modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Award / Auszeichnung | 02/2015

Bau des Jahres 2014

Landschaftspark Forum Terra Nova

DE-50189 Elsdorf, Nordrandweg

4. Rang

Dirk Melzer Landschaftsarchitekt

Landschaftsarchitektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Landschaft und Freiraum

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2012
    Fertigstellung: 01/2013

Projektbeschreibung

EIN PARK MIT BLICK IN GEGENWART UND ZUKUNFT

Im Rheinischen Braunkohlerevier vor den Toren Kölns betreibt der Energieversorger RWE AG den zukünftig grössten Tagebau Europas, den Tagebau Hambach. Der Abbau wird eine Fläche von ca. 8.500 ha umfassen und bis zu einer Endtiefe von 400 m unter dem heutigen Gelände vordringen. Hierfür müssen mehrere Dörfer und Höfe umgesiedelt sowie die Autobahn A 4 auf einer Länge von etwa 20 km verlegt werden. Zudem wird der namensgebende Hambacher Forst bis auf wenige Restflächen gerodet. Nach Abschluss des Abbaus im Jahr 2050 soll im Restloch bis zum Jahr 2100 der zweitgrösste Binnensee Deutschlands – nach dem Bodensee – entstehen.

Der Braunkohletagebau greift tief in die Landschaft der Region ein. Das Projekt erstreckt sich zeitlich auf mehrere Generationen. Aus einer fruchtbaren Niederungslandschaft soll über die Zwischennutzung als «Energielandschaft» eine Seenlandschaft entstehen. Den Wandel begleiten die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, die betroffenen Kommunen und die RWE AG mit verschiedenen Projekten. Den für ein Informationszentrum und einen Landschaftspark am Tagebaurand ausgelobten Wettbewerb gewannen 2009 das Büro Lüderwaldt Architekten (Köln) für den Hochbau und der Landschaftsarchitekt Dirk Melzer (Köln) für den Freiraum. Der Landschaftspark mit Aussichtspunkt nimmt in seiner Gestaltung auf die Lage am zukünftigen Binnenmeer konkret Bezug. Hierzu wurden zahlreiche Freiraumelemente neu entwickelt.

Dünenlandschaft aus «Bergkies»

Das etwa 2 ha grosse Umfeld des Informationszentrums «Terra Nova» wurde in eine künstliche Dünenlandschaft aus örtlichem «Bergkies» umgewandelt. Dieser mit Lehm und Sand versetzte Kies steht unter der Deckschicht aus Lösslehm an. Das Gelände musste zunächst so egalisiert werden, dass ein regelmässiges, 1%iges Gefälle zum Tagebaurand hin entstand. Danach konnten die «Bergkieswellen» aufgetragen werden. Hierzu wurden ca. 20.000 cbm Material bewegt. Die Wellen steigen sanft auf eine maximale Höhe von 1,50 m an und erinnern in ihrer Form an die Riffelungen, die durch den Wind in einen Sandstrand gezeichnet werden. Abschliessend wurde eine arten- und blütenreiche Mischung aus autochtonen Gräsern und Kräutern eingesät. Die Dünenlandschaft wird weder gedüngt noch gewässert und soll maximal zweimal jährlich gemäht werden. Bereits mit der ersten Blüte 2013 hat sich eine sehr artenreiche Insektenwelt auf der Fläche eingestellt. Das prärieartige Erscheinungsbild im «New German Style» wird durch eine spärliche Bepflanzung mit Birken, Zitterpappeln und Waldkiefern verstärkt.

