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Award / Auszeichnung | 01/2022

DAM Preis für Architektur in Deutschland 2022

Nahe der Westfassade befindet sich eine kleine Kapelle

Nahe der Westfassade befindet sich eine kleine Kapelle

Stadlerhof

DE-84489 Burghausen, Holzfelder Weg 2

SHORTLIST

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Architektur

Wolfgang Wagenhäuser

Landschaftsarchitektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 10/2019

Projektbeschreibung

Verglichen mit der Entstehungsphase des denkmalgeschützten Stadlerhofs sind die Gäste der hier untergebrachten Tagespflege, trotz eher fortgeschrittenen Lebensalters, ausgesprochen jung! Das Wohnhaus eines ehemaligen Vierseithofes stammt aus dem Spätbarock (Mitte 18. Jahrhundert) und wurde behutsam saniert, sowie mit einem Erschließungsanbau erweitert. Um den baulichen Anforderungen für die Tagespflege und auch dem historischen Kontext gerecht zu werden, musste das räumliche Konzept neu gedacht werden.

Die Fassadengestaltung des Denkmals orientierte sich an den Restaurierungsproben der unteren und somit ältesten Farbschichten. Neben hellen Gliederungselementen, den Faschen um die Fenster und dem Giebelbereich, schafft das abgetönte Grau der Fassadenhauptfläche einen edlen Kontrast. Parallel zum Denkmal – an der Stelle, wo auf dem Grundstück ein Stadel als Nebengebäude stand – befindet sich heute der langgestreckte Neubau des Apartmenthauses. Ein weiterer Neubau mit zwei Wohnungen im Osten angrenzend lässt ein Ensemble entstehen, das den früheren Hofcharakter wieder erlebbar macht. Für die neue Nutzung als Tagespflege wurde das Denkmal um einen schmalen Erweiterungsbau ergänzt, der mit einem Personenaufzug die Barrierefreiheit gewährleistet und als zusätzlicher Fluchtweg dient. Die Ostfassade liegt nun innerhalb des Erschließungsanbaus mit neuen, verputzten Gliederungselementen im Sockelbereich und als Fensterfaschen. Helle großformatige Bodenfliesen, die Holztreppe in Eichenholz und teilweise sichtbare Betonoberflächen schaffen einen zeitgemäßen Kontrast. Der Anbau ist bewusst architektonisch abgesetzt: vertikale Fensterbänder an beiden Seiten bilden eine Fuge zwischen Neubau und Bestand und bringen viel Tageslicht in den modernen Haupteingangsbereich.

Mit Beginn der Umplanungen wurde der Bestand sorgfältig untersucht, Schicht für Schicht freigelegt, frühere Fensteröffnungen wiederhergestellt, belastete Holzböden entfernt, neuzeitliche Anstriche abgetragen und einige der jahrhundertalten Bestandteile wiedererlebbar gemacht – wie der Natursteinboden in Rotmarmor, der die Flurbereiche im Erdgeschoss prägt und die schönen, tiefgrünen Füllungstüren, die im Obergeschoss mit aufwändigen, historisierten Türzargen neu gesetzt wurden. Eine besondere Entdeckung waren in den beiden Sälen des ehemaligen Damen- und Herrenzimmers die historischen dekorativen Wandmalereien, die durch behutsame, zeitinstