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Award / Auszeichnung | 09/2010

BDA Preis Bremen 2010

Kontorhaus am Altenwall

DE-28195 Bremen, Altenwall 1-3/ Ostertorstraße 38/39

Preis

Schulze Pampus Architekten BDA

Architektur

Dietrich Architekten + Ingenieure

Projektsteuerung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Groß- und Einzelhandel

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2010

Projektbeschreibung

Nach über 60 Jahren wird eine der letzten Baulücken am Bremer Wall, die seit dem Ende des Weltkriegs durch einen Flachbau nur teilweise besetzt war, geschlossen. Die
prominente Lage dieses Bauplatzes zwischen Altstadt und Bremer Kunsthalle geben Anlass zu einer etwas tiefer gehenden Betrachtung der städtebaulichen Situation und der Entstehung des nun zur Ausführung kommenden Entwurfs.

Die historische Situation
Blickt man auf die historische Struktur der östlichen Innenstadt im Bereich Schlachte und
Ostertor, so fällt folgendes auf: Die die Innenstadt umschließende geschlossene Bebauung entlang der Schlachte und der Wallanlagen wechselt an der Nahtstelle zwischen Tiefer und Altenwall ihren Charakter ganz wesentlich. Eine die Weser begleitende, giebelständige, teilweise bis in die frühe Neuzeit zurückreichende Bebauung wechselt hier zu einer traufständigen klassizistischen Bauweise entlang den Wallanlagen. Beiden ist eine ausgeprägte Typologie zu eigen, die in unserer Wahrnehmung als ausgesprochen harmonische und abwechslungsreiche Qualität erlebt wird.
(s. auch die „Ansicht der Bremer Schlachte um 1840“ in „Das vergangene Bremen“ von
Rudolph Stein, 1962)

Der Klassizismus
Als Wesentliches in der Typologie des klassizistischen Stils kann genannt werden:
Jedes einzelne Gebäude ist in dieser geschlossenen Fassadenabwicklung als solches erkennbar, in sich symmetrisch aufgebaut, variierend in der Geschoßzahl und der Geschoßhöhe, einheitlich in ihren verputzten Oberflächen und durchgängig mit stehenden Fensterformaten, die Fassaden unterschiedlich fein gegliedert durch Lisenen und Gesimse. Die klassische Ordnung von Hochparterre und Bel Etage ist deutlich ablesbar. Unterbrochen wird diese Abwicklung lediglich durch die Zugänge zur Innenstadt, dort, wo Wege den Wall kreuzen und ins Innere der Stadt führen. So am Eingang zur Sögestraße, an der Bischofsnadel und an der Ostertorstraße. All diesen Torsituationen ist gemein, dass die sie markierenden Eckgebäude nicht als klassische „Block-Ecken“ mit einer Gestaltung über die Diagonale ausgebildet sind (wie man sie etwa aus gründerzeitlichen Bebauungsstrukturen in berlin oder Wien kennt). Hier werden die Ecken sehr einfach durch zwei Fassaden gebildet, die keineswegs gleichwertig sind. Die Haupt-Ansicht ist stets die Wallseite, flächig und ohne Vorund Rücksprünge, die andere Seite ist die untergeordnete, stets mit einem Gegenüber und im Erdgeschoss mit einer Arkade versehen.
(s. auch die „Der Altenwall um 1849“ in „Die Bremer Altstadt“ von Hans Hermann Meyer)

Die Nachbarschaft heute
Das von dem Berliner Architekten Börnstein im Stile eines romantischen Historismus im Jahre 1908 entworfene Polizeigebäude bricht bereits deutlich aus dieser Typologie aus. Dennoch muss die hohe allgemeine Wertschätzung des Gebäudes vor dem Hintergrund der immensen Verluste an historischer Bausubstanz, die in der Vergangenheit zu verkraften waren, gesehen werden.

