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Award / Auszeichnung | 11/2017

DAM Preis für Architektur in Deutschland 2018

Turnhalle Haiming

DE-84533 Haiming

SHORTLIST

Ingenieurbüro Harald Fuchshuber

Architektur

Almannai Fischer Architekten PartG mbB

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Sport und Freizeit

  • Projektgröße:

    1.800m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 10/2016

Projektbeschreibung

Haiming ein Dorf mit gut 2000 Einwohnern liegt am Zusammenfluss von Inn und Salzach. Der Naturraum der beiden Flüsse – ihre Täler und Auen – prägen die Landschaft des Niedergern. Im Europareservat „Unterer Inn“ nisten und brüten seltene Vogelarten und verrichten zahlreiche Biber ihre Arbeit. Das Idyll ist aber nur das halbe Bild. Mit der Aufnahme der Siliciumproduktion durch die Fa. Wacker 1955 und dem Bau der TAL (Transalpine Ölleitung) und ihrem Anschluss nach Burghausen 1966 begann ein rasanter wirtschaftlicher und industrieller Aufstieg des vormals rein landwirtschaftlich geprägten Raumes. Im Westen des Dorfes sieht man hinter den Kuhweiden und Wäldern die rauchenden Schlote des nahen Industriegebietes mit seinen Raffinerien und Chemiewerken aufscheinen.

Aus einer Ambivalenz der „Werte“ ist auch der Entwurf für die neue Vereinsporthalle des SV Haiming entstanden. Der binnenräumliche Kontext zeugt trotz vielerlei baulicher Banalitäten von einer mindestens strukturell intakten Ortsmitte. Im Zentrum befindet sich klassischerweise die Kirche, umgeben vom Friedhof, daneben das neue Rathaus und der kleine Edeka-Kramerladen. Zur anderen Seite der Kirche die Schule aus den 50er Jahren mit ihrer Erweiterung aus den 60er Jahren und der Schulsporthalle aus den 70er Jahren. Dahinter im Norden die Gottschaller Wiese und die Ziegenweiden des angrenzenden Bauernhofes, nochmals dahinter der Bachlauf des Haiminger Mühlbachs gesäumt von einer Pappelallee und wiederum dahinter – eine echte Seltenheit heute in bayrischen Dörfern: eine innerörtliche Kiesstraße.

Die städtebauliche Setzung der neuen Turnhalle orientiert sich an diesem stimmigen Bezugsrahmen. Sie folgt dem Primat der Zurückhaltung, der volumetrischen und auch bedeutungsgemäßen Unterordnung – allerdings auf die Gefahr hin, ebenfalls banal und etwas zu nett zu agieren. Aber genau das Spiel mit der Banalität ist der eigentliche Ausgangspunkt des Entwurfes – dessen eine Maxime strengste Kostendisziplin war. Unter Einbeziehung der alten Schulturnhalle als neuen Mehrzweck- und Gymnastikraum entsteht ein Konglomerat aus miteinander verwachsenen Gebäudeteilen mit unterschiedlichen Dachneigungen, Richtungen und Höhen. Die niedrigeren Trakte für Technik, Umkleiden und Geräteräume sind an die Hallenstirnseiten gelegt und schaffen so die entsprechende Maßstabs-Vermittlung zum Friedhof und zur Gottschaller Wiese. Sie steifen zudem die Halle in Längsrichtung aus und ermöglichen freigehaltene Hallenlängsseiten. Dadurch wird eine großzügige Belichtung durch die Raum hohe und blendfreie Polycarbonat-Fassade an der Nord-West-Seite ermöglicht und eine große Fensterfront an der Südseite bietet Ein- und Ausblick für Sportler, Zuschauer, Dorfbewohner und Vorbeifahrende. Die Halle selbst ist ca. einen Meter in die Erde eingegraben und mit ihrer flachen Dachneigung an den Giebelseiten nur so hoch wie nötig konzipiert. Eine gewisse Analogie zu großen landwirtschaftlich genutzten Gebäuden im Dorf ist Absicht.

