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2-phasiger städtebaulicher und landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb | 01/2000

Landschaftsplanerischer und städtebaulicher und Wettbewerb Cottbus-Ostsee

1. Preis

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Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext



Angesichts der technologischen Entwicklung der letzten 30 Jahre und ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen erscheint es verwegen, heute Lebens- und Arbeitswelten für das Jahr 2030 vorherzusagen.
Das Ziel der städtebaulichen Vorschau für das Jahr 2030 kann nicht darin bestehen ein "fertiges Bild" zu produzieren, vielmehr sollte es um die Schaffung einer robusten und flexiblen Ausgangssituation gehen.
Die Absicht liegt nicht in der Schaffung fixer Ordnungen, sondern in der Etablierung von Möglichkeitsfeldern, welche zukünftige Prozesse aufnehmen können, die sich heute nicht in eine genau definierte Form fassen lassen. Entscheidend ist es den Raum für bisher unvorhersehbare Entwicklungen freizuhalten und vorzubereiten.

Entwicklung langfristige Potenziale
Die Potentiale des Verflechtungsraumes werden sich erst langfristig mit der Realisierung des Sees entwickeln. Der fortschreitende Tagebaubetrieb wird noch für die nächsten 20 Jahren den Raum belasten, der Nutzungsdruck auf das Territorium wird in diesem Zeitraum gering sein. Während einerseits große Areale ihren ursprünglichen Funktion verlieren, blockieren Altlasten und Ruinen die Flächen. Anderseits sind neue Wohn- und Gewerbegebiete bereits entstanden, die die Potentiale der Stadt Richtung See verbauen. Die vorhandenen Industriegebiete wie auch die Neuausweisungen blockieren den räumlichen Bezug der Stadt zum See. Würde diese Entwicklung anhalten, wären alle Flächenresourcen des Verflechtungsraums belegt, bevor sich ihr Potential überhaupt entfaltet hat.
Die Verstärkung der räumlichen Potenziale, die Entwicklung der Standortqualität im Verflechtungsraum Cottbus-Ostsee sowie in neuen Territorien wird nun Leitthema.
Wir schlagen als langfristige Strategie eine Transformation vor, welche den Raum zunächst strukturell vorbereitet, um seine Potenziale ab 2030 nutzen zu können.

Durch das sich ausdehnende Industriegebiet ist der landschaftliche Zusammenhang zwischen Stadt und Tagebau/See heute zerschnitten. Der Tagebau wird fortschreiten, die betriebsbedingte Emissionen werden noch lange den Raum belasten, der See liegt noch in ferner Zukunft. Dennoch kann heute der Transformationsprozess beginnen: abhängig von ihrer Restnutzungsdauer werden Industrieflächen, die ihre Funktion verlieren, stillgelegt. Gleisanschlüsse und tagebaubezogene Funktionen werden sich zurückentwickeln, bis zu dem Punkt in dem sie obsolet sein werden. Neue Gewerbe- und Industrieansiedlungen werden den heutigen Standortfaktoren der Fernverkehrsanbindung folgen und sich voraussichtlich an die B 97 und A 15 angliedern. Der Investitionsdruck ist daher heute noch gering. Der Raum befindet sich in einem Zustand der Brache im positiven Sinne, ein Ruhezustand zwischen zwei Nutzungen; es ist Zeit, die Voraussetzungen für eine neue Nutzung aufzubauen. Die belasteten Böden werden durch biologische Verfahren saniert. Diese Verfahren sind weniger kapitalintensiv als herkömmliche grosstechnische Verfahren, dafür sind sie langwieriger.

Biologische Altlasten-Sanierungsverfahren

"Landfarming" das in Nordamerika entwickelt und erprobt wurde, basiert auf dem Abbau von Schadstoffen durch Pflanzen und Microorganismen. Um die Bedingungen für die biologischen Abbauvorgänge zu optimieren, werden die Böden auf landwirtschaftliche Weise bewirtschaftet. Durch Belüftung, Monitoring von Nährstoffen, p-H Wert und Feuchtigkeit wird das notwendige Milieu für geeignete Organismen bereitgestellt.

Diese Tätigkeiten können auch von regionalen Arbeitskräften ausgeführt werden. (Beschäftigungseffekt) in der IBA-Zwischenpräsentation können die biologischen Sanierungsverfahren vorgestellt werden.

Landschaft als Gerüst neuer Entwicklungen.
Landschaftliche Spuren und vorhandene Wälder können in 30 Jahren zu strukturbildenden Elementen entwickelt werden, so dass sich durch einfache Mitteln raumwirksamen Landschaftsstrukturen aufbauen lassen. Grünkorridore werden als stabile ökologische Elemente den Raum strukturieren, weitere Flächen werden dem Anbau nachwachsender Rohstoffe gewidmet. Die Spreeaue wird in das Grünsystem eingebunden; Waldkorridore, die auch Infrastruktur aufnehmen können, wirken als Filter zur B 97 und bilden einen "Parkway". Waldbänder gliedern den Raum, sie werden zukünftig die Frischluftzufuhr vom See zur Stadt unterstützen.
Die im abzubaggernden Deckgebirge anstehenden Feinsande werden zu Dünen zwischen See, Strasse und Ortschaften geschüttet, sie bieten während des Tagebaubetriebs zusätzliche Abschirmung und zukünftig ein zusätzliches Landschaftselement, das als ortstypischer Identifikationsträger fungieren kann.
Den vorhandenen Fließgewässern wird mehr Raum gegeben, die verbauten Gewässer-Querschnitte werden geöffnet, in den Retentionsflächen entwickeln sich natürliche Auwälder.
Der Verflechtungsraum Cottbus- Ostsee soll zukünftig durch die landschaftliche Kontinuität mit eingelagerten Dörfern geprägt werden.
Einige Altstandorte stehen für Pilotprojekte zur Verfügung: auf dem alten Güterbahnhof entsteht ein Park, an dessen Rändern Dienstleistungsflächen vermarktet werden, auf der ehemaligen Gubener Bahnlinie verkehrt jetzt eine Straßenbahnlinie, sie schafft eine direkte Verbindung von der Stadt über den Dienstleistungsstandort zum See.