Der Neubau
Der Neubau bildet zusammen mit dem gegenüber liegenden Polizeihaus ein Tor zur
Innenstadt. Die Attikahöhe des Neubaus entspricht der Traufhöhe des Polizeihauses, die Höhe der Arkade auf der Gebäudeecke nimmt die gegenüberliegende Balkonhöhe auf.
Die oberen drei Geschosse sind im Sinne einer moderaten Höhenentwicklung gegenüber der Bauflucht leicht zurückgestaffelt. Die Fassade ist durch die stehenden Fensterformate vertikal strukturiert. Das erste Obergeschoss ist mit seinen querformatigen Fenstern als Mezzaningeschoß deutlich herausgearbeitet.
Die Gleichheit der Breite der Fenster wie der Pfeiler ermöglicht eine geometrisch saubere
Bewältigung der sich in den oberen Geschossen zurückstaffelnden Fassadenansichten.
Als Fassadenmaterial wurde ein hellem Kalkstein gewählt, dessen großformatiges Fugenbild den Eindruck eines monolithischen, wie aus einem Block gehauenen Baukörper unterstreicht. Die Arkade entlang der Ostertorstraße wird ebenso wie das Eingangsfoyer allseitig mit Naturstein belegt sein.
Der Entwurf versteht sich nicht als ein Unikat mit Sensationspotential, sondern als ein Beitrag zur Reparatur im Sinne eines Weiterbauens der Stadt.
Das Gebäude wird n in seine Umgebung eingewoben. Dabei spielt die Rücksichtnahme auf die typologischen Charakteristika der historischen Nachbarschaft eine wesentliche Rolle. Nicht der Kontrast zu den Gebäuden der Nachbarschaft in Ausdruck und Materialwahl soll das bestimmende Element sein, sondern die Einfügung.
Die Reduktion in der Gestaltung auf wenige Themen, die aus der Typologie der historischen Umgebung abgeleitet werden und deren geometrisch und handwerklich präzise Umsetzung sollen dem Bau eine Würde und Noblesse verleihen, die der prominenten Lage des Bauplatzes gerecht werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Jury wertet dieses Gebäude als einen äußerst gelungenen, ja vorbildlichen „Stadtbaustein“ für eine innerstädtische Situation. Der Standardfall (Geschäftshaus mit Ladenlokalen) wird hier auf eine selbstverständliche, gelassene Weise gelöst. Es besteht die Hoffnung, dass diese gleichermaßen robuste wie elegante Lösung eine innerstädtische Baukultur ohne modische Kapriolen etablieren hilft. Im Kontext der Debatte über steinerne Architektur ist es ein unverkrampfter Beitrag.
Das Bauwerk steht in prominenter Lage: direkt gegenüber der Kunsthalle, also am grünen Band der Wallanlagen. Gemeinsam mit dem burgenhaft romantischen Polizeihaus (1903 von Baumeister Carl Börnstein) wird eine Torsituation als Eingang zur Innenstadt formuliert. Mit 7 Geschossen springt das Gebäude sehr deutlich über die Höhe der unmittelbar anschließenden Nachbarbauten am Altenwall. Im Material hingegen wird deren hellgrüne/hellbeige Farbigkeit aufgenommen. Ein weiteres Element der Vermittlung zum Bestand am Altenwall ist die Abtreppung über dem 5. Obergeschoss. Das Haus ist also nicht schroff als Kontrast gesetzt, sondern scheint aus der Blockkante herauszuwachsen. Ziel des Höhensprungs auf 7 Geschosse ist es, ein zeitgenössisches Gegenüber zum turmartigen Polizeihaus zu schaffen.
Die Abtreppung erfolgt an beiden Hauptfassaden auf raffinierte Weise: nicht als übliche Staffelgeschosse („Hochzeitstorte“), sondern mit deutlich weniger Versatz. So wird die Einheitlichkeit – man könnte auch sagen: Wucht - des Baukörpers bewahrt.
Die Detaillierung der Fassade und des Eingangs ist elegant gelungen. Es ist zu erwarten, dass das Haus auch nach Jahren noch einen dieser Stelle würdigen Eindruck machen wird.