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Award / Auszeichnung | 03/2021

Hugo-Häring-Auszeichnung 2020 BDA Kreisgruppe Freiburg - Breisgau - Hochschwarzwald

Kirchturm mit Aussichtsplattform

DE-79261 Gutach-Bleibach

Hugo-Häring-Auszeichnung 2020

Architektur³

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Sakralbauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2019

Projektbeschreibung

Die Kirchenglocken der St. Georgs Gemeinde waren viele Jahrzehnte im Dach des gotischen Chores aus dem Jahr 1514 untergebracht. Das Kreuzrippengewölbe war durch die Schwingungen der Glocken stark in Mitleidenschaft gezogen und drohte einzustürzen. Der Neubau eines Kirchturmes sollte nicht nur den denkmalgeschützten gotischen Chor vor schlimmeren Schäden bewahren, sondern der Gemeinde in seiner Multifunktionalität viele weitere Möglichkeiten bieten. Der Glockenturm als Schlusssequenz eines Kirchenensembles aus Gotik und Moderne ist außerdem Landmarke, Aussichtspunkt sowie Habitat für Vögel und Fledermäuse.

Die Entwurfsentwicklung wurde unter großem Einbezug der Bevölkerung gestaltet. Verschiedene Diskussionsrunden während des Planungsverlaufes schafften den Bürgern der Gemeinde Möglichkeiten zur Mitsprache. Finanziert wurde das Projekt unter anderem durch Spenden aus der Bevölkerung und durch ein Förderprogram für innovativen Holzbau der Europäischen Union. Der Kirchturm ist eine Landmarke im Zentrum dreier Schwarzwaldtäler und bereits von weitem als Holzbau erkennbar. Für Wände, Stufen und Podeste wurden Kreuzlagenholztafeln aus heimischer Weißtanne verwendet. Dies ist die typische und somit verfügbarste und nachhaltigste Nadelbaumart im Schwarzwald.

Die hölzerne Erscheinung steht für den Schwarzwald, genau wie der Gneissplitt, der das offene Fundament ausfüllt und auf die lange Bergbautradition in Bleibach hinweist. Holz als Konstruktionsmaterial kann die dynamischen Lasten der schwingenden Kirchturmglocken des 33 Meter hohen Turmes besonders gut aufnehmen. Zudem konnte so eine gestalterische Verwandtschaft zum Tragwerk des Kirchenzelts aus den 70er Jahren hergestellt werden.
Die größtmögliche Reduktion auf regional verfügbare Ressourcen betrifft nicht nur die Materialität des
Bauwerks, sondern auch die Wahl der ausführenden Handwerkerunternehmen.

Die Form des gleichseitigen Dreiecks wurde bereits im Kirchenzelt der 1970 er Jahre als Grundriss verwendet, welches als Kirchenschiff dient und den gotischen Chor überspannt. Deswegen war es naheliegend auch die Grundform des Turmes als gleichseitiges Dreieck auszubilden. In der christlichen Mythologie hat diese Form eine hohe Symbolkraft und gilt als Zeichen der Trinität des göttlichen Wesens. Die dreieckige Grundrissform hat zur Folge, dass meist eine Fassade in der Sonne steht und die beiden anderen im Schatten liegen. Zusätzlich erhält der Turm alleine durch das Licht ein lebendiges Äußeres und erscheint im wahrsten Sinne von jeder Seite anders. Für die Fassadenverkleidung und Dacheindeckung wurde das acetylierte Accoya-Holz verwendet, welches durch die Behandlung in hohem Maße an Dauerhaftigkeit dazugewinnt und sich besonders für den Einsatz im Außenbereich eignet.

Der Kirchturm der Pfarrgemeinde St. Georg besteht aus drei Teilen; dem Turmschaft, dem Glockengestühl und dem Turmkopf. Im Schaft befindet sich eine Treppe, die dem Dreiecksgrundriss folgt und auf eine Aussichtsplattform führt. Über ein Schiebeladensystem lassen sich die Wände zu allen drei Seiten öffnen, was einen hervorragenden Ausblick über die Täler und die umliegenden Berge ermöglicht. Dadurch erhält der Turm auch eine touristische Komponente und wird aus diesem Zweck auch für Führungen geöffnet. Über dem Glockengestühl sind im Turmkopf verschiedene Ebenen vorgesehen, die als Brutvorrichtungen für seltene Vogel- und Fledermausarten dienen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Tatort Bleibach. In dieser kleinen Gemeinde im mittleren Elz und Simonswälder Tal hat man sich schon in der Vergangenheit einiges getraut und dadurch ist ein skurriler, auf seine eigene Art identitätsstiftender Ort entstanden. Letzter und heilsamer Baustein dazu ist der neue Glockenturm mit Aussichtsplattform. Er komplettiert das aus den 70-er Jahren an den gotischen Chor angebaute expressive Kirchenzelt und ersetzt den damals abgerissenen Kirchturm. In einer zeitgenössischen einfachen, aber ausdrucksstarken Architektursprache bildet er ein neues vertikales Wahrzeichen mit Mehrwert. Die Dreieckige Form ergibt sich selbstverständlich aus der Ergänzung, die Proportion und das Verhältnis von Höhe zu Fußabdruck sind gelungen. Die Aussichtsplattform mit den öffenbaren Läden erlaubt einen spektakulären Blick auf das Umland und schafft einen neuen Anziehungspunkt in Bleibach. In einem partizipatorischen Prozess entwickelt, bis ins Detail mit Liebe und Leidenschaft entworfen und mit hoher handwerklicher Präzision realisiert, ist hier gelungen was bei guter Architektur gelingen sollte.