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Award / Auszeichnung | 09/2020

Fritz-Höger-Preis 2020 für Backstein-Architektur

Fabrik für Keramik in der Oberhavel

Winner Gold Newcomer-Award

Franziska Käuferle Architektur

Architektur

Sina Pauline Riedlinger

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Jurybeurteilung
DURCH UND DURCH DURCHDACHT
Der Entwurf für einen fiktiven Firmensitz für keramische Werkstätten überzeugt durch die dezidierte Analyse von Typologie und Baustoff. Die expressive Schnittfigur sowie die ornamentale Grundrissgrafik finden ihre atmosphärische Entsprechung in den Innenraumperspek­ tiven und zeugen von einer zeitgemäßen Weiterentwicklung ehemals raumstiftender Elemente, wie dem Brennofen. Das Experiment mit Zuschlägen und Glasuren legt den Fokus auf wesentliche Gestaltungs­ parameter des Backsteins und prägt Raumprogramm und Materiali­ sierung. Es entsteht ein Ort, durch dessen Konzeption und Ausdruck sich die Machart und das gestalterische Spektrum des Baustoffes in Architektur konstituiert.

Projektbeschreibung:
In Velten werden seit dem 17. Jahrhundert Waren aus Ton hergestellt. Mit dem wirtschaftlichen Höhepunkt der Baukeramik um 1900 befinden sich in Velten 43 florierende Ofenfabriken und keramische Werkstätten. Heute gibt es vor Ort nur noch den Familienbetrieb B.O.S. Velten. In der vorliegenden Arbeit wurde ein fiktiver Firmensitz ent­ worfen, welcher alle Voraussetzungen für eine effektive und moderne Produktionsstätte schafft und eine flexible Anpassung der Produk­ tiontspraxis erlaubt. So fasst das Erdgeschoss die beiden getrennten Produktionsketten von Glasur und Ton sowie die Gas­, und Elektro­ brennöfen. Die oberen Geschosse dienen vorwiegend als Lagerflächen und halten Nebenräume wie Büros, Werkräume und die Kantine.
Im Herzen des Gebäudes findet sich ein Archivraum wieder, der Funk­ tion nach ähnlich einer Wunderkammer.

Ton und Glasur sind nicht nur ästhetisches Mittel, sondern von Beginn an wesentlicher konzeptioneller Bestandteil des Entwurfes. Anhand von über 300 Probestücken wurde eine Annäherung an den Werkstoff unternommen. Ziel war es, ein Produkt zu entwickeln, das die Firma und ihren Anspruch an Qualität und Handwerkskunst repräsentiert.

Bei der Recherche zum frühen Einsatz von Baukeramik haben wir wie­ derholt die raue Beschaffenheit der Wandflächen beobachtet. Dieser Eindruck, der vor allem in der Fernwirkung entsteht, wurde zum Ansatz und Ausgangspunkt der Materialstudie. Die simpel von uns als „Rauig­ keit“ beschriebene Eigenschaft der Wandfläche wird durch die Addition der verwendeten Ornamente geschaffen. Für uns sahen wir den richti­ gen Weg nicht im Entwurf einer konkreten oder greifbaren Form, wie es die historischen Referenzen tun, vielmehr versucht unser Ansatz, sich vom klassischen Ornament zu lösen, dabei jedoch dessen Eigenschaften zu übernehmen. Diese haben wir ganz schlicht als Höhen und Tiefen der Formen definiert.

Unser Ansatz ist, auf die Materialeigenschaften und das Verfahren zu vertrauen. Zu Beginn des Prozesses ist der Ton weich und formbar,
er ändert seinen Zustand im Brand und wird zu einem festen Körper. Die konzeptionelle Überlegung ist, Raum für diesen Prozess zu schaffen. Bei einer Brenntemperatur von 1200 Grad, die für die Wetterbestän­ digkeit des Backsteins nötig ist, verbrennt alles Organische. Diesen Umstand machen wir uns zu eigen, um die Tonstücke zu gestalten.
Es werden organische Materialien in die Oberfläche des weichen Tons eingearbeitet, welche die gewünschte Struktur formen sollen. Während des Brands brennen diese Stoffe rückstandslos aus und hinterlassen eine plastische Oberfläche. Durch die Technik erinnert das Endprodukt an seine frühere weiche Beschaffenheit und gleichzeitig wird der Vor­ gang des Brennens sichtbar gemacht. In unserem Entwurf kommen die entwickelten Backsteine in der Fassade zum Einsatz. Es wird eine Anordnung überlegt, die als eine Mischung aus Flämischem und Wil­ dem Verband beschrieben werden kann, bestehend aus einem über­ langen Läufer, welcher immer auf einen strukturierten Binder trifft.
So kann eine ornamentale Wirkung des Verbands umgangen werden und das Gebäude erscheint monolithisch.

Mit der zweiten Versuchsreihe wurden Glasuren beziehungsweise die Farbigkeit für die aufgehenden Räume entwickelt. Aus gemahlenen Sanden und Steinen, die in einem lokalen Tagebauwerk gesammelt wurden, entstand eine natürliche Farbpalette, die das Farbkonzept an die geologische Beschaffenheit der Umgebung bindet. Werden diese Pigmente jedoch in Grundglasuren eingemischt, ist die Konzent­ ration der Oxide nicht ausreichend, um eine effektive Färbung zu erzie­ len. Durch Experimente wurde jedoch deutlich, dass eine punktuelle Färbung in Vertiefungen der keramischen Oberfläche stattfindet.
So wurde eine Reihe an strukturierten Fliesen entwickelt, die in ihrer Nuance einmalig existieren.

von Franziska Käuferle und Sina Pauline Riedlinger