Konstruktiv, aber auch architektonisch und formal ist die Halle fast dem Katalog der örtlichen Holzbau- und Fertigteilwerke entnommen. Ein Holzbau, der auf das billigste und eigentlich unedelste Verbindungsmittel zurückgreift – auf die verzinkte Nagelplatte und auf die damit möglichen Binder- und Wandsysteme. Bei genauer Betrachtung ist dies aber eine eigentlich geniale Erfindung. John Calvin Jureit tüftelte zur gleichen Zeit an ihr als man in Haiming mit der Sliciumproduktion begann und erhielt schließlich 1956 sein erstes Patent und in der Folge viele weitere. Aus einer flachen Stahlplatte werden durch jeweils dreiseitige Stanzung und Biegung ohne jeglichen Materialverlust Nägel heraus- und aufgebogen. Die Nagelplatten werden ausschließlich für Skelett- und Rahmenbauweisen und Stabwerke verwendet und verbinden dort die Knoten mittels eines im wahrsten Sinne des Wortes „platten“ zweiseitigen „Aufpressens“ mit Druckluft. Rechnerisch schwächen sie im Gegensatz zu eigentlich allen anderen Verbindungen im Holzbau den Querschnitt der Stäbe nicht – neben der einfachen Verarbeitung und schnellen Bauzeit ein Grund für ihre Effizienz. Gerne verwendet man daher heute insbesondere die Nagelplattendachbinder in profansten Bauten für die Landwirtschaft und für die Flächen fressenden, eingeschossigen Verkaufsmärkte und -hallen der Discounter wie Aldi und Lidl. Im Gegensatz zu diesen wird aber bei der Sporthalle der Versuch unternommen aus der eigentlich billigen Konstruktion architektonisches Kapital zu schlagen. Am Ende bleibt (hoffentlich) lediglich die Sparsamkeit als verbindende Gemeinsamkeit. Die Halle konnte ca. 25% unter dem gängigen Kostenrichtwert realisiert werden.

Im Sinne eines Raumfachwerkes – (das es aber gar nicht ist) – erzeugt die Dachkonstruktion das Bild einer filigranen Übersumme an tragenden Elementen. In den Wandkonstruktionen hingegen werden die Pfosten, Riegel und Diagonalen gleichsam als große Wandgrafiken bildhaft instrumentalisiert. Der Bruch der Regel – wie er etwa im fetten, skulptural geformten, aber fein im Raster geprägten Stahlbetonbalken an der Südwand Innen und den „nur“ vorgehängten Fertigteilstützen außen aufscheint – ist fast so wichtig wie die Regel und ihre Formalismen selbst. Das direkt eingängige Bild des Tragwerkes vs. einer Art Unschärfe, was hier wirklich Tragwerk und was nur Bild ist, mündet letztlich in spannungsgeladenen Gegensatzpaaren wie einer forcierten Banalität vs. einer romantischen Maßstäblichkeit außen und eines konstruktiven Pragmatismus vs. einer „heroisch“ überhöhten Konstruktion innen.

Dem gesamten Entwurfsprozess liegt die Behauptung oder sagen wir die Versuchsanordnung zugrunde, mit einer Art gedanklichen Präzision und einem Justieren an den primären räumlich- architektonischen Stellschrauben eine Ausführung mit billigsten Details nicht nur zu ermöglichen sondern ganz wesentlich in den Stand einer konzeptionellen Notwendigkeit zu erheben und als elementaren Teil des gewünschten architektonischen Ausdruckes zu sehen. Die Nobilitierung und der Reichtum lägen dann in der beschriebenen Ambivalenz der Mittel und Verfahren. Den entsprechenden Zeitgeist eines „industrial“ oder gar „shabby chic“ mal noch außen vor gelassen – und den möglichen „Erfolg“ dieses Verfahrens mögen andere beurteilen – der Entwurfsverfasser ist dabei naturgemäß befangen.





Credits
Entwurfsverfasser: Florian Fischer (Almannai Fischer Architekten, München) in Arbeitsgemeinschaft
mit Harald Fuchshuber, Altötting
Programm: 2,5 Feld-Sporthalle mit Verbindung zur alten Schulturnhalle
Ort: Haiming, Landkreis Altötting
Bauherr: SV Haiming in enger Abstimmung mit und Förderung durch die Gemeinde Haiming
BGF: 1800 m2
Leistungen: Lph 1- 8 HOAI in Arbeitsgemeinschaft mit Ingenieurbüro Harald Fuchshuber, Altötting
Team: Florian Fischer, Harald Fuchshuber, Rolf Enzel, Benjamin Jaschke, Antonia Sivjakov
Statik + Brandschutz: HSB Ingenieure, Mehring
Freiraum: Link Landschaftsarchitekten, Altötting
Haustechnik: intertech GmbH, Wolfgang Schultes, Landau
Elektro: Elektro Rössler GmbH mit Stefan Wilhelm, Burghausen
Fotos: Sebastian Schels
Zeichnungen: Almannai Fischer Architekten
Zeit: 2013-2016
Status: gebaut / Fertigstellung 10/2016
Floor plan

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Section

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