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Award / Auszeichnung | 05/2019

Deutscher Holzbau Preis 2019

Umnutzung eines denkmalgeschützten Forstdienstgehöfts

DE-64289 Darmstadt

Anerkennung Bauen im Bestand

ramona buxbaum architekten

Bauherren, Architektur

Dr.-Ing. Klaus Keller GmbH

Tragwerksplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Denkmäler, Gedenkstätten, Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2014
    Fertigstellung: 01/2017

Projektbeschreibung

Wohnen und Arbeiten im Forsthaus
Autor: Christoph Gunsser

Draußen vor der Stadt in Alleinlage zu wohnen, gilt als Privileg, das normalerweise Land- und Forstwirten vorbehalten ist. Immer mehr von deren Häusern werden aber aufgegeben – so ergab sich 2014 für die Architektin Ramona Buxbaum die Gelegenheit, ein Forstgehöft zu erwerben, das bis dahin zum herrschaftlichen Jagdschloss Kranichstein in Darmstadt gehörte.
Das Anwesen liegt etwas abseits vom Schloss im Wald und umfasst drei Gebäude: das eigentliche Forsthaus vorn an der Landstraße, die Scheune und eine Werkstatt im fast 7.000 Quadratmeter großen Gelände. Das war mal eine hübsche Lichtung mit einer Streuobstwiese zur Selbstversorgung der Försterfamilie. Doch zuletzt hatte man sich auf die Anzucht von Christbäumen verlegt, und das im Kern biedermeierliche Ensemble von 1830 war ziemlich zugewachsen und heruntergewohnt.
Als Architektin hatte Ramona Buxbaum genügend Vorstellungskraft, sich den schattigen, etwas verstaubten und müffelnden Ort als lauschiges Domizil zum Wohnen und Arbeiten auszumalen: „Architekt sein, das heißt für mich, sich in Dinge hineinzudenken, zu forschen“, sagt sie, die schon fantasievolle Kindergärten, Schulen und vieles mehr gebaut, aber auch für die Denkmalpflege gearbeitet hat. Sie ist auf dem Land aufgewachsen. Mit Anfang fünfzig wollte sie das Stadtleben im Hochhaus nur allzu gern gegen dieses Idyll eintauschen. Also bewarb sie sich um die Immobilie – und hatte Glück: Potentere Mitbewerber sprangen ab.

Wohnen in der Scheune
„Wie viel Neues kann ich hinzufügen, ohne den Charakter des Ortes zu beeinträchtigen?“, fragte sich die frisch gebackene Hausherrin und hegte zu Beginn leise Zweifel, ob die offenen Innenräume von Scheune und Werkstatt nicht zu „kathedralenhaft“ wären. Die beiden ruhiger gelegenen Häuser wollte sie nämlich zum Wohnen umbauen. Auch wenn sie in der Weite des Waldes fast wie Tiny Houses wirken, sind sie doch immerhin acht Meter hoch. Alles gut, befand die Architektin schließlich und legte los.
Die Denkmalpflege ebnete den Weg zur nötigen Nutzungsänderung der rückwärtigen Gebäude und zeigte sich überhaupt sehr kooperativ. Die Architektin ging pfleglich mit der Substanz um – so fand man für alles einvernehmliche Lösungen.

Rustikal-modernes Ambiente
„Die eigentliche Arbeit ist die, die man nicht sieht“, weiß Ramona Buxbaum und orientiert sich am berühmten Schweizer Architekten Peter Zumthor, der vom „integralen Arbeiten“ spricht, das Alt und Neu zusammenführt. Respektvoll ließ sie zunächst das Forsthaus mit seinem Putz und seinen Sandstein-Gewänden wieder in den Originalzustand versetzen, der auf einem Aquarell aus der Bauzeit überliefert ist. Als Büro für das derzeit fünfköpfige Team sieht es nun wieder richtig nobel aus und bietet unterm freigelegten Gebälk angenehme Arbeitsplätze. Und die Chefin sitzt dort, wo bis 2012 der Oberförster waltete – sogar an seinem Schreibtisch.
Auch in Scheune und Werkstatt ist trotz neuer Durchbrüche für Türen und Fenster viel vom originalen Ambiente erhalten: Ausgestopfte Tiere bevölkern die Emporen, forstliches Gerät blieb am alten Platz – zum Beispiel eine Winde, an der erlegtes Wild hochgezogen wurde, und eine Leiter, die auf den Heuboden führte. Dort oben ist jetzt in beiden Häusern der Schlafplatz eingerichtet, über neue, schlichte Eichentreppen mit feinem Stahlgeländer erschlossen. Unten wurden Küchen und Bäder in kleinen Nebenräumen untergebracht, sodass der Hauptraum großzügig offen bleiben konnte.

