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Award / Auszeichnung | 10/2018

"Respekt und Perspektive“ Bauen im Bestand Preis 2018

Erweiterung und Sanierung Schloss Wittenberg

DE-06886 Lutherstadt Wittenberg, Schloßplatz 1

Preis

Bruno Fioretti Marquez

Architektur

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Tragwerksplanung

AADe Atelier für Architektur & Denkmalpflege

Architektur

DGI Bauwerk Gesellschaft von Architekten mbH

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Tourismus, Gastronomie

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2017

Projektbeschreibung

Das Schloss Wittenberg blickt als baugeschichtliches Zeugnis auf eine Historie von mehr als 800 Jahren zurück, die allesamt ihre Spuren hinterlassen haben. Friedrich dem Weise baute an Stelle der einstigen Burg ein Residenzschloss, das dann im frühen 19. Jahrhundert zur Festung und Kaserne umgebaut und im 20. Jahrhundert als Archiv, Museum und Jugendherberge genutzt wurde. Seit Anbeginn ist der Sakralbau integrativer Bestandteil der Schloss- und Befestigungsanlage. Zum Reformationsjubiläum 2017 wurde das Schloss umgebaut und saniert. Neben einer ebenerdigen Anbindung an die Schlosskirche wurden ein Besucherzentrum, ein kulturhistorischer Rundgang, der die ehemaligen Wohnräume des Fürsten im Südturm mit einbindet, eine theologische Ausstellung, eine Forschungsbibliothek mit zugehörigem Magazin und wertvollen Buchbeständen sowie das Predigerseminar in dem historischen Bestand installiert.
Unser theoretisch-konzeptioneller Ansatz bei dem Umbau des Wittenberger Schlosses basiert auf unserem Verständnis von dem Gebäude als eine Art architektonisches Palimpsest.
Der Begriff Palimpsest steht für ein mehrfach beschriebenes Pergament, dessen Oberfläche - der geschriebene Text - immer wieder abgeschabt wurde, damit es neu beschrieben werden konnte. Ebenso wie das Pergament hat die historische Bausubstanz im Laufe der Jahrhunderte Veränderungen und Überformungen erfahren, die sich zeitlich und räumlich überlagern und sich anhand von Mustern und Spuren abzeichnen. Für uns gewinnt das Gebäude erst in seiner Ganzheit, mit all seinen Geschichten und Ablagerungen, seinen Wert: nicht trotz, sondern genau wegen der Fragmentierungen wird es zu einem „Datenträger“, in den die Transformationen der Zeit eingeschrieben sind. Das Gebäude kann als ein Buch des Wandels gelesen werden.
Für die erneute Nutzungsänderung und Erweiterung des Gebäudes entwickelten wir Strategien, die einerseits den zeitgemäßen Nutzungen gerecht werden und gleichzeitig die Lesbarkeit der ehemaligen typologischen Spuren erhalten und sogar verstärken.
Aufgrund der Komplexität des Gebäudes, seinen überlagernden Sedimenten und dem heterogenen Raumprogramm, wendeten wir mit dem „Editing“, „Deleting“ und „Post-scriptum“ unterschiedliche Strategien an, die den jeweiligen spezifischen Situationen angepasst waren.
Als Beispiel für das „Post-scriptum“ stehen die neuen Räumlichkeiten für das Predigerseminar, die als „zusätzliche Information dem vorhandenen ‚Manuskript’ hinzugefügt wurden. In monolithisch konstruierten Leichtbetonkuben untergebracht, die sich als Neuinterpretation von historischen, klösterlichen Anlagen im Wechsel mit offenen Patios auf dem Dach entlang eines Kreuzgangs entwickeln, konnte der Neubau auf dem bestehenden Tragwerk abgelastet werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Gestaltungssprache von Umbau und Sanierung des Schlosses greift den monolithischen Charakter des Bestands auf und schreibt ihn unter Verwendung wertiger Materialien mit hoher Präzision fort. Das spannungsreiche Wechselspiel zwischen sorgfältig saniertem Bestand und den Ergänzungen besticht sowohl durch perfekte Fügungen als auch durch die neuentstandenen vielfältigen räumlichen Beziehungen und Raumqualitäten. Beim Umbau des Gebäudes sind Alt und Neu zu einer vielschichtigen Einheit verschmolzen, die ein hohes Maß an Dauerhaftigkeit vermittelt. Das Projekt führt beispielhaft vor, dass auch eine respektvolle Aneignung eines Bestandsgebäudes neue bereichernde Sichtweisen auf das Vorgefundene ermöglicht.