Staat anerkennt. Durch das Monopol der öffentlichen Gewalt gewĂ€hrleisten der Staat, seine Polizei und seine Armee innerhalb dieser Grenze die Sicherheit der BĂŒrger sowie die Unverletzbarkeit eben jener Grenze.

Obwohl die politischen Behörden im Prinzip vom Volkswillen eingesetzt werden, entscheiden sie, wer das Recht hat, diesen Willen zu reprÀsentieren und ob zum Beispiel die Frauen (Stimmrecht oder Erbrecht), die Fremden, die GrenzgÀnger, die illegalen Einwanderer, usw. davon ausgenommen werden. Es kommt also zur paradoxen Situation, dass politische Machthaber, die angeblich ihr Mandat von allen haben, die Grenze eigenmÀchtig festlegen, ohne der Gesamtheit jener, die sich innerhalb dieser Grenze befinden, Rechenschaft abzulegen.


Aus wirtschaftlicher Sicht

Eine Grenze ist gleichzeitig ein Hindernis und ein Durchgang. Ein Hindernis, um das Land vor zu grossen Importströmen zu schĂŒtzen. Ein Durchgang, um die nationale Produktion exportieren zu können. Wenn dieser Handel nach und nach zunimmt, wird die Unterscheidung zwischen Export und Import zu einer Bremse und erfĂŒllt ihre vorgesehene Funktion nicht mehr. Dazu kommt, dass neue elektronische Kommunikationsarten die Grenzen zunehmend auflösen und es sich aus wirtschaftlicher Sicht verbietet, den Handel in Bezug auf die nationalen Grenzen, die er ĂŒberschreitet, zu differenzieren.

Ausser fĂŒr Waren und Informationen interessiert sich die Wirtschaft auch fĂŒr Kapitalaustausch. Doch auch hier kann die nationale Grenze schnell von einem Schutz zu einem Hemmnis werden. Angesichts der Schnelligkeit und der Menge des Austauschs ist eine Zollblockade immer schwieriger zu realisieren, wird kontraproduktiv. Und ist es nicht eigentlich das Ziel der Wirtschaft, Waren, Informationen und Kapitalien zirkulieren zu lassen?

Was die Zirkulation von Menschen betrifft, stehen die Dinge anders. Die Wirtschaft sieht in ihr nur die Zirkulation von ArbeitskrĂ€ften und da die Kosten dieser ArbeitskrĂ€fte die wichtigste Variable fĂŒr die Wirtschaft ist, wird die Grenze zu einem Element, auf das sie nicht verzichten will. Ohne Grenzen erfolgen die Verhandlungen ĂŒber den Preis der ArbeitskrĂ€fte nicht mehr unter den selben Bedingungen. Und so fahren die verschiedenen Akteure der Wirtschaft, Gewerkschaften und Unternehmer fort, den GrenzĂŒbergang durch alle möglichen administrativen Richtlinien, Arbeits- und Niederlassungsbedingungen kollektiv oder individuell auszuhandeln.

Dennoch wird die Globalisierung, die vorlĂ€ufig die Karte der Lohnunterschiede zwischen den LĂ€ndern ausspielt, mehr und mehr durch PersonenfreizĂŒgigkeiten in Frage gestellt. Die GlobalitĂ€t kommt, und mit ihr die Hoffnung zu sehen, wie die Migration der ArbeitskrĂ€fte nicht mehr durch Grenzen aufgehalten wird.


Aus kultureller Sicht

Die Grenzen werden als eine immer mehr verschwimmende Wirklichkeit betrachtet, als ein Sieb, als eine Durchgangshilfe. Die Kultur, selbst wenn sie ein wirtschaftliches und politisches Interesse hat, betrachtet als ihr Kerngebiet die symbolische ReprĂ€sentation. FĂŒr sie, handle es sich um Unterhaltung oder Kunst oder beide gleichzeitig, kann die Frage der nationalen Grenze weder IdentitĂ€t definieren noch ihr genaue Inhalte vorgeben. WĂ€hrend des gesamten 20. Jahrhunderts haben die kulturellen Milieus immer wieder ReprĂ€sentationen geschaffen, die sich dem Geist der Aufsichbezogenheit oder gar des nationalen Reduit entgegenstellen. Sie haben die BeschrĂ€nktheit der offiziellen Reden angeprangert, die «fruchtbare Kreuzung» gelobt, ausgesprochen nationalistische Visionen lĂ€cherlich gemacht (la Suisse n‘existe pas). Doch die selben kulturellen Milieus profitieren von den Infrastrukturen und der finanziellen UnterstĂŒtzung der öffentlichen Hand. WĂ€hrend sie behaupten, sich nicht um Grenzen zu kĂŒmmern (Freie sicht auf das Mittelmeer, Wir sind alle Migranten), bewegen sie sich doch in einem nationalen Rahmen, auch wenn sie mehr internationalen als lokalen Moden folgen.

Über ihren virtuellen Charakter hinaus (eine abstrakte Linie auf einer Karte) definieren also drei Sichtweisen die Grenze. Aber in welche Reihenfolge muss man sie stellen, wenn es darum geht, ĂŒber eine Landesausstellung nachzudenken?


Vorrang der Kultur

Jede Schweizer Landesausstellung wurde von einem technischen Fortschritt begleitet. 1896 die Eisenbahn, 1914 das Telefon, 1939 der elektrische Kochherd fĂŒr jede Hausfrau, 1964 die so genannt friedliche Nutzung der Atomenergie, 2002 die digitalen Technologien. Die Landesausstellungen konnten von der Begeisterung fĂŒr die neuen Errungenschaften der Wissenschaft profitieren und den industriellen Fortschritt feiern. Das ist aber nur der erste Grund fĂŒr ihren Erfolg.

Der zweite Grund hat mit der jeweiligen historischen Situation des Landes zu tun, besonders 1914 am Vorabend des Ersten Weltkriegs, 1939 am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, 1964 mitten im Kalten Krieg. Der schweizerische Igel, den das MilitÀr prÀsentierte, musste jedes Mal dazu beitragen, angesichts der Gefahr von aussen, des feindlich gesinnten Auslands, innerlich die Reihen zu schliessen. 2002 musste sich das Land vom Verlust seiner Luftfahrtgesellschaft und von den Schwierigkeiten seiner Banken im Ausland erholen.

Der dritte Grund des Erfolges unserer Landesausstellungen hat mit der Rolle der KĂŒnstler zu tun. 1896 war Hodler noch nicht der offizielle Maler, zu dem man ihn spĂ€ter gemacht hat. Seine Malerei war damals avantgardistisch. 1939 war Hans Erni noch nicht der populistische Maler, der er spĂ€ter geworden ist. Er malte damals ein Fresko, dessen Ironie nichts Patriotisches hat.

WĂ€hrend der Schweizer Landesausstellung von 1964 konnten die Besucher am Ufer des Genfersees eine riesige Maschine bewundern, die aus kreischenden Metallteilen bestand, aus alten Federn, verzogenen Antriebscheiben, stotternden ZahnrĂ€dern und schlecht sitzenden Treibriemen. Die beweglichen Teile verursachten einen entsetzlichen LĂ€rm, das Getöse von schepperndem Blech und das Knarren ungeölter Angeln. Man meinte, eine ganze einsturzbedrohte Fabrik vor sich zu haben. Die Besucher blieben fasziniert vor der «Tinguely-Maschine» stehen. GrossvĂ€ter eklĂ€rten ihren Enkelkindern die Wunder der KraftĂŒbertragung, denn die gesamte Energie stammte von ein paar auf dem Schrottplatz gefundenen Elektromotoren. Andere Besucher standen reglos vor der Installation und warteten auf ihren endgĂŒltigen Zusammenbruch. Es war jedoch untersagt, Steine danach zu werfen. Andere wiederum grinsten voller Zerstörungslust, noch andere schĂŒttelten den Kopf und wiederholten, das sei keine Kunst, nicht einmal Kunsthandwerk, und verschwendetes Geld. Vor allem aber: Es hat ĂŒberhaupt keinen Sinn.

