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Offener Wettbewerb | 12/2019

EUROPAN 15 - Produktive Städte 2 - Ökologische Ressourcen, Neue Mobilität, Fairness

BERGISCH PLUGIN

Preis / - Bergische Kooperation

Team Pesto

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Bergische Kooperation – Ratingen, Hilden, Solingen, Wülfrath

Bergisch Plugin
Die Aufgabenstellung beinhaltet, einen ganzheitlichen Lösungsansatz zur Entwicklung der bergischen Kooperationsräume in Ratingen, Wülfrath, Hilden und Solingen zu entwickeln. Dieser soll wiederum Anstoß für weitere Städte sein, sich untereinander stärker zu vernetzten und einen einheitlichen Ballungsraum zu bilden. Als Antwort auf diese Quartiersentwicklung haben wir Planungsprinzipien entwickelt, welche die Rahmenbedingungen und die notwendigen Weiterentwicklungspunkte definieren, die eine produktive Stadt unserer Auffassung nach im bergischen Kooperationsraum beinhalten muss. Diese Prinzipien werden in übergeordneten Plugins zusammengefasst, welche die ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen und funktionellen Rahmenbedingungen für eine produktive Stadt bilden. Um die produktive Lücke innerhalb der Städte zu schließen werden dafür notwendige Kriterien wiederum in untergeordneten Plugins gebündelt. Diese werden dann bildlich in das Planungsgebiet gesteckt und verbessern die spezifischen lokalen Verhältnisse des Quartiers im Sinne einer produktiven Stadt. Hierfür wurden insbesondere Attribute festgelegt, die ein Umfeld schaffen in dem sich die Nutzer*innen produktiv entfalten können. Je nach Plugin gibt es diverse Möglichkeiten diese Kriterien zu erfüllen, um die verschiedenen Quartiersebenen zu aktivieren.

Lokaler Attraktor (soziokulturell)
Ein lokaler Attraktor schafft Rahmenbedingungen für ein produktives Quartier. Durch einen identitätsstiftenden Raum bzw. ein Zentrum wird der Quartiercharakter gestärkt. Dies kann z.B. ein Zentrum bildendes, lokalverwurzeltes, historisches Artefakt sein.

Flächen entsiegeln (ökologisch)
Entsiegelte Flächen schaffen einen Rückhalt für die produktive Stadt. Durch das Entsiegeln werden Flächen auf eine ökologische Weise umgestaltet, sodass sie das Mikroklima verbessern und einen resilienten Stadtraum bilden, z.B. wird ein Stellplatz zu einer Grünfläche mit Aufenthaltsqualität umgenutzt.

Neue Mobilität (ökonomisch)
Neue Mobilität schafft die Rahmenbedingungen für ein vernetztes produktives Quartier. Durch ein vielfältiges E-Mobility und Sharingangebot werden lokale Emissionen verringert und die Anbindung an den öffentlichen Verkehr vereinfacht. Mobility Hubs werden an wichtigen Fortbewegungsorten platziert, von dort aus können sich Bewohner z.B. durch Freefloating-Angebote durch das Quartier bewegen.

Gebäude aktivieren
Ein aktiviertes Gebäude schafft Räume für produktive Nutzer*innen. Das vorhandene, lokale Potenzial von Gebäuden wird leicht zugänglich gemacht. Eine Möglichkeit ist die Umnutzung von Leerstand zu vergünstigten Konditionen.
Fläche aktivieren
Eine aktivierte Fläche schafft Freiräume für produktive Nutzer*innen. Einseitig genutzte Flächen müssen durch unterschiedliche Angebote vielseitig bespielbar werden. Eine zuvor landwirtschaftlich genutzte Fläche wird zum öffentlichen, produktiven Raum.

Flexibel nutzbare Gebäude
Ein flexibel nutzbares Gebäude ermöglicht unterschiedliche, produktive Nutzungen über einen langen Zeitraum. Durch eine flexible Gebäudestruktur werden absehbare Nutzungsänderungen in der Planung berücksichtigt. Etwa ein geplantes Parkhaus wird so konstruiert, dass eine Weiternutzung zum Wohnraum möglich ist.

Produktives Erdgeschoss
Das Verknüpfen von Arbeiten und Wohnen bedarf einem individuell anpassbaren, produktiven Erdgeschoss. An der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Raum entsteht eine flexibel erweiterbare Fläche für kreative Nutzer*innen. Diese bietet Raum für z.B. Werkstätten, Ladenlokale, Labs, Cafés, Spätis, Ateliers, Coworking Spaces, Vereinsräume, informelle Lernorte, etc.

