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Award / Auszeichnung | 04/2017

umsicht – regards – sguardi 2017

Einsicht und Weitsicht – Nachhaltige Jugendherbergen

CH-8042 Zürich

Engere Wahl

Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus

Bauherren

Cometti Galliker Geissbühler Architekten

Architektur

urbass fgm

Architektur

bosch & heim architekten

Architektur

HMS Architekten und Planer AG

Architektur

mml architekten

Architektur

Bauart Architekten und Planer AG

Architektur

Eppler Maraini Architekten

Architektur

Buchner Bründler AG Architekten BSA

Architektur

Annabelle Breitenbach Architekten

Architektur

von Allmen Architekten AG

Architektur

dadarchitekten

Architektur

moos giuliani hermann architekten

Architektur

Steinmann & Schmid Architekten

Architektur

Bürgi Schärer Architekten AG

Architektur

AEBI & VINCENT ARCHITEKTEN SIA AG

Architektur

Zurfluh Lottenbach Ingenieure

TGA-Fachplanung

Hanimann Ingenieurbüro

TGA-Fachplanung

HSR Ingenieure AG

Bauphysik

Verein Schweizer Jugendherbergen

Vereine / Verbände / Kammern

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Tourismus, Gastronomie

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2016

Beurteilung durch das Preisgericht

Bis zu Beginn der 1990er-Jahre gab es in der ganzen Schweiz 78 Jugendherbergen,
die dezentral betrieben, unterhalten und instandgehalten wurden. Ihr baulicher
Zustand ist ungenügend. Betriebskonzepte sowie Raumangebot und -gestaltung
entsprechen nicht mehr den Gästebedürfnissen. Gleichzeitig beobachtet man
eine zunehmende Konkurrenz von preiswerten Beherbergungsangeboten und der
kontinuierliche Unterhalt ist finanziell nicht mehr gesichert. Die Stiftung für Sozialtourismus reagierte auf diesen Zustand zusammen mit dem Jugendherbergsverband (SJH), indem sie ein interdisziplinäres Team von Fachleuten beauftragte, ein Bauleitbild zu entwickeln.

Die Entwicklung der Gebäude wird in diesem Leitbild als zentrales Element der Problemlösung erkannt. Ihre Lage stellt das wichtigste Kapital der Jugendherbergen dar. Ziel ihrer Entwicklung ist es, durch eine engagierte und qualitativ hochstehende Architektursprache die Aufmerksamkeit der Gäste zu erregen.
Dabei will man durch sorgfältige Eingriffe in die bestehende Substanz ihre Eigenheiten unterstützen und hervorheben.

Das Bauleitbild setzt sich zudem intensiv mit den Bedürfnissen der Gäste auseinander. Es unterstreicht traditionelle Besonderheiten des Jugendherbergswesens. Die Gemeinschaftsräume werden ins Zentrum der Gestaltung gerückt. Angestrebt
werden neue Begegnungsräume mit hohen Aufenthaltsqualitäten (im Innen- wie
Aussenraum). Klare Akzente setzt das Leitbild durch Gärten im Aussenbereich
anstelle von «gebauten» Spielplätzen, eine regional angepasste Gestaltung (u.a.
durch Materialwahl) und die Integration von gestaltenden Kunstwerke.

Gleichzeitig rückten die Minimierung der Lebenszykluskosten und die Optimierung
von Kosten und Erträgen des Herbergsbetriebs in den Fokus. Man entschied sich
beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen gegen die Abschaffung von Etagenbetten. Allerdings wurde ein neues, leicht klapp- und verstaubares SJH-Bett entwickelt, um die Ausstattung der Zimmer schnell an schwankende Auslastungen
anzupassen. Das Konzept von Mehrbettzimmern wurde zudem mit komfortbezogenen Eingriffen attraktiver gemacht. In Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit
entspricht das Bauleitbild von 1993 dem aktuellen Stand nachhaltigen Bauens.