1964 zweifelte in der Schweiz niemand an der Zukunft der Werkzeugmaschinenindustrie und des Maschinenbaus. Die AushĂ€ngeschilder unserer Industrie waren damals Brown-Bovery, von Roll, Monteforno, SĂ©cheron. Wer von all den Besuchern, die vor der «Tinguely-Maschine» standen, hĂ€tte jemals geglaubt, dass diese grossen Namen in so kurzer Zeit die Industriebrachen bezeichnen werden, die heute unsere StĂ€dte umgeben? Tinguely, der KĂŒnstler des Nutzlosen und der Dekonstruktion, prophezeite damals nichts anderes als jenen RostgĂŒrtel, der sich schon ab dem Ende der Achtzigerjahre um die stĂ€dtischen
BallungsrĂ€ume legen sollte. Die Federn knarren nicht mehr, die Metallplatten schleifen sich nicht mehr gegenseitig ab, die Treibriemen stehen fĂŒr immer still. Danke, Tinguely, sie dĂŒrfen im Frieden der Museen in den ewigen Ruhm eingehen.

An der Expo.02 standen die Besucher auf der Arteplage von Yverdon Schlange, stĂŒlpten sich trotz des guten Wetters UmhĂ€nge ĂŒber, wagten sich ĂŒber einen Steg auf den See hinaus, bis zu einem verschwommenen Gebilde aus Wasserdampf, das zur HĂ€fte eine komplizierte Metallkonstruktion verbarg. Mit 32.000 DĂŒsen versehen, war sie aufgrund einer subtilen Programmierung in der Lage, eine der herrschenden Luftfeuchtigkeit angepasste Wolke zu erzeugen. Am Ende des Pontons, errichtet aus einem Kunststoff, der dĂŒnner und fester war als Stahl, betrat der Besucher einen dichten Nebel, durch den ihn am Boden befestigte Leuchtpunkte hindurchfĂŒhrten. Von einem Schleier aus zarten Tröpfchen umgeben, stieg er eine Treppe hinauf, gelangte zu einer ersten Plattform, die es ihm erlaubte, die technische Installation der Tausenden von kleinen Röhrchen zu begreifen, an denen die DĂŒsen hingen, die gefiltertes Seewasser zerstĂ€ubten. Die Nebelmaschine von Elisabeth Diller und Ricardo Scofidio sĂ€ttigte die Luft ringsum, umhĂŒllte die Konstruktion und verhĂŒllte sie zum Teil. Die AtmosphĂ€re erinnerte an ein tĂŒrkisches Bad, in dem sich veschwommene Schatten vorwĂ€rts tasteten. Sich an den Balustraden festhaltend, stiegen sie weiter hinauf, um schliesslich auf einer Plattform oberhalb der Maschine aufzutauchen. Von dort oben bewunderte ein jeder den See, seine blĂ€ulichen Ufer und seine silbrigen HĂŒgel in der Unendlichkeit des Himmels. Man hatte das GefĂŒhl, in einem Flugzeug ĂŒber einem Nebelmeer zu schweben. Keine ErklĂ€rungstafeln, nur einige Leuchtpfeile, die den RĂŒckweg anzeigten, und zwei Zwischenstufen, ĂŒber die man wieder in den Dunst eintauchte und zu einem Ausgangsponton gelangte, der zum Festland fĂŒhrte. Das war alles.

Hier haben die KĂŒnstler die Wolke dekonstruiert, haben gezeigt, wozu die Technik fĂ€hig ist. Ehrlich gesagt nur zu wenig, denn in jeder echten, sich ĂŒber den Arteplages aufblĂ€henden Haufenwolke sind die Produktionsbedingungen viel komplexer. Dort ist es wesentlich kĂ€lter. Wer sich mit einem Gleitschirm hineinwagen wĂŒrde, wĂŒsste, dass er als EiswĂŒrfel wieder herauskĂ€me. Die in ihr wirksame ElektrizitĂ€t ist stĂ€rker ist als tausend elektrische StĂŒhle und die physikalischen und chemischen Prozessem, die darin ablaufen, sind viel komplexer als in dieser einfachen Simulation, die dem Besucher der Expo.02 geboten wurde. Die Wolke hat noch eine Menge zu lernen von einer echten, sich ernsthaft der himmlischen Schafsordnung wiedersetzenden Haufenwolke.

Man verliess diesen Ort mit dem gleichen Eindruck, der auch die UnglĂ€ubigen befiel, die vor der Tinguely-Maschine stehen blieben. Schulterzucken und Staunen angesichts dieser KĂŒnstler, die unsere alltĂ€gliche Wirklichkeit ins LĂ€cherliche ziehen und die kommende ankĂŒndigen. Sie erklĂ€ren nichts, prangern nicht einmal etwas Bestimmtes an. Sie machen etwas sichtbar, nicht ohne sich nebenbei einiger Emotionen zu bedienen, deren Mechanismen sie kennen oder erahnen. DafĂŒr verdienen sie, dass man ihnen vertraut.

Ohne diesen kritischen kulturellen Beitrag wĂ€ren unsere Landesausstellungen nicht mehr als irgendeine Mustermesse. Dank diesem Beitrag waren sie gleichzeitig ein Erfolg fĂŒr die Unternehmer, die Politiker und die KĂŒnstler.

Die Wirtschaft, treu ihrem Namen, funktioniert auf wirtschaftliche Art, sie zögert Millionen zu investieren, um zunehmend immaterielle, immer weniger nationale Produkte zu zeigen. Das Know-how könnte noch ausgestellt werden, aber das Wissen an sich, wie stellt man es dar? Was erlaubt uns, daraus eine Ausstellung, ein Spektakel zu machen? Die Eisenbahn, der Elektrokochherd und die KĂŒhltĂŒrme friedlicher Neutronen besassen eine spĂŒrbare Grösse, doch die Entwicklung der digitalen Technologien oder der Kernkraftwerk Unfall sind nichts anderes als ein ungreifbarer Zeitgeist, deren einzig mögliche Inszenierung eine radikale Infragestellung ist. Die Politiker können weder die Abschiebung der FlĂŒchtlinge noch die Trostlosigkeit der Offshore-Konten in Szene setzen.

Es bleibt, was man gemeinhin als Kultur bezeichnet. Sie hat nicht das Monopol der Fantasie. Auch die Wissenschaft ist fantasievoll. Aber sie alleine kann bieten, was die beiden anderen Sektoren (Wirtschaft und Politik) nicht haben: die Ironie, die es erlaubt, Abstand zu nehmen und ein wenig von unserer Zukunft vorherzunehmen. Als Tinguely seine Maschine voller nutzloser RĂ€dchen vorstellte, faszinierte sie, provozierte sie, aber sie bereitete auch auf den Schock der VerĂ€nderung vor. Die Arbeiter der Schweizer Maschinenindustrie hatten die knirschende Ironie ihrer Zukunft vor Augen, die dennoch strahlend erschien. In kurzer Zeit ist die Tinguely-Maschine ein Teil unserer Wirklichkeit geworden. Doch wie wird 2027 unser Leben aussehen? Die Schweiz wird sich wahrscheinlich noch mehr ihrer Auflösung angenĂ€hert haben. Der Kontinent wird nach und nach seine Nationen vergessen. Die KĂŒnstler haben das viel frĂŒher als die Politiker erahnt. Aber, oh Schreck, man kann nicht die Auflösung unseres Landes auf die Tagesordnung einer sogenannten Landesausstellung setzen. Nicht auf eine offene Art, kulturell aber schon.