Produktive Dachfläche
Dachflächen werden so gestaltet, dass sie eine produktive Nutzung übernehmen. Sie haben eine nutzerunabhängige Funktion oder sind so erschlossen, dass sie vom Nutzer aktiviert werden. Vorgesehene Nutzungen dafür sind z.B. PV-Anlagen, Gründächer, Terrassen, Dachgärten, Gewächshäuser, Sportanlagen, etc.
Experimentierfelder schaffen
Experimentierfelder sind gemeinschaftlich nutzbare Räume in denen produktiv gestaltet wird. Impulsgebend hierfür sind angepasste Regeln, die es vereinfachen, Ideen zu erproben. Dies kann z.B. bedeuten, dass Anwohner eine alternative Wohnform temporär ausprobieren.
Bevor die Plugins auf die einzelnen Planungsgebiete angewendet werden, gilt es, die Städte überregional zu vernetzten, damit die notwendige Infrastruktur zur produktiven Vernetzung der einzelnen Städte gegeben ist. Die Kartierung zeigt wie diese durch ein Floatingangebot für den bergischen Kooperationsraum umzusetzen ist. Durch ein besser vernetztes Angebot an E-Mobility-Strecken können Nutzer*innen zunächst mit diesen Fortbewegungsmitteln zu Stationen des öffentlichen Nahverkehres gelangen, an denen Mobilitiy hubs positioniert sind. Dadurch gelangen sie durch weniger umsteigen und weniger Wartezeit schneller zu ihrem Ziel im Kooperationsraum und sparen Zeit welche sie produktiver in ihrem Quartier nutzen können.

Um das Gebiet in Ratingen produktiv weiter zu entwickeln, müssen zukünftige Projekte berücksichtigt werden. Dabei spielt die Einbettung des neuen S-Bahnhofs im Planungsgebiet eine entscheidende Rolle: der Verkehrsknotenpunkt wird neuer Anlaufpunkt und stärkt die Ost-West-Achse durch Ratingen. Um diese herauszustellen und um die westlichen und östlichen Stadtteile besser miteinander zu vernetzten entsteht ein Landschaftspark, der die bereits bestehenden sportlichen Aktivitäten miteinander verbindet und gleichzeitig eine direkte Verbindung zum westlichen Stadtteil sowie zu dem bestehenden Gewerbe schafft. Die Erweiterung des Bestandsparks wird auf den Stellplätzen des bestehenden Gewerbes errichtet. Die Autos werden zunächst in ein neu geschaffenes Parkhaus umpositioniert. Falls der Bedarf an Stellplätzen in Zukunft abnimmt, kann das Parkhaus z.B. zu einem Wohnhaus ungenutzt werden. Das Aktivband stärkt die sportliche Produktivität der Nutzer*innen und stellt einen Grünraum sicher, der für eine mögliche weitere Entwicklung und Zuwachs des Quartiers unabdingbar ist. Er schafft einen Freiraum der zur Erholung dient, welche wiederum zur Produktivität notwendig ist.

Das produktive Quartier in Wülfrath steht auf einer grünen Wiese die bislang landwirtschaftlich nur durch eine Getreidesorte belegt ist. Es grenzt an eine charmante, intime Gartenhaus Siedlung mit historischem Kern. Diese Struktur wurde durch die Plugins ergänzt und auf das neue Quartier übertragen, in diesem unterteilen gemeinschaftlich nutzbare landwirtschaftliche Produktionsschneisen die Bebauung in einzelne Grüppchen und am südlichen Randbereich positionieren sich die Nutzungen des öffentlichen Interesses. Die einzelnen Grüppchen werden durch eine aufgelockerte Blockrand-Bebauung von Einfamilienhäusern geformt. Am Ende der Produktionsschneisen positionieren sich punktuell produktive Erdgeschosse, in denen produktive coworking spaces und Werkstätten von dem beruhigenden Blick in die Landschaft profitieren. Hier können die Nutzer*innen in Ruhe und Idylle ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Im Süden entlang der eingrenzenden Bestandsstraße positionieren sich die Nutzungen des öffentlichen Interesses, die eine Schnittstelle zwischen den Bestandshäusern bilden.

Das Entwicklungsgebiet in Hilden liegt zwischen dem Hildener Bahnhof und der Stadthalle. Als Zwischenstopp zwischen diesen zwei Stationen soll sich das neue Quartier etablieren. Das Postgebäude bleibt hierfür als historisches Erkennungsmerkmal bestehen und ist der Eintritt in das neue Quartier. Bislang wird das Quartier dominiert von Garagen und Parkplätzen. Um Raum für die Produktivität des Quartiers zu schaffen, müssen die Nutzer*innen der Garagen umgesiedelt werden. Hierfür werden die leerstehenden Obergeschosse des Postgebäudes zwischengenutzt, während die Garagen abgerissen und mit dem Bau begonnen wird. Sobald der Monolith an der Bahnhofsstraße fertig gestellt ist, ziehen die Garagennutzer*innen in die produktiven Erdgeschosse. Die restlichen Wohngebäude mit produktivem Erdgeschoss werden ergänzt und das nun wieder leerstehende Postgebäude wird dauerhaft zu einem Gebäude aktiviert in dem Ateliers und Arbeitsräume entstehen.
Das Planungsgebiet in Solingen liegt auf einem brachliegenden Industriegelände in unmittelbarer Nähe zur Korkenziehertrasse, jedoch ist eine direkte Anbindung zu dieser nicht gegeben. Um die Attraktivität für Nutzer*innen der Trasse in Richtung unseres Planungsgebietes zu lenken, wird eine neue Verbindung geschaffen. Die neue Anbindung verbindet die Bestandsstraßen mit den bislang tristen Namen „Sorgenhaus“ und „Sorgenhausweg“ über ein brachliegendes Grundstück miteinander. Im gleichen Zug wird die Straße in Stahlgussweg umbenannt, welches an die Historie des Viertels erinnert und bereits ankündigt was sich am Ende des Weges befindet.

