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Award / Auszeichnung | 10/2017

Auszeichnung guter Bauten 2017 des BDA Vest Recklinghausen und Gelsenkirchen

Alt und Neu im Rendezvous

DE-45659 Recklinghausen

Anerkennung

eleVAtion. architecture+design

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Büro-, Verwaltungsbauten, Gewerbe-, Industriebauten

  • Projektgröße:

    1.623m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2015

Projektbeschreibung

Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche General Blumenthal in Recklinghausen wird seit 50 Jahren keine Kohle mehr gefördert. Auf dem Teil des ehemaligen Schachts 5 zeugen dennoch die ehemalige Kaue sowie das Eingangsgebäude bis heute von der einstigen Betriebsamkeit der Schachtanlage.

Seit vielen Jahren befindet sich der Firmensitz der Tillmann Tiefbau GmbH auf dem früheren Zechengelände. Das stetige Wachstum der Firma machte eine Erweiterung der Betriebsfläche um ein neues Verwaltungsgebäude und eine Lagerhalle erforderlich. Diese Gebäudestrukturen sollten sich in das vorhandene Ensemble der ausdruckstarken Ziegelbauten eingliedern, aber in der Architektursprache dennoch visuell und haptisch spürbar absetzen.
Der Entwurf sah vor eine Brücke zwischen Alt- und Neubau zu bilden. Eine Verquickung der historischen Industriekulisse kombiniert mit zeitloser, zukunftsorientierter Architektur aus Beton und Stahl.

Industriell vorgefertigt und roh belassener Sichtbeton standen als Fassadenmaterial im Vordergrund. In enger Zusammenarbeit planten Architekten, Statiker und Betonfertigteilwerk die Thermowandelemente. Die industriell vorgefertigten Thermowände als Doppelwandelemente mit Kerndämmung und Ortbetonkern (C 30-37) in der Abmessung von maximal 8,50 m x 2,50 m ermöglichten eine großzügige und klar strukturierte Gestaltung der Fassade. Der hohe Grad der Vorfertigung und die sich daraus ergebende Passgenauigkeit der Betonfertigteile verkürzte die Montagezeit vor Ort.
Die resultierenden lebendigen Oberflächen bilden den Bauprozess ab und bringen die ursprüngliche Kraft des Materials zum Ausdruck. Über die einzelnen, versetzt zueinander montierten Thermowand Elemente wurden innen wie außen verschiedene Raumzonen definiert und darüber hinaus das konstruktive System ablesbar gemacht.

Die roh belassene Sichtbeton-Fassadenelemente ohne weitere Farbzuschläge des neuen Verwaltungsbaus und der Lagerhalle wirken im Kontrast zu dem dominanten Ziegelbau der alten Kaue eigenständig und kraftvoll. Der Einsatz großer Glasflächen, eingefasst in bronze-eloxierten Aluminiumrahmen, unterstreicht die Ausgestaltung der Betonfassade und verstärkt deren Gliederung. Die Struktur der Konstruktion und der Materialien formen den Raum.
Im Innenraum wurde das Konzept der Materialauthentizität fortführend vollendet. Die Betonfassade bestimmt weiterhin die Innenseiten der Außenwände und prägt die Stringenz der Materialität. Im Kontrast hierzu wurden jegliche Innenwände im schlichten Weiß gehalten und ein fugenloser Steinteppich als Bodenbelag gewählt, dessen Kornkomposition exakt zu den Farbnuancen der Betonfassaden gemischt wurde.
Der Einbau einer filigranen, unbehandelten Stahltreppe rundete das Konzept zur stringenten Materialauthentizität ab.

Sowohl der Bedarf nach weiterer Bürofläche als auch der Anspruch den Schleier der ehemaligen Nutzung abzulegen und die Strahlkraft des Portals der einstigen Zeche wiederzubeleben waren der Anstoß der Revitalisierung der ehemaligen Kaue sowie des Eingangsgebäudes der ehemaligen Schachtanlage. Das Zusammenspiel der modernen, technisch wirkenden Neubauten und dem monolithischen, in sich ruhenden Altbestand bilden in Ihrer Gemeinschaft Ihre wechselwirkende Anziehungskraft.

Wie bei dem Neubau, der mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe, einer KWL-Anlage mit Wärmerückgewinnung und hochdämmenden Bauteilen bestückt wurde, war ebenfalls die Thematik der Nachhaltigkeit bei der Reaktivierung des Altbestandes ein primäres Anliegen. Die Außenwände wurden mit einer mineralischen, diffusionsoffenen Innendämmung auf neusten energetischen Stand gebracht und der Ziegel in einem aufwändigen Verfahren von den Spuren der ehemaligen Zechennutzung befreit, sodass die Strahlkraft des Bestandsbaus herauskristallisiert wird. Die ursprünglichen Fassadenöffnungen spielten bei der Innenraumkonzeption des gewünschten Raumprogramms einer weiteren Büronutzung eine vorrangige Rolle und wurden mit neuen hochdämmenden Sprossenfenstern ausgestattet, um eine Transformation der ursprünglichen Gestaltungsmethode zukunftsweisend zu interpretieren.
Im Innenraum wurde behutsam in Teilbereichen der ursprüngliche Wandbelag aufgearbeitet und in Kombination notwendige Additive mit authentischen Materialien stringent ergänzt. Konservierung des Bestands und unverkennbare Neueinbauten statt Rekonstruktion waren Hauptgestaltungsmerkmal.
Um die Gegenüberstellung des Altbestandes zu den neuen Sichtbetonbauten weiter herauszuarbeiten und dennoch die Anziehungskraft trotz oder wegen der verschiedenen Baustile hervorzuheben, bildete die Planung eines Glasübergangs zwischen den Gebäudeteilen die transparente Verbindung in die zukunftsorientierte Weiterentwicklung und Nutzung der ehemaligen Zechenanlage.

Formale Zurückhaltung und Materialauthentizität schaffen ein Gebäudeensemble, reflektieren die solide, innovative und werteorientierte Firmenphilosophie des Unternehmens nach außen und komplettieren den Konzeptansatz der „Ursprünglichkeit der Materialität“.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Aufgabe, eine einfache, nicht nur für die Region prägende gewerbliche Nutzung architektonisch kultiviert zu behandeln, wird die Arbeit in Entwurf und Realisation gerecht.

Der ruppige, fast improvisiert erscheinende Umgang mit den bestehenden Gebäudeteilen der alten Zeche steht in balanciertem Kontrast zu dem zeitgenössischen Material- und Volumenkonzept für die Neubauten des Verwaltungs- und des Logistikgebäudes.

Deren klare Setzung im Zugangsbereich des Betriebsgeländes und das Vis-à-Vis von analogen Material- und Fassadenauffassungen organisieren die Freiflächen und schaffen einen qualitätvollen Zutritt zum Gelände und einen angemessenen Auftritt für den Bauherren.