2027 werden die drei Bestandteile, die bis anhin den Erfolg unserer Landesausstellungen gewÀhrleistet haben, ein neues gemeinsames Projekt vorstellen können. In diesem Spiel zu dritt, zwischen Kultur, Wirtschaft und Politik, zÀhlt auch das KrÀfteverhÀltnis, das sich lÀngerfristig ausserhalb des einzelnen Ereignisses, nach der Expo.27 ergeben kann. Der Kultur in der Schweiz fehlt eine institutionelle Anerkennung seitens der beiden anderen Spieler. Die Schweiz muss, mehr als jedes andere Land, ihre kulturelle IdentitÀt bestÀrken, denn das Zusammenleben ihrer Bewohner zwischen den Alpen, dem Jura und den Seen beruht auf einem in erster Linie kulturellen Willen.

Ein Land, dessen Reichtum die Wirtschaft fĂŒr sich allein beansprucht und dem die Politik einen Konsens aufzwingen will, braucht einen Blickwinkel von ausserhalb auf sich selbst. Oder zumindest von so weit ausserhalb wie möglich. Es wĂ€re deshalb ein Fehler, der Wirtschaft oder der Politik die FĂŒhrung ĂŒber die Landesaustellung 2027 anzuvertrauen. Es bedeutet, dass die Leitung bei der Kultur liegen und dass diese eine weitgehende Autonomie geniessen muss. Dass man ihr zusichert, die von der Wirtschaft und Politik getĂ€tigten Investitionen steuern zu können. FĂŒr einmal werden diese beiden der Kultur vertrauen mĂŒssen. Am Schluss werden alle auf ihre Rechnung kommen.


Der See, eine Planetlandschaft

Die Schweizer Landesausstellungen dienten bis anhin dazu, unseren eigenen Blick auf die Schweiz zu hinterfragen und dann diesen Blick fĂŒr uns und fĂŒr auslĂ€ndische Besucher auszustellen. Wir haben unser Land reinterpretiert und wir haben es ausgestellt. Wenn eine Landesausstellung im Jahre 2027 noch Sinn macht, wird es nicht mehr darum gehen, unseren eigenen Blick zu hinterfragen, sondern den Blick, mit dem uns die andern betrachten.

In den bisherigen Landesausstellungen hat man die IdentitĂ€t in erster Linie als ein politisches, historisches und kulturelles PhĂ€nomen betrachtet. Hierin mĂŒssen wir einen Schritt weiter gehen. In einer Welt, in der 2027 acht Milliarden Menschen leben werden, werden die Migrationsströme noch mehr zugenommen haben. Die Frage der IdentitĂ€t wird sich nicht mehr als eine Frage der einfach verorteten Verwurzelung stellen, sondern sich auf vielfĂ€ltige Wurzeln beziehen. Darunter, in 2027, die Verbundenheit mit einer Landschaft.

In unserer Schweizer Landschaft heben sich drei Elemente hervor: die Alpen, der Jura und die Seen und dieses dritte Element verbindet die beiden andern. Jedes Jahrhundert hat sich seine Seen auf eine andere Art zu eigen gemacht: Verbindungsweg, Nahrungsreservoir, strategische Grenze, Wirtschaftsraum, mystischer Ort und schliesslich fĂŒr Tourismus und Naherholung. 2027 muss man ĂŒber diese funktionale Verwendung der Seen hinausgehen. In der ganzen Welt gibt es Seen und Seeauferbewohner, die sich auf diese Umgebung eingestellt haben. Ebenso wie die Menschen, die am Meer leben, haben die Seeanwohner eine Seekultur entwickelt, deren Merkmale man auch ausserhalb der Schweiz findet. Der Maler Ferdinand Hodler (1853-1918) hatte Recht: «Der See ist eine Planetlandschaft.»

Wir, Bewohner der Schweiz, sind nicht die einzigen, die am Ufer von Seen leben. Es besteht eine potentielle Gemeinschaft zwischen all denen, die sich in der gleichen Situation befinden. Die Landschaft, selbst wenn sie ihre Einwohner nicht definiert, hinterlĂ€sst Spuren. Und die Namen all dieser Seen der Welt klingen wie eine Einladung zu einer Reise: Baikal, Tanganyjka, Malawi, Urmia, Kiwu, Shikotu
 Nehmen wir also Distanz zu unserer Umgebung, entfernen wir uns von unserem Seespiegel, um andere blĂ€uliche Spiegelbilder zu entdecken. Wir werden sehen, dass auf globaler Ebene Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Seen Teil einer neuen IdentitĂ€t sind, weniger eng gefasst, offener. Wir nennen das nicht Globaliserung, sondern GlobalitĂ€t, die positive Seite eines Humanismus, der weder kolonial noch einzig auf den Westen ausgerichtet ist. Es geht nicht mehr darum, von der Schweiz aus die fremden Seen zu sehen, sondern von der Fremdartigkeit der anderen Seen aus, unsere neu zu interpretieren.

Es wĂ€re naiv zu denken, dass eine Landesausstellung rein national sein soll. Im Gegenteil, sie muss die GlobalitĂ€t ankĂŒndigen, die auf uns zukommt oder die man sich zumindest fĂŒr das Zusammenleben der Menschen auf unserem Planeten wĂŒnscht. Deshalb das vorgeschlagene Hauptthema: Das einer grenzgĂ€ngerischen NationalitĂ€t. Und der symbolischste Ort dafĂŒr, da es die immateriellste Grenze ist, ist eine Grenze auf dem Wasser.


Die internationalen Seen

Seit der vorletzten Landesausstellung hat die Schweiz keine grossen unberĂŒhrten Gebiete oder ĂŒberbaubaren FlĂ€chen mehr, die sie fĂŒr ein solches Ereignis anbieten könnte. Deshalb hat man 1964 die Ufer des Genfersees in Lausanne aufgefĂŒllt und 2002 die Arteplages auf dem Wasser gebaut. 2027 mĂŒssen wir auch hier einen Schritt weitergehen: die Landschaft nicht berĂŒhren, sondern auf ihr surfen, sei es auf dem See schwimmend oder ĂŒber ihn hinfliegend. Wir werden offshore bleiben, wie der Surfer, der auf den Wind vom Festland, den Offshore-Wind, wartet, der die schönsten Wellen bildet.

Die Schweiz hat mehr als 175 Seen, wovon sechs auf der Grenze des Landes liegen. Drei unserer Seen haben eine Grenze mit Frankreich: der Genfersee, der Lac des Brenets und der Lac de Moron. Zwei haben eine gemeinsame Grenze mit Italien: der Langensee und der Luganersee. Ein einziger hat eine gemeinsame Grenze mit Österreich und Deutschland: der Bodensee.

Aber die Schweiz ist nicht das einzige Land, das seine Seen mit NachbarlĂ€ndern teilen muss. Auf jedem Kontinent befinden sich SĂŒsswasserseen in der gleichen Situation. In Afrika: Der Viktoriasee an der Grenze zwischen Uganda, Kenia und Tansania. In Asien: Der Chankasee an der Grenze zwischen Russland und China. In Nordamerika: Der Ontariosee an der Grenze zwischen den USA und Kanada. In SĂŒdamerika: Der Titicacasee an der Grenze zwischen Peru und Bolivien- das sind die bekanntesten, eine genauere Bestandesaufnahme zeigt, dass es mindestens 56 Seen gibt, die ihr Wasser mit mehreren LĂ€ndern teilen. Ihre offizielle Bezeichnung: Internationale Seen.

Wenn wir feiern, laden wir unsere Nachbarn ein. Aber wir laden auch, wenn möglich, unsere entfernten Cousins ein. Daher der Vorschlag, auf jedem Kontinent einen oder mehrere dieser privilegierten Orte zu wÀhlen, deren Wasser auf mehr als ein Land treffen.


AtmosphÀre

Die Landesausstellung von 2027 entfaltet sich also an einer Vielzahl von Orten zweierlei Arten: Offshore, das heisst weit vom Ufern entfernt und Onshore, das heisst am Ufer.

Offshore ist ein Raum mit unbestimmten Grenzen, der sich der Politik entzieht, aber trotzdem durch das umgebende Wasser definiert ist: Es ist ein Archipel in der Mitte des Sees. Onshore hingegen setzt sich aus bestehenden Orten zusammen, die wĂ€hrend der Ausstellung vorĂŒbergehend «aktiviert» werden. Diese Orte befinden sich vorrangig in den drei Schweizer Kantonen, die die Ausstellung organisieren, aber auch in den anderen Anrainern des Sees, in Deutschland und in Österreich, tiefer innerhalb der Schweiz und weit ausserhalb.

Offshore und Onshore sind durch drei programmatisch definierte Achsen verbunden: Politik, Wirtschaft und Kultur. Diese Achsen sind wie bidirektionelle Zeiger einer virtuellen Uhr, deren Mittelpunkt sich im Archipelago befindet, und die sich langsam bewegend, ĂŒber die Landschaft um sie herum streichen. Sie lenken den Inhalt der Ausstellung, lassen manche Teile des Archipels sanft bewegen, sich umstellen oder einfach nur aktivieren und verbinden auch die vielfĂ€ltigen Orte Onshore. Diese Achsen drehen sich jeden Tag wĂ€hrend den 180 Tagen der Ausstellung um ein Grad im Gegenuhrzeigersinn.

Offshore treibt auf der WasseroberflÀche. Es wogt leicht mit den Wellen und ist von den zahlreichen Ufern des Bodensees aus in der Ferne zu erkennen. Jeden Tag erscheint es ein wenig anders, wie eine Wolkenformation, deren allumfassende Form man zwar ausmachen kann, nicht aber deren Einzelheiten erkennen. Dieses ungewisse Treiben von unvorhersehbaren, langsamen Bewegungen ist die IdentitÀt dieses Raumes, seine Grenzen sind verÀnderlich, verschwommen und ohne physische Verbindungen. Symbolisch bindet sich Offshore an niemanden. Es liegt ausserhalb, jenseits des Landes, das sich in Szene setzt.

Offshore, eine Art verwunschenes Schloss, das aus den Nebelschwaden eines geheimnisvollen Sees aufsteigt, ein aus dem Nebelmeer hervorgegangenes Dorf im Zentrum des Bodensees. Es besteht aus rund hundert schwimmenden OberflĂ€chen unterschiedlichster Grössen, auf denen sich die Architekturen der Landesausstellung befinden und bewegen. FĂŒr die Landesausstellung taucht also, zur Freude derer, die dort anlegen, ein vergĂ€ngliches, aktives und lebendiges Seemittendorf auf.

Offshore ist einzig ĂŒber Wasser oder aus der Luft erreichbar. Es ist mit den Seeufern weder durch Stege noch BrĂŒcken verbunden. Aber sein Inselcharakter isoliert ihn keineswegs. Autobahnen, Strassen, Wege, Eisenbahn sind durch eine riesige horizontale und benĂŒtzbare OberflĂ€che ersetzt: das Wasser. Diese flĂŒssige OberflĂ€che ist der Schauplatz der Ausstellung und der Ort, wo sich alle Besucher kreuzen. Von den Ufern von Arbon, Romanshorn, Rorschach, Bregenz, Langenargen und Friedrichshafen lösen sich Tausende von Wasserfahrzeugen jeder Art und nehmen wĂ€hrend der Dauer der Ausstellung den See ein. Auf diese besondere, leise Weise gleitend, wie sie Wassertransport an sich hat, bringen sie die Besucher in die Mitte des Sees. Diese einleitende Erfahrung der Navigation gehört wesentlich zur gesamtheitlichen AtmosphĂ€re der Ausstellung. Noch bevor der Besucher die Ausstellung Offshore erreicht, ist er schon in die Weite der Seelandschaft eingetaucht.

FĂŒr den Teil der Landesausstellung Onshore, werden bestehende Orte «aktiviert», in Szene gesetzt, aber nicht physisch verĂ€ndert. Die Umgebung des Bodensees besitzt zweifellos landschaftliche und kulturelle, ja touristische QualitĂ€ten. Es genĂŒgt daher, diese Orte in der Landesausstellung in einen grösseren Zusammenhang zu setzen, dank einer auf den schon definierten drei Achsen beruhenden, zeitlich gebundenen Programmierung. Auf diesen virtuellen «aktivierenden» Linien können die Besucher durch die Landschaft spazieren, die Textilfabriken von St. Gallen mit dem Museum vom Amriswil und dem Haus von Henry Dunant in Verbindung bringen.


Die schwimmenden Objekte

Neun Zehntel der Trinkwasserressourcen unseres Planeten befinden sich in Seen. Wer von Seen spricht, spricht deshalb auch von ihrer wirtschaftlichen Funktion fĂŒr die Zukunft des Planeten. Die Frage der Verteilung des Trinkwassers wird in unserer Welt immer wichtiger. Der Gouverneur von Kalifornien hat durch Erlass eine Reduktion des Wasserkonsums um 25% fĂŒr 2015 angeordnet.

Deshalb erinnert der Bodensee mit seinen fliessenden Grenzen an diese ganze Gemeinschaft von Seeuferbewohnern: Die Gemeinschaft von Menschen, die ihre Wasserressourcen teilen mĂŒssen und gleichzeitig gemeinsam von den Uferlandschaften profitieren. Man kann nicht vom dem See reden, auf dem die Landesausstellung schwimmt, nicht erwĂ€hnen, ohne auch das Schicksal der 56 internationalen Seen rund um den Globus zu erwĂ€hnen. Die Ausstellung verbindet, symbolisch und reell, die verschiedenen internationalen Seen der Schweiz mit jenen der Welt.

Zuerst die Schweiz. Informationsplattformen befinden sich auf dem Genfersee und dem Langensee. Diese schwimmenden Pavillons bilden den Ausgangspunkt fĂŒr eine gewisse Zahl von Besuchern, die, bevor sie zur Landesausstellung fahren, einen Vorgeschmack haben wollen. Diese Pavillons erscheinen vor Beginn der Landesausstellung selbst, sie sind Orte der Vernissage oder der Taufe des noch zu kommenden. Sie enthalten den Geist, das Wesen der Archipelerfahrung auf dem Bodensee. Sie sind aber mehr als ein Muster, sie sind schon die Ausstellung selbst, Bausteine des Archipels. Sie liegen auch auf einer schwimmenden nationalen Grenze und verbinden die Besucher mit der Ausstellung, mit den Kantonen, mit der Schweiz, mit der Welt durch ihre SeeidentitĂ€t.

Dieselbe Vorgehensweise gilt fĂŒr die anderen Orte auf der Welt, die ebenfalls mit Plattformen ausgestattet werden oder wo AktivitĂ€ten stattfinden, die mit der Schweizer Landesausstellung verbunden sind. Sie bekrĂ€ftigen nochmals die Gemeinschaft der Seeanwohner jenseits aller nationalen IdentitĂ€ten.


Plattformen

In der Mitte des Sees befindet sich ein Archipel von etwa hundert traubenförmig angeordneten Plattformen, die unter sich verbunden und um drei achsige Plattformen angelegt sind. Diese dienen als Bezugspunkt fĂŒr den gesamten Archipel und sind der zentrale Angelpunkt der Programmierungsachsen. Im Archipel bewegt man sich wie in Venedig: Die FussgĂ€nger gehen von Plattform zu Plattform, die durch eine Reihe schwimmender BrĂŒcken oder ZugbrĂŒcken verbunden sind und gleichzeitig das Durchfahren von Schiffen erlauben. Diese zu Fuss erreichbaren Plattformen können, indem man der Logik der oben beschriebenen Achsen folgt, mit genauer Programmierung bespielt und definiert werden. Vom Ufer aus kann der Archipel durch Wasserfahrzeuge erreicht werden. Dieser Archipel und die zahlreichen Verkehrsmittel, die dorthin fĂŒhren, sind das Herz der Ausstellung.

Eine zentripetale Kraft treibt die Besucher zu einer Gruppe von peripheren, leicht geheimnisvollen Objekten in der Mitte des Sees und vom Zentrum aus wiederum, sieht man in der Ferne die Ufer der LĂ€nder, die den See sĂ€umen. Aber so wie vom Ufern aus der Archipel kaum definiert und stĂ€ndig sich verĂ€ndernd scheint, so bleibt vom See aus gesehen die nationale Unterscheidung der Ufer ungewiss und fĂŒr die Besucher auch bedeutunglos.

Die Plattformen sind die gebaute Grundlage der Ausstellung, ihrer Pavillons und Infrastrukturen, Innen- und auch AussenrĂ€ume. Museen, GĂ€rten, Restaurants, temporĂ€re Ausstellungen, Kinos und Theater, Unterhaltungs- und FreizeitrĂ€ume, pĂ€dagogische Orte, Versammlungs- oder DiskussionrĂ€ume wohnen auf dem See zusammen, vereint durch ihre grenzĂŒberschreitende IdentitĂ€t im Seemittendorf.

Die Gesamtheit dieser schwimmenden OberflÀchen kann in 6 Typologien eingeteilt werden:

1. Wasserfahrzeuge
Der dichte und heterogene Verkehr multimodalen und pluridirektionaler Seevehikel ist wesentlicher Bestandteil der Ausstellungserfahrung. Wie im Bild «RĂŒckkehr des Bucintoro zur Mole am Himmelfahrtstag» (1730) des venezianischen Malers Canaletto wird der Bodensee zu einer farbigen MĂ€rchenlandschaft und empfĂ€ngt eine bunte Menge, die von allen möglichen schwimmenden Objekten transportiert wird.

2. Demontierbare Plattformen: 24
Grosse Plattformen, die alle spezifisch mit der Ausstellung verbundenen Serviceprogramme enthalten. Die Architektur auf diesen Platformen wird nach der Ausstellung wiederverwendet. Die Plattformen werden demontiert und kehren an ihren Ursprungsort zurĂŒck (siehe Kapitel Recycling)

3. Permanente Plattformen: 11
Dieser Typ wurde den BedĂŒrfnissen der Seeanwohner gemĂ€ss entwickelt. Die Plattformen und ihre Architektur werden vor der Ausstellung an den Ufern gebaut und kehren nach der Ausstellung wieder zu den Seegemeinschaften zurĂŒck.

4. Plattformen der 56 Seen: 56
56 kleinere Plattformen, die durch eine Partnerschaft der Schweiz mit ihren Seecousins, den Anwohnern der internationalen Seen gebaut werden: Symbolische Konstruktionen, die den Ort mit dem Bodensee verbinden.

5. Bestehende FrachtkÀhne: 20
Die bestehenden FrachtkĂ€hne auf dem Bodensee werden fĂŒr verschiedene Funktionen, punktuelle Ereignisse oder Aktivierung der Programmierungsachsen genutzt.

6. PontonbrĂŒcken und Anlegestellen: 52
Verbindungsstrukturen zwischen den Plattformen und Anlegestelle fĂŒr neuen und alten Vehikel, die nach dem gleichen Prinzip wie der Rest der Plattformen konstruiert werden (siehe Kapitel Strukturen)

Die Plattformen, ebenso wie die notwendigen Infrastrukturen und die Ausstellungspavillons, werden an den Ufern um den See herum gebaut. Vor der Ausstellungseröffnung bewegen sie sich in einer langsamen Parade schwimmender Figuren in die Mitte des Sees, wo sie wĂ€hrend der Ausstellung den Archipel bilden. Nach der Ausstellung kehren die Pavillons an die Ufer zurĂŒck, um in den StĂ€dten und Dörfern am Bodensee eine neue Funktion zu ĂŒbernehmen. Die gesamte tragende Struktur der Plattformen setzt ihr altes Leben fort und wird in ihren ursprĂŒnglichen Handelszyklus reintegriert.

WÀhrend der Ausstellung bleibt ein grosser Teil der Plattformen verankert. Je nach Grösse und Gewicht bewegen sie sich leicht, driften ab. Gewisse Plattformen folgen der Bewegung der drei Programmierungsach-sen. So Àndern sich stÀndig die NachbarschaftsverhÀltnisse, die Grenzen und Aussichten des Archipels.

Durch ein System der Geolokaliserung kann der Standort jeder Plattform jederzeit gefunden werden, jeder Besucher weiss also immer wo und in welcher Umgebung er sich befindet. Die wechselnde Konfiguration der Konstellation der Events und der Orte der Ausstellung ist Teil der Erfahrung, die jeder Besucher macht.


Logistik / Transport

Der See ist die Infrastruktur. Das Unterwegssein ist ein wesentlicher Bestandteil der atmosphÀrischen Erfahrung der Ausstellung. Genau wie in der gegenwÀrtigen Welt, wo das Unterwegs oft unsere wirklichen Arbeits- und Lebensorte ersetzen, macht die Landesausstellung aus dem See einen Ort, an dem man experimentieren und leben kann. In der Ausstellung schwimmt alles. Man bewegt sich nicht nur von einem Punkt A zu einem Punkt B, sondern lebt wÀhrend des Ausstellungsbesuchs auf dem Wasser schwimmend oder auch manchmal in der Luft schwebend.

Um das zu ermöglichen, wird fĂŒr die Ausstellung ein Katalog erstellt, der die Liste der schwimmenden Vehikel enthĂ€lt. Dieser Katalog, den man Flotte 2027 nennen kann, bewegt sich in seinem Ausdruck zwischen visionĂ€rer Tradition und heutigen Objekten: Die Flotte 2027 wird einerseits aus der Gesamtheit der bestehenden, der Ausstellung angepassten Fahrzeuge und andererseits aus neuen VorschlĂ€gen innovativer und ĂŒberraschender Fahrzeuge gebildet (der Katalog der Vehikel findet sich in Anhang 1). Die Luft- und Seelandschaft gewinnt dadurch an Dichte, es entsteht eine besondere, leicht surreale AtmosphĂ€re.

Das gewohnte Netz der öffentlichen Seeverkehrsmittel wird leicht abgeÀndert. Ihre Routen und KapazitÀten werden erhöht und durch eine Reihe von Fahrzeugen ergÀnzt, die deutlich mehr KapazitÀt haben. Aussergewöhnliche Luftfahrzeuge gewÀhrleisten die Verbindung des Archipels mit Heiden und dem Kanton Appenzell als wichtigen Ort in der Ausstellung.

Die aktuelle Flotte, die wegen ihrer traditionell weissen Farbe als «weisse Flotte» bezeichnet wird, bedient 24 öffentliche Anlegestellen. Gewöhnlich transportiert sie rund 7 Millionen Personen pro Jahr, was einem Durchschnitt von 20‘000 Personen pro Tag entspricht.

Dieses Angebot wird momentan durch 27 Pedalo-, Segelboot- und Motorbootvermietungen ergĂ€nzt, 14 davon in der Schweiz, 12 in Deutschland und 1 in Österreich. Die deutschen Vermietungen sind von Grösse und KapazitĂ€t her die wichtigsten und vorranging auf Segelboote ausgerichtet.

FĂŒr die Landesausstellung werden neue, zusĂ€tzliche Schiffsstege geschaffen, um das Anlegen und die Zirkulation der neuen Fahrzeuge zu erlauben, die die Besucher zum Archipel bringen. Die bleibende Infrastruktur beeinflussen diese Anlegestellen nur minimal, ihre Konstruktion funktioniert analog zu den Plattformen und gewĂ€hrleistet eine rasche Installation und effiziente Demontage. Diese Massnahmen garantieren, dass der tĂ€glichen Zustrom von 65‘000 Ausstellungsbesuchern zu bewĂ€ltigen ist. Digitale Technologie ermöglicht, die Vehikel maximal auszulasten statt privat gemietet herumzustehen.

In der Bodenseeregion erfolgt heute ein Zehntel des Verkehrs mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei dieser Prozentsatz in StĂ€dten wie Basel, ZĂŒrich oder Genf viel höher ist (ein Drittel). Das Eisenbahnnetz rund um den See ist grösstenteils eingleisig und teilweise nicht elektrifiziert. Diese Problematik ist auf regionaler Ebene bekannt, und von den betroffenen LĂ€ndern wurden verschiedene koordinierte Initiativen ergriffen. Beispiele wie der «Bodan Rail» oder die Bodensee «S-Bahn» wurden 2015 geprĂŒft. In Deutschland wurde im Rahmen der «Stationsoffensive» eine Reihe neuer Bahnhöfe in der Region geplant. Diese Aktionen und Projekte haben werden vor 2027 Ergebnisse gebracht haben, wobei die Landesausstellung gewisse Arbeiten beschleunigt haben wird. Die meisten ZugĂ€nge zur Ausstellung werden aber dennoch ĂŒber Romanshorn, Rorschach, Friedrichshafen und Bregenz erfolgen.

Um den grossen Zustrom von Passagieren zu bewĂ€ltigen, die in Romanshorn im Rhythmus von stĂŒndlich bis zu 4000 Personen und in Bregenz von stĂŒndlich 1200 Personen ankommen, werden die Takte und FahrplĂ€ne der ZĂŒge angepasst, vor allem an den strategischen Verkehrsknotenpunkten wie ZĂŒrich.

Von der Anfahrt mit Privatautos wird möglichst abgeraten, um die Überlastung der Neben- und Hauptstrassen zu verhindern. Sie ist vorrangig fĂŒr die Bewohner der Region reserviert. Um an die Orte ohne Bahnhof zu gelangen, wird das bestehende Busnetz ausgebaut, das auf die AnlĂ€sse auf dem Festland reagiert.

Per Flugzeug ist die Bodenseeregion primĂ€r ĂŒber die FlughĂ€fen ZĂŒrich und Friedrichshafen erreichbar, aber auch ĂŒber MĂŒnchen und Stuttgart. Letztere sind weiter entfernt, gewĂ€hrleisten aber eine breitere Auswahl an Verbindungen als Friedrichshafen.

Zu gewissen Zeiten der Ausstellung kann eine der Achsen einen der 56 internationalen Seen mit dem Bodensee verbinden. FĂŒr solche Momente sind ZusatzflĂŒge und thematische Anpassungen an die Programmierungsachsen möglich. Beispiel: ein Alphornkonzert auf einem Flug von ZĂŒrich nach Amman, mit dem Toten Meer als Ziel.


Struktur

Der Verkehr von Containern in TEU (Zwanzig-Fuss-Äquivalente-Einheit– 6 Meter) hat ein schwindelerregendes Wachstum erlebt. Man schĂ€tzt, dass 1990 rund 90 Millionen Container in der Welt zirkulierten. Diese Zahl hat 2012 die 600 Millionen-Grenze ĂŒberstiegen. Das gewaltige GeschĂ€ft der Herstellung, Inbetriebnahme und des Recyclings der Container ist die logische Folge.

Über das Recycling oder die Wiederverwertung einer temporĂ€ren Superstruktur nachzudenken, die zur Realiserung einer Landesausstellung notwendig ist, bedingt eine Projektierung auf sehr breiter Basis. Die Herstellung von spezifischen Elementen fĂŒr eine solche Struktur erweist sich als schwierig und kosteninstensiv. Dieser Typ von Event verlangt oft nach Speziallösungen, die nur schwerlich wiederverwendbar sind.

Doch wenn man den Bedarf fĂŒr die Ausstellung in Quadratmetern mit dem globalen Markt der Container vergleicht, kann man sich leicht vorstellen, dass eine kleine Umleitung von rund 10.000 Containern, die sich in einem einzigen Containerschiff transportieren lassen (das gegenwĂ€rtig grösste Containerschiff, die CMA CGM Jules Verne besitzt eine KapazitĂ€t von 18‘000 Containern) nur eine geringen Modifizierung des weltweiten Verkehrs (weniger als 0.2%) darstellt. Diese Container zu mieten, wĂ€re wirtschaftlich vorteilhaft fĂŒr die Schaffung der strukturellen Basis der Ausstellung.

Diese rund 10.000 MetallbehĂ€lter sind ausreichend, um dem ganzen Seedorf, das fĂŒr die Landesausstellung 2027 vorgesehen ist, genĂŒgend Auftrieb zu verleihen. Die Container werden so zu schwimmenden Objekten, auf denen eine netzartige metallische Verbindungsstruktur ruht, zusammengesetzt aus wiederverwendbaren Standardprofilen, die mechanisch an den Containern befestigt sind. DarĂŒber werden die Böden angebracht. Die Container wĂŒrden per Bahn vom neuen GĂŒterbahnhof Basel Nord angeliefert, der mit den wichtigsten ContainerhĂ€fen Rotterdam und Genua verbunden ist.


Recycling

Die Landesausstellungen hatten immer den Ehrgeiz, die grossen, fĂŒr das Ereignis gebauten Strukturen und Architekturen zu recyclen. Dieses Bestreben hat sich oft als schwierig, ja unmöglich erwiesen. Konstruktionen von einem solchen Ausmass, die Ausnahmecharakter haben und gleichzeitig temporĂ€r sind, bewirken, dass der Begriff von Recycling eher zu einem blossen obligatorischen «Label» wird als zu einem wirklichen politischen Willen.

Der Ansatz von Offshore ist leicht anders. Er besteht darin, mit herkömmlichen Programmen zu arbeiten, die nicht notwendigerweise und systematich aussergewöhnlich sein mĂŒssen. Das können Schulen sein, BĂŒros, Wohnungen, KonferenzsĂ€le, Turnhallen, SpitĂ€ler, usw., die dank der Ausstellung zu innovativen und besonderen Objekten werden. Ein SchulgebĂ€ude, das sich der Erziehung widmet, kann von der Ausstellung profitieren, um mit neuen rĂ€umlichen Typologien, die mit dem Unterricht verbunden sind, zu experimentiern und global ĂŒber die PĂ€dagogie nachzudenken.

Ein Teil der Ausstellung wird diesen Programmen gewidmet sein. Die GebĂ€ude entsprechen einer BedĂŒrfnisanalyse, die vorgĂ€ngig von den StĂ€dten und Gemeinschaften rund um den See gemacht wurde. Gewisse Projekte können auch den gĂ€ngigen Prozess des Architekturwettbewerbs integrieren, um lange vor der Ausstellung innovative Lösungen zu finden. Offshore stellt also diese einzigartigen GebĂ€ude aus, die aber in der reellen Entwicklung der Gesellschaft verankert sind. Es geht nicht darum, Ausnahmen fĂŒr ein Ausnahmeereignis zu bauen, sondern diesen Ausnahmemoment zu nutzen, um die Entwicklung der gebauten Umwelt zu verbessern und kreative Lösungen zu testen. Ein Test, der schwierig in die laufenden Jahresbudgets der StĂ€dte zu integrieren ist, kann hier von der PrĂ€senz und dem Beharrungsvermögen der Ausstellung profitieren. Expo2027 kann auch NĂŒtzliches bauen.

WĂ€hrend der 180 Tage der Landesausstellung wird man Offshore die Schulen der Zukunft finden, experimentelle Wohnungen, OperationsĂ€le mit den neuesten medizinischen Einrichtungen und andere Programme, die fĂŒr das Funktionieren der Gesellschaft notwendig sind. Und nach dem Ende der Ausstellung kehren diese GebĂ€ude ans Ufer zurĂŒck und finden in ihre Endfunktionen.

Die Ausstellung dieser gĂ€ngigen Typologien in innovativer Form könnte zu Debatten fĂŒhren, die denen der Kitchen Debate ebenbĂŒrtig sind: An der Amerikanischen Nationalausstellung, die 1959 in Moskau staffand, diskutierten Richard Nixon und Nikita Chruschtschow vor der KĂŒche einer modernen Wohnung mit amerikanischem Standard ĂŒber die Unterschiede, die entscheidenden VorzĂŒge und Probleme des Kapitalismus im Gegensatz zum Kommunismus.


Anhang 1: Flotte 2027

Neue Fortbewegungsmittel
Wasservelo, 1 Person: Die kleinste neue Transportmittel ist ein Fahrrad fĂŒr auf dem Wasser, ein rein muskelbetriebenes Vehikel, das ein volkommen freies und individuelles Fortbewegen zum und im Archipel ermöglicht. Mit einem Eigengewicht von nur 40 kg erreichen die Benutzer, abhĂ€ngig von ihrer Kraftausdauer, Geschwindigkeiten zwischen 9 und 13 km/St.

SolarflĂŒgelboot, 5 Personen: Das SolarflĂŒgelboot ist fĂŒr bis zu 5 Personen und bewegt sich durch solarbetriebene Elektromotoren fort. Es erreicht Geschwindigkeiten von etwa 15-18km/St und lĂ€sst sich durch minimale Kurvenra-dien von 2m Ă€hnlich steuern wie ein Jet-Ski.

Gyroskiff, 17 Personen: Ein Gyroskiff erlaubt eine schnelle, lineare Verbindung zwischen gewissen grösseren HÀfen wie Rorschach, Lindau und Bregenz sowie dem Offshore-Archipel. Es transportiert Gruppen von bis zu 17 Personen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 39km/St. Betrieben wird es durch eine Serie von 3 Elektromotoren und Propellern.

Sesselkopter, 29 Personen: Der Sesselkopter verbindet die Landesausstellung mit Heiden auf eine direkte und spektakulÀre weise und bringt so Appenzell Ausserrhoden unmittelbar an den See. Der Sesselkopter ist ein experimenteller Quadrokopter, basiert auf einer Erfindung von Etienne Oehnichen in 1929, adaptiert mit heutiger Dronentechnologie und einer Reihe von schweizerischen Sessellift-Sitzen, um bis zu 29 Personen innerhalb von 15 Minutern Offshore zu bringen.

RiesenradfĂ€hre, 691 Personen: Um die KapazitĂ€t der beanspruchtesten HĂ€fen (Friedrichshafen/Romanshorn) zu erhöhen ergĂ€nzen 2 sogenannte RiesenradfĂ€hren die beste-hende Flotte. Jede von ihnen transportiert bis zu 691 Personen pro Überfahrt. Ihre Form erinnert nicht an die neuen FĂ€hren, sondern an die frĂŒheren Eisenbahntrajekte, bevor sie zu AutofĂ€hren umgebaut wurden, sind aber durch Solarkraft betrieben.

Bewegliche Plattform, 1277 Personen: Eine der Plattformen des Archipels wird auch nach Beginn der Expo, wenn sich die anderen Platformen festsetzen, weiterhin beweglich bleiben. Sie pendelt zwischen Arbon und dem Archipel mit Hilfe einer Serie von Segeln mit einer, von der WindstĂ€rke abhĂ€ngigen, aber immer gemĂŒtlichen Geschwindigkeit von etwa 3-6 km/St fort und braucht dadurch 1-2 Stunden fĂŒr eine Überfahrt.


Bestehende öffentliche Transportmittel
Mietsboote, 3-17 Personen: Aktuell zur öffentlichen VerfĂŒgung stehende Boote auf dem Obersee des Bodensees.
128 Pedalos, 12 Ruderboote, 51 (Elektro)motorboote ohne Ausweispflicht, 39 (Elektro-) motorboote mit Ausweispflicht, 15 Segelboote ohne Ausweispflicht, 145 Segelboote mit Ausweispflicht, 8 Segelschiffe mit Skipper, und 6 Motorschiffe mit Skipper.

Zeppelin27, 27 Personen: In 1997 begann die Luftschifftechnik GmbH in Friedrichshafen eine neue Generation von halbstarren Luftschiffen zu produzieren: Den Zeppelin NT. 5 davon wurden bis heute konstruiert, einer davon befindet sich in Friedrichshafen selbst. Seit 2005 sind sie daran eine grössere Version zu entwickeln die bis zu 27 Personen transportieren kann und Geschwindigkeiten von bis zu 125km/St erreichen kann. Bis 2027 wird der Zeppelin27 bereit sind, fĂŒr die Expo als zusĂ€tzliches Transportmittel eingesetzt werden zu können, und mit seiner Flughöhe von 330Metern der flachen Wasser-TransportoberflĂ€che eine zusĂ€tzliche vertikale Dimension zu geben.

U-Boot, 41 Personen: Nach einer ersten extensiven Renovation fĂŒr eine Ausstellung in Luzern 2014, wird der „MĂ©soscaphe“, der schon an der Expo 64 in Lausanne Touristen transportierte, bis 2025 wieder in einen komplett funktionstĂŒchtigen Zustand versetzt. Mit einer KapazitĂ€t von 41 Personen, ist der „MĂ©soscaphe“ immernoch das grösste touristische Uboot und wird als eine Attraktion schweizerischen Erfindungsgeists an der Expo.27 wieder Besucher auf 200Meter Tiefe, auf den Boden des Bodensees bringen.

Transportmittel der Schifffahrtsgesellschaften, 56- 1200 Personen: 3 Katamarane (700 Personen), 6 FÀhren (700- 800 Personen), 24 Schiffe (56-1200 Personen). Das gewohnte Netz der öffentlichen Seeverkehrsmittel wird leicht abgeÀndert, um das Archipel als zusÀtzliche und wichtigste Haltestelle zu integrieren.