Die nicht mehr nutzbaren Gebäudehallen der ehemaligen Grossmann Fabrik werden abgerissen. Das Hautgebäude wird renoviert und aktiviert. So kann der Wochenmarkt des anliegenden Marktplatzes bei schlechtem Wetter in der Halle stattfinden aber auch Flohmärkte, Messen, Bälle und sogar Konzerte können hier Raum finden. Dauerhaft ziehen nach und nach Nutzer*innen in die Halle, welche diese während der Woche beleben und produktiv an ihrem Output arbeiten. Ein historisches Artefakt der ehemaligen Fabrik wird für die Bevölkerung konserviert und prominent im Quartier positioniert. Neue Wohngebäude mit produktivem Erdgeschoss erweitern einen Teil der entstandenen Freiflächen. Eine Fläche wird als Experimentierfeld zunächst temporär umgenutzt. Sobald die letzten Wohngebäude auf dem Planungsgebiet positioniert sind, wird das Experimentierfeld dauerhaft im Quartier verortet.

Tagsüber werden die Quartiere von den diversen Nutzer*innen produktiv bespielt. So wichtig die Produktivität ist, so wichtig ist es auch einen Ausgleich zu haben um produktiv sein zu können. Eine ausgewogene Balance zwischen arbeiten, wohnen und Freizeit ist entscheidend für die Produktivität des Einzelnen. Dabei sollten neue Technologien uns so weit unter die Arme greifen, dass wir die Zeit haben uns produktiv zu verwirklichen. Während man tagsüber produktiv und fleißig ist, gönnt man sich nachts bei der Silent Disco eine Auszeit während die Maschinen noch auf Hochtouren produktiv sind…

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Aufgabenstellung, für vier Städte des Bergischen Landes südöstlich von Düsseldorf mit unterschiedlicher Größe und Eigenart, übertragbare Elemente im Kontext einer regionalen Entwicklung als auch der örtlichen baulichen Gestaltung selbst zu entwickeln, ist eine systemische wie gestalterische Herausforderung.

Die Verfasser*innen der Arbeit „Bergisch Plugin“ sind dieser Herausforderung hervorragend gerecht geworden. Sie entwickeln Planungsprinzipien, die sich auf die übrigen zur Bergischen Kooperation zählenden Städte verschiedener Art und Größe jeweils übertragen lassen. Die neun vorgeschlagenen Prinzipien eignen sich ebenso für die Weiterentwicklung des Bestandes wie für den Neubau. Sie sind klar beschrieben und in Systemskizzen so abgeleitet, dass sie verständlich und anpassungsfähig sind. Zugleich verbinden sie die theoretische Herleitung schlüssig mit praktischen möglichen Prozessen der Umsetzung. Trotz der Anwendung in unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten ist erkennbar, dass sie mit den heutigen Herausforderungen der Ökologie, Dichte, Mischnutzung, Mobilität und Gestaltqualität gerecht werden. Die Auseinandersetzung mit dem innerstädtischen Grün sowie der Gestaltung des öffentlichen Raumes in seiner Vielschichtigkeit führt zu einem verbesserten städtebaulichen Ganzen. Das wiederum kann – bei aller Unterschiedlichkeit der Ausgangssituation – jeweils zu einer Verbesserung der baulich-räumlichen Gestaltung und des Nutzungsgefüges führen und damit Identität stiftend wirken. Damit entsteht ein Kreislauf: der Bestand (Denkmal oder Bestandsensemble) als ein die Identität des Ortes stärkendes Element wird zur Stabilisierung des Umbruchs genutzt; zugleich wird die Veränderung deutlich gemacht und ein Zukunftsbild zum Ausdruck gebracht. Gestützt auf diese übertragbaren und dennoch spezifischen und individuellen Prinzipien, ist den Verfasser*innen mit den „Plugins“ ein überzeugendes Gesamtkonzept gelungen, wie man an den weiter ausgearbeiteten Beispielen sehen kann.