Die Umsetzbarkeit des Bauleitbilds wurde zunächst am Projekt «Erweiterung der
Jugendherberge Zermatt» erprobt und weiterentwickelt. Heute ist das Bauleitbild selbstverständlicher und verbindlicher Teil der baulichen Entwicklung des
Gebäudebestands der Jugendherbergen. Wesentliche Elemente sind die Vergabe
der baulichen Projekte über Wettbewerbe (wenn möglich an regionale Architekturbüros) und die enge Zusammenarbeit mit den Betreibern bei Um- und Ausbauten.
Einmal im Jahr treffen sich die Verantwortlichen von Stiftung und Verein, um in
einer eintägigen Klausur über die Weiterentwicklung des Gebäudebestands zu
entscheiden.

Die Umsetzung dieses Konzepts wird durch den Verkauf eines Teils des Gebäudebestands finanziert. Die Stiftung konzentriert ihr Portfolio auf Herbergen an guten
Standorten und in besonderen Gebäuden (z.B. Burgen). Heute ist der Bestand
auf 52 Jugendherbergen geschrumpft. Rund ein Drittel davon wird in den drei
Jahrzehnten nach Erarbeitung des Leitbilds saniert, umgebaut, erweitert oder
neu gebaut. Dabei wird – soweit möglich – auf die Sanierungszyklen der
Gebäude ebenso Rücksicht genommen wie auf die persönlichen Lebensumstände der
Betreiber vor Ort. Dadurch kann der CO2-Ausstoss aus dem Gebäudebetrieb
halbiert werden. Die erneuerten Gebäude können wirtschaftlich betrieben werden
und die Preise sind durch die baulichen Massnahmen nicht gestiegen.

Jedes Erneuerungsprojekt hat seine eigene besondere Geschichte. So wird in
Solothurn beispielsweise der alte Standort aufgegeben und zusammen mit der
Stadt ein historisches Gebäude in der Altstadt zum neuen Standort entwickelt.
Dieses Gebäude nutzt man heute gemeinsam mit der Stadt; das direkte Umfeld hat sich in der Zwischenzeit zu einem beliebten Ausgehort entwickelt.
In Saas-Fee wurde man angefragt, das Hallenbad zu übernehmen, das die
Gemeinde nicht wirtschaftlich betreiben kann. Man erweitert das Gebäude durch
einen Jugendherbergsneubau und betreibt seit Eröffnung die Jugendherberge
erfolgreich zusammen mit dem Hallenbad, indem man Synergien zwischen
beiden Angeboten nutzt. In Interlaken tut man sich bei der Suche nach einem
neuen zentral gelegenen Standort mit der lokalen Raiffeisenbank zusammen
und entwickelt gemeinsam ein Areal direkt am Bahnhof. Das Restaurant der
Jugendherberge wird von den Mitarbeitern der Bank als Kantine genutzt. Diese
Beispiele zeigen, dass man Projekte erfolgreich gemeinsam mit dem lokalen
Umfeld entwickelt und Synergien sehr geschickt nutzt. Die Jugendherberge kann
dadurch wirtschaftlicher betrieben werden; aber sie wird vor allem auch Teil
des Ortes und wird ihrem Anliegen, den Austausch zwischen Gästen und Gastregion zu fördern, wesentlich besser gerecht.

Insgesamt bietet diese Arbeit ein Beispiel für ein bemerkenswert umsichtiges
Portfoliomanagement, das Aspekte der Kostenoptimierung mit guter Architektur
und Kundenbedürfnissen zu verbinden vermag. Die Arbeit zeigt, wie die Re-Dimensionierung einer touristischen Infrastruktur bei gleichzeitigem Schaffen
neuer Qualitäten im Sinne eines «smart shrinking» gelingen kann. Allerdings ist
die Qualität der Umsetzung des Bauleitbilds an den Neubau- und Sanierungsstandorten durchwachsen und nicht durchweg überzeugend.

Die nach dem Bauleitbild umgesetzten Jugendherbergen werfen zudem die Frage auf, ob die Identität der Marke der Jugendherbergen – die Kultivierung des familiärgemeinschaftlichen und der Unausweichlichkeit von Begegnungen – nicht zugunsten eines austauschbaren hotelähnlichen Übernachtungs- und Aufenthaltsangebots im Hostelsegement verwässert wurde. Die Jury vermisst in dieser Hinsicht die Innovation. Sie ist daher von der langfristigen Zukunftsfähigkeit des Ansatzes noch nicht vollends
überzeugt und ermutigt die Eingebenden, ihr Leitbild auch in dieser Hinsicht
weiter zu entwickeln.