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Award / Auszeichnung | 04/2022

Otto-Borst-Preis 2022

Der neue Derzbachhof

DE-81476 München, Forstenrieder Allee 179

Anerkennung / Kategorie "Dorferneuerung"

PETER HAIMERL . ARCHITEKTUR

Architektur

raumstation Architekten GmbH

Architektur

Ingenieurberatung Scharmacher

Tragwerksplanung

Ingenieurgesellschaft albrecht + brettfeld mbH

Tragwerksplanung

Büro für Landschaftsarchitektur Carmen Lefeber

Landschaftsarchitektur

Euroboden GmbH

Bauherren

Thomas Weinberger

Fotografie

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2021
    Fertigstellung: 01/2022

Projektbeschreibung

Neues Wohnen auf Münchens ältestem Hof

Der Derzbachhof in München-Forstenried wurde 1751 erbaut. Er ist heute das älteste Bauernhaus der Stadt München. Nach 40 Jahren Leerstand wird es nun denkmalgerecht saniert und das Hofgrundstück mit einem zeitgenössischen Wohngebäude ergänzt. Mitten im Dorfkern von Forstenried und umgeben von einem großen Garten einsteht am Derzbachhof eine abwechslungsreiche Mischung an modernen Wohnungen für Familien, Paare und Menschen aller Generationen. Ein Ensemble aus Alt und Neu, Stadt und Land – ein Denkmal voller Leben.

Der große Garten

Abwechslungsreiche Außenräume und ein unverbaubarer Blick: Im gemeinsamen Garten können die Hofbewohner Gemüse anbauen, am Feuerring grillen, Sport machen oder sich auf Holzdecks zwischen den Obstbäumen zurückziehen und die Natur in vollen Zügen genießen. Einige der Wohnungen haben eine eigene Privatterrasse, die sich durch eine kleine Sitzmauer und ein Pflanzbeet von den Gemeinschaftsflächen absetzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das eingereichte Projekt entspricht den Anforderungen der Auslobung nicht voll, wird aber wegen seiner Hinweise auf Modellhaftigkeit vergleichsweise bewertet. Inmitten einer ehemals ländlichen Gemeinde im Süden von München – mit starken Zuwächsen durch Bevölkerungs- und Siedlungsdruck auf die Großstadt München – ist es gelungen, einen mächtigen Bauernhof in typischer und außerordentlich klarer Bauform und Gestaltung trotz längerem Leerstand zu erhalten; es soll sich nach Angaben der Bauherrschaft um das älteste noch vorhandene, 1751 erbaute ländliche Anwesen von München handeln, inmitten von Forstenried. Mit der vorgestellten Projektinitiative zu dessen Renovierung und Revitalisierung entstand auf dem gesamten Grundstück ein Umnutzungsmodell für gemeinschaftlich orientiertes Wohnen, auch mit Neubauten und der Einrichtung von Gemeinschaftsräumen im renovierten Bauernhof.  


Die geplanten und penibel durchgeführten Restaurationsmaßnahmen beim Bauernhof sind außerordentlich beachtlich, zumal auch die vorgesehene Neunutzung eigene Anforderungen stellt. Mit der Umnutzung des historischen Bauernhofes entstehen Gemeinschaftsräume mit Küche, Bauernstube, die auch als Veranstaltungsraum genutzt werden kann. Im ehemaligen Stallgebäudeteil entstehen vier Wohnungen, die ehemalige Schlafkammer steht nun Gästen zur Verfügung. Der historische Dachraum des Stadelteils bleibt offen. Der zweite Schritt der Projektidee betrifft neuen Wohnraum, der größere Teil davon in den Neubauten. Die Erweiterung der Anlage wird, dem länglichen Grundstückszuschnitt folgend, in eine „subtraktive Bauform“ gegossen, welche den Stadel als Solitär und den durch die Staffelung der Baukörper versetzten Hof als präzisen Freiraum herausarbeitet. Bei der Integration der geplanten Neubauten in dem historisch geprägten dörflichen Ensemble orientierten sich die Architekten an den weit verbreiteten Erscheinungsformen von landwirtschaftlichen Nebengebäuden, sogenannte Stadelbauten mit ihren einfachen Bauformen, weitestgehend Holzkonstruktionen und Holzverkleidungen. So werden auch die Baukörper geplant, die diesem Duktus entsprechen und mit dem Bauernhof einen erlebbaren Freiraum bilden. Insgesamt werden ca. 1000 m2 Nutzfläche und dabei 14 Wohnungen geschaffen.  


Mit dem Projekt will die Initiative aufzeigen, wie ein Gegenmodell zu den in der Nachbarschaft und auch anderswo errichteten Satellitensiedlungen am Rande einer Großstadt aussehen kann. Dieser Anspruch hat sich auch mit den Rahmenbedingungen der dörflichen Entwicklung auseinanderzusetzen. In der Baugesetzgebung war der ländliche Raum in erster Linie für die Landwirtschaft und die damit entstandenen Nutzungen vorbehalten, meist handwerklicher Art und vorrangig in Dörfern; im Prinzip gilt das heute noch. Überlagerungen mit anderen – zumeist städtisch geprägten – (Wohn)-Nutzungen im dörflichen Siedlungsbereich haben nicht selten auch zu Spannungen, auch mit rechtlichen Auswirkungen geführt, häufig zu Lasten von landwirtschaftlichen Nutzungen und Tätigkeiten. Aber auch die Siedlungstätigkeit am Rande von Dorfkernen und der stetig gewachsene Druck auch auf die landwirtschaftliche Produktion haben die dörflichen Strukturen schon stark verändert. 


Mit dem Erhalt des historischen Bauernhofes und der behutsamen Einfügung von Neubauten wird vorbildlich gezeigt, wie man nicht mit „Vorstadtschemata“ reagieren muss, um für die dörfliche Mitte eine wirtschaftliche Lösung für ein neues und schönes Wohnungsangebot mit Bestandserhalt zu generieren, das dem demografischen Wandel Rechnung trägt. Eine klassische Bautypologie der traditionellen Hofstrukturen wird kreativ weiterentwickelt. Grade wegen der hohen Baumasse im Neubaubereich ist dabei ein nachahmenswertes Beispiel im Umbruch der ländlichen Strukturen gelungen: Denn dass – wie immer – die Neubauanteile das Restaurierungsprojekt erst wirtschaftlich gemacht haben, tritt hinter die tragfähige formale und inhaltliche Gesamtidee erstaunlich zurück.