Wenn im Jahr 2030 der See der Öffentlichkeit übergeben wird, werden Dünen, Strand und Wälder eine differenzierte weitläufige Erholungslandschaft bieten. Das Potential des Verflechtungsraums wird dann voll entwickelt sein. Alle Flächen sind saniert, der räumliche Strukturwandel ist in der Landschaft vollzogen. Alle Voraussetzung lassen jetzt auf eine erhöhte Flächennachfrage im Verflechtungsraum schließen. Es stehen ausreichend Möglichkeits-Felder für den funktionalen Strukturwandel zur Verfügung, Felder für hochwertige Nutzungen der Zukunft.

Selbstorganisation
Auf den vom Bergbau stark überformten Territorien, deren kulturelle Schichten (Wälder Felder und Siedlungen) durch den Tagebaubetrieb verloren gingen, stellt sich die Frage nach dem Aufbau einer neuen Raumstruktur. Entgegen der landläufigen Vorgehensweise, der Wiedergutmachung und Rekonstruktion einer traditionellen Kulturlandschaft, soll hier ein neues Verfahren erprobt werden, das den besonderen Bedingungen dieser Landschaft entspricht. Es wird folgende Annahme getroffen: der zu erwartende Siedlungsdruck auf diese Zwischenräume ist kaum vorherzusagen, damit sind Masterpläne, die Art und Umfang neuer Siedlungen vorbestimmen, ungeeignet.
Als Alternative zu der konventionellen Rekultivierung der Tagebaufolgelandschaft durch die Tagebaugesellschaft die oft in monostrukturellen Territorien endet, wird hier ein Modellprojekt erprobt das auf dem Bottom-up Gedanken basiert. Das Modell geht davon aus, dass die vom Tagebau und dessen Ende betroffenen Einwohner zu Akteuren werden und jeder Einzelne durch Aneignung einer zu rekultivierenden Teilfläche die Zukunft des Raumes mitbestimmt. Dieses Projekt wird kommunal durch wenige Regeln moderiert und durch leichte dezentrale Infrastruktur Einrichtungen unterstützt.
Auf den peripheren Rekultivierungsflächen können Interessenten eine eigenen Parzelle in Ihrem Sinne kultivieren und ein räumlich und sozial hochdifferenzierter Raum schaffen.

Die Neubesiedlung dieser Territorien entwickelt sich entlang der beiden Paradigma:

1. Selbstorganisation
Die bisher vorherrschende strenge Hierarchie zwischen Zentral-Autorität Bergbau und abhängiger Beschäftigter (top-down) wird aufgegeben und ersetzt durch eine bottom-up Struktur, welche die vielen Einzelnen vom Niedergang des Bergbaus Betroffenen zu lokalen Akteuren macht.

2. Natürliche, nicht lineare Dynamik
In Anlehnung an die vorhandenen dynamischen Prozesse wie Sukzession und Entropie, soll sich eine prozesshafte Neubesiedlung generieren, die sich entlang des Prinzips der Selbstorganisation, durch sich zunehmend höher entwickelnde Stadien aufbaut. Anstelle der zentralisierten Sanierungsplanung der Bergbaugesellschaften, die in der Regel zu gleichförmigen und unproduktiven Monostrukturen führt, soll die Aufgabe der Kultivierung der Flächen auf viele einzelne Akteure übertragen werden.
Als kommunale Vorleistungen erfolgen nur dezentrale technische Infrastrukturelemente (Wasser, Strom, Abwasser, Telefon).

Initial des Prozesses ist eine freie Landvergabe, die sich durch Aneignung von Parzellen vollzieht, (claimlands) die zunächst kostenlos angeboten werden. Dies kann durch Einsparung bei Sanierungsmitteln finanziert werden. Verbunden mit der Aneignung einer Parzelle geht eine Verpflichtung einher, eine entsprechende benachbarte öffentliche Fläche zu kultivieren.
Der emergente Prozess wird kommunal durch wenige einfache Regeln moderiert und ermöglicht eine flexible Entwicklung, die sich an verändernde Bedingungen anpassen kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept geht von einer Schrumpfung der Stadt Cottbus aus und sieht eine Konzentration und Verdichtung innerhalb der Ringstraße vor. Konsequenterweise schlägt es keine durchgehende städtebauliche Erweiterung in Richtung Ostsee vor. Das Konzept setzt auf einen Prozess, der sanft und langsam ansetzt und sich auf die endogenen Potentiale konzentriert. Darin ist der Nachteil enthalten, dass keine besonderen Attraktionen entstehen. Der Vorteil liegt darin, dass keine Vorinvestitionen notwendig werden. Positiv hervorzuheben sind die Pilotprojekte. Die biologischen Sanierungsverfahren zeigen den Weg von Brachflächen bis hin zu Landfarming und sind als IBA-Projekte denkbar. Besonders innovativ (aus heutiger Sicht) ist die Idee der Landnahme, die sowohl für die öffentliche Hand als auch für die Landnehmer die Kosten auf ein Minimum senkt, den Zugang zum Ufer offenhält und für die Kommunen die Unterhaltskosten für die Landschaftspflege minimiert. Bei der Anlage der Dünen bleibt es zweifelhaft, ob sie ihren Charakter ohne Bewuchs erhalten können.