Ein Sommer- und ein Winterhaus
Überhaupt gibt es hier vieles doppelt, denn die Bauherrin und ihr Mann leisten sich den Luxus, im Sommerhalbjahr in der Scheune und im Winter in der Werkstatt zu wohnen. Letztere wirkt im Inneren besonders rustikal, „wie eine Skihütte“, findet die Bauherrin. Wenn dann noch der Kaminofen knistert, ist die Atmosphäre perfekt.
Dezent ist neue Beleuchtung integriert, die sich nicht in den Vordergrund drängt. „Wenn das zu objekthaft gemacht wird, das mag ich nicht“, sagt Buxbaum. Zur Ausstattung gehören auch moderne Möbel-Klassiker – sie lassen den Rahmen noch rustikaler wirken. Ein Objekt indes ließ die Architektin eigens anfertigen: Im Forsthaus hängen mächtige Hirschgeweihe wie ein Kronleuchter über dem Besprechungstisch. So ist der Geist des Ortes stets präsent. Gelegentlich geht Frau Buxbaum sogar selbst auf die Jagd. Dafür gibt es hinterm Haus extra ein Kühlhaus samt Kran, um das erlegte Wild hineinzuhieven.

Unsichtbarer Wärmeschutz
Wenn eine Scheune, eine Werkstatt zur Wohnung werden sollen, ist erst einmal Wärmeschutz angesagt. Das kann heutzutage sehr schnell sehr hässlich werden. Zwar entfällt für Baudenkmäler der übliche Wärmeschutznachweis der Energieeinsparverordnung, doch so undicht und zugig konnte man die Gebäude unmöglich bewohnen. Darum waren angepasste Lösungen gefragt. Teils wurden die vorhandenen, einfach verglasten Fenster durch neue, besser gedämmte Flügel auf der Innenseite ergänzt, teils komplett neue Fenster eingefügt, etwa in das Scheunentor.
Die bis zu 50 Zentimeter starken Wände der Scheune wurden einst aus Bruchsteinen gemauert – eine Technik, die heute unbezahlbar wäre. Darum legte Ramona Buxbaum dieses archaische Mosaik wieder frei und verzichtete an den Wänden, auch wegen der enormen Speichermasse, auf weitere Dämm-Maßnahmen.
Durch die nur lose verbretterte Werkstatt indes pfiff der Wind. Hier wurde deshalb eine komplette zweite Haut aus Holz aufgeschraubt, hinter der Mineralwolle Platz fand. Von außen sieht die „Skihütte“ trotzdem kaum anders aus als zuvor, und innen blieb alles beim Alten. Auch Böden und Dächer bekamen eine Dämmschicht verpasst, was sich aber unter den alten Dielen beziehungsweise auf den vorhandenen Sparren abspielte – nur Fachleute erkennen das am etwas gelupften Dach. Die alten Biberschwanzziegel und die Schieferdeckung am Forsthaus wurden wiederverwendet.
Überhaupt gab es beim Umbau kaum Abfall. Alte Steine aus den Durchbrüchen bieten als Wall auf der Wiese Eidechsen einen neuen Lebensraum. Altes Pflaster, Dielen und Balken setzte man so kreativ an anderer Stelle wieder ein, dass die Patina und die Aura des alten Gehöfts erhalten blieben. Es ist einfach stimmig.
Als die früheren Förster nach dem Umbau zu Besuch kamen, waren sie gerührt, wie viel von ihrer alten Arbeitsumgebung noch erhalten geblieben ist. Und wie lebt es sich nun an diesem verschwiegenen, grünen Ort? Die Bauherrin jedenfalls ist glücklich und fühlt sich auch niemals unsicher in der Waldeinsamkeit. Ihre zwei großen Jagdhunde beschützen das Anwesen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ein ehemaliges Forstdienstgehöft mit drei Gebäuden galt es in seiner Charakteristik unter besonderer Berücksichtigung des Denkmalschutzes zu erhalten und durch eine energetische Sanierung neu zu beleben. Im Sinne des Holzbaus ist besonderes Augenmerk auf das ehemalige Werkstattgebäude mit Fachwerkkonstruktion und Holzbretterschalung zu legen. In einer behutsamen und sehr gekonnten Weise wurde der Innenraum mit der spezifischen rustikalen Raumatmosphäre einer Werkstatt restauriert und so belassen, wie er vorgefunden war. Außenräumlich brachte man eine Wärmedämmung mit einer neuen Verschalung auf. Sie vermittelt auf der einen Seite im Detail, dass es eine neue Verschalung ist, die aber keine ästhetische Andersartigkeit zur ehemaligen Fassade darstellt. In Kombination mit zeitgemäßen Einbauten für Kaminwand, Küchenblock und Einbauschränke beginnt für dieses kleine Haus ein zweites Leben.