Anhang 1: Liste der internationalen Seen

Abe (Abbe) Dschibuti, Äthiopien
Albertsee Kongo, Uganda
Andijan Reservoir Usbekistan, Kirgistan
Aralsee Kasachstan, Uzbekistan
Aras Reservoir Iran, Aserbaidschan
Andensee Bolivien, Chile
Bodensee Österreich, Deutschland, Schweiz
Champlainsee Kanada, USA
Chankasee China, Russland
Chilwasee Malawi, Mosambik
Chiutasee Malawi, Mosambik
Dojransee Griechenland, Mazedonien
Eduardsee Kongo, Uganda
Eriesee Kanada, USA
Fagnanosee Argentinien, Chile
Galadussee Litauen, Polen
General Carrera, Lago Argentinien, Chile
Genfersee Frankreich, Schweiz
Grand Lake See Kanada, USA
Huronsee Kanada, USA
Jipe-See Kenia, Tansania
Karibasee Sambia, Simbabwe
Kaspisches Meer Aserbaidschan, Iran, Kasachstan,
Russland, Turkmenistan
Kiwusee Kongo, Ruanda
Kurisches Haff Litauen, Russland
Langensee Italien, Schweiz
Laguna Merin Brasilien, Uruguay
Luganersee Italien, Schweiz
Malawisee Malawi, Mosambik, Tansania
Mweru See Kongo, Sambia
Nassersee Ägypten, Sudan
Natronsee Kenia, Tansania
Neusiedler See Österreich, Ungarn
San Martinsee Argentinien, Chile
Oder Haff Deutschland, Polen
Ohridsee Albanien, Mazedonien
Ontariosee Kanada, USA
Peipsi Estland, Russland
Prespasee Albanien, Griechenland, Mazedonien
PyhÀjÀrvi Finnland, Russland
Rainy Lake Kanada, USA
Ross Lake Kanada, USA
Saganaga Lake Kanada, USA
Shuifeng Damm China, Nordkorea
Skutarisee Albanien, Montenegro
Spednic Lake Kanada, USA
Stanca Costesti See Moldawien, RumÀnien
St. Clair, Lake Kanada, USA
Tanganjikasee Burundi, Kongo, Tansania, Sambia
Titicacasee Bolivien, Peru
Totes Meer Israel, Jordanien
Tschadsee Kamerun, Tschad, Niger, Nigeria
Turkansee Äthiopien, Kenia
Viktoriasee Kenia, Tansania, Uganda
Vistytis see Litauen, Polen
Woods, lake of the Kanada, USA

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept von „Offshore“ will Grenzen hinterfragen, aus politischer, wirtschaftlicher und vorrangig aus kultureller Sicht. Die Expo ist gedacht als ein Fest, zu dem man seine Nachbarn einlĂ€dt. Mehr noch: sie soll global sein. Deshalb wird der Hauptstandort auf dem Wasser gewĂ€hlt, dort, wo die Grenze am immateriellsten ist. So besteht das Projekt hauptsĂ€chlich aus einem schwimmenden, mitten im Bodensee verankerten Archipel.

Die Projektidee fasziniert durch ihre verfĂŒhrerische Poetik. Ein verwunschenes Schloss, das aus den Nebelschwaden eines geheimnisvollen Sees aufsteigt, bildet das Dekor. Ein Seemittendorf mit grenzĂŒberschreitender IdentitĂ€t, die nationale Unterscheidung der Ufer wird vage und unbedeutend.

Die Expo thematisiert, in Anlehnung an Hodlers „See als Planetenlandschaft“, die potentiell weltweite Gemeinschaft und den Bezug zwischen Mensch und See. In einer von 8 Milliarden Menschen bewohnten Welt stellt sich die Frage einer vielfach verwurzelten IdentitĂ€t. Deshalb soll auch die Expo nicht mehr die Schweiz re-interpretieren, sondern vielmehr zu verstehen geben, wie man die Schweiz von aussen her betrachtet.

Der Vorschlag organisiert sich inhaltlich ĂŒber drei programmatische Achsen: Politik, Wirtschaft und Kultur. Dazu kommen Ausstellungen, die von internationalen Seen handeln und andere, die sich gĂ€ngigen Themen wie Wohnen und Schule widmen, die ĂŒber die Expo neue Impulse erhalten sollen.

Hauptstandort ist das Seemittendorf. Es erscheint als gebaute Grundlage fĂŒr die Ausstellungen und die Infrastrukturen der Expo. Es besteht aus etwa 100 aneinandergekoppelten, sich stĂ€ndig bewegenden Plattformen. Die schwimmende Insel befindet sich in einer wechselnden Konfiguration mit 3 axialen Plattformen, die sich jeden Tag um 1° drehen und die Orte onshore verbinden. Die schwimmenden Elemente bestehen aus zirka 10‘000 mit Luft gefĂŒllten und mit HEB Profilen zusammengehaltenen, zum Teil verankerten Schiffscontainern. Onshore werden Orte in den drei TrĂ€gerkantonen, aber auch in der restlichen Schweiz und weit ausserhalb aktiviert.

Ausserhalb der Insellandschaft geht das Konzept davon aus, dass es keine neue Infrastruktur braucht, nur das Benutzen von Bestehendem. Das Archipel soll aus allen Richtungen, ĂŒber verschiedene EingangstĂŒren ĂŒber Wasser, Land und Luft mit einer Flotte von erstaunlichen Vehikeln erreichbar sein, die mit dem Savoir-faire von Schweizer Unternehmen realisiert werden. Das bestehende Netz der öffentlichen Verkehrsmittel wird an die grössere KapazitĂ€tsnachfrage angepasst. Luftfahrzeuge verbinden das Archipel mit dem Kanton Appenzell Ausserrhoden. Die meisten ZugĂ€nge laufen ĂŒber Romanshorn, Rorschach, Friedrichshafen und Bregenz. Die Anbindung per Flugzeug erfolgt ĂŒber ZĂŒrich und Friedrichshafen, MĂŒnchen und Stuttgart.

Die Projektidee basiert auf einem gut durchdachten Recycling-Prinzip. Sie setzt dazu Standardelemente ein, die nach der Expo ohne Transformation wieder ihrer ursprĂŒnglichen Verwendung zugefĂŒhrt werden sollen. Die Schiffscontainer fĂŒr die Plattformen werden gemietet und kehren in ihre HĂ€fen zurĂŒck. Die fĂŒr die Expo erstellten Pavillons sollen an Land ihre Endnutzung finden. DarĂŒber hinaus soll die Expo dazu beitragen, die betroffenen Bahnprojekte in der Region und in den Nachbarstaaten zu beschleunigen.

So verfĂŒhrerisch und poetisch die Idee der schwimmenden Insel auf dem Bodensee ist, so sehr widerspricht die Wahl eines einzigen Haupttreffpunktes der Grundidee der TrĂ€gerkantone. Gleichzeitig reprĂ€sentiert der See die dominante Binnenwirklichkeit der Ostschweiz zu wenig, wĂ€hrend die dezidiert internationale Dimension des Projekts positiv hervorzuheben ist. Auch aufgrund der beschrĂ€nkten Realisierbarkeit, der logistisch schwer zu bewĂ€ltigenden ZugĂ€nglichkeit und der Sicherheitsbedenken wird das Risiko, sich auf einen Standort auf dem Wasser zu konzentrieren, insgesamt als zu hoch und betrieblich als zu anspruchsvoll eingeschĂ€tzt.