Landschafts-Landungssteg

Durch die Dünenlandschaft schlängelt sich der Weg zum Forum «Terra Nova», das über seine Aussenterrasse erschlossen wird. Das Erdgeschoss des Forums wird gastronomisch genutzt, während im Obergeschoss eine Ausstellung zum Tagebau besichtigt werden kann. Um einen fliessenden Übergang zwischen Innen und Aussen herzustellen, wurden die Farbe und das Fugenbild des Estrichs im Bistro für die Terrassenplatten im Aussenbereich übernommen. Hierfür wurden 1 m x 3 m große, anthrazitfarbene Betonplatten mit einem glatten Erscheinungsbild, aber einer patentierten, rutschfesten Oberfläche hergestellt. Aus dem gleichen Material wurde ein «Landungssteg» produziert, der von der Terrasse geradewegs zum Aussichtspunkt führt und in der flachen Mittelachse der Dünenlandschaft liegt. Der Steg hat eine Länge von ca. 75 m und besteht aus 345 einzelnen Betondielen. Wie die Terrassenplatten sind die Dielen 3 m lang. Sie besitzen jeweils eine Breite von 20 cm und eine maximale Stärke von ebenfalls 20 cm. Die Dielen sind auf einer Unterkonstruktion aus Beton befestigt, sodass die Oberfläche des Stegs 40 cm über dem Gelände «schwebt». Dieser Eindruck des Schwebens wird zum einen durch den Überstand über die Unterkonstruktion erzeugt. Zum anderen verjüngen sich die seitlichen Enden der Dielen auf eine Stärke von 10 cm. Entlang der Unterkonstruktion werden beidseitig LED-Lichtlinien entlanggeführt, damit sich der Steg in der Nacht deutlich vom Untergrund abhebt. Nicht nur der anthrazitfarbene Oberflächenbelag der Innenräume spiegelt sich im Aussenraum. Auch die Struktur der Betonfassade des Forums findet ein Gegenüber im Landschaftspark. Die Betonfassade wurde mit unterschiedlich eingefärbten Schichtungen hergestellt, die an die aufgeschlossenen Erdschichten des Tagebaus erinnern. Die Oberfläche der Schichten wurde zudem grob scharriert. Dadurch wirkt das Gebäude wie ein Erdblock, der sich durch eine tektonische Störung nach oben geschoben hat. In der Dünenlandschaft rechts und links des Stegs wiederholen sich längliche überdimensionale Rasenbänke aus dem gleichen Material, die mit Erde befüllt und mit Gräsern begrünt sind.

Aussichtspunkt als Anlegestelle

Der Landungssteg führt direkt zum Aussichtspunkt an der Tagebaukante. Dieser stellt sich als eine leicht geneigte Fläche dar, die als «Slipway», eine Einsetzstelle für Boote, gedacht ist. Zwei Festmachpoller aus Stahl verweisen auf diese Funktion der Zukunft. Der mit Cortenstahlkanten eingefasste Platz wurde mit einer hellen Wegedecke hergestellt, um ihn vom Umfeld deutlich abzuheben. Der Aussichtspunkt ist schon aus der Ferne durch seine sechs Sonnenschirme aus Stahl deutlich erkennbar. Den Sonnenschirmen sind jeweils zwei Liegestühle aus dem gleichen Material zugeordnet. Sonnenschirme und Liegestühle sind fest installiert und bleiben ganzjährig vor Ort. Die Stahlschirme dienen nicht nur Schattenspender und Regenschutz, sondern fungieren vor allem als Aussenleuchten. Der Landschaftspark und der Aussichtspunkt sind jederzeit zugänglich, damit sich von dort das Geschehen im Tagebau rund um die Uhr verfolgen lässt.

Neue Landschaftselemente als Zeitzeichen

Vor der überwältigenden Präsenz der riesigen Tagebaugrube sollen die Anlegestelle und die Dünenlandschaft die Vorstellung der Zukunft erleichtern. Sie versuchen, eine gedachte Verbindung zur zukünftigen Seenlandschaft zu ermöglichen.

Die Zeichenhaftigkeit der Ausstattung wird einerseits durch den sparsamen und akzentuierten Einsatz der Objekte hervorgerufen. Andererseits fallen sie, was besonders die Leuchtschirme und die Liegestühle betrifft, durch ihre Farbgebung ins Auge. Sie weichen als einzige Gestaltungselemente von den Erdtönungen ab und sind Perlorange lackiert. Der Farbeindruck des Perllacks ändert sich mit den Lichtverhältnissen je nach Tageszeit und Wetter. So reflektieren die Schirme manchmal silbergrau, dann wieder blauviolett oder karminrot. Auch wenn dem Besucher «Liegestühle und Sonnenschirme in Dünenlandschaften» sehr vertraut sind, wirken die Materialwahl, die Farbgebung, ihre Präsenz im Winter und nicht zuletzt ihr Standort vor dem trockenen Canyon sehr fremd. Durch dieses Zusammenwirken von «Korrespondenz und Verfremdung» entsteht ein spannungsreicher Ort.

Der Landschaftspark beim Forum «Terra Nova» ist nicht die einzige, neu geplante Grünfläche am Tagebaurand. Die Freianlage wird Teil des «time-parks», der sich entlang der Nordostseite des Abbaugebietes ziehen soll. Hier werden unter anderem Weideflächen mit einer halbwilden Haltung von Weidetieren entstehen. Eine Bandtrasse, auf der einst Kohle vom Tagebau zu den Kraftwerken auf Fliessbändern transportiert wurde, ist als «Speedway» für Skater und Radler umgestaltet. Die aufgeforstete Abraumhalde «Sophienhöhe» bietet ein Netz von Wanderwegen in einer Länge von etwa 100 km. Mit diesem Massnahmenbündel soll versucht werden, den aktuellen Landschaftsverlust erträglich zu gestalten, bis in etwa 100 Jahren eine Seenlandschaft mit einer hohen Lebensqualität und einem grossen Freizeitwert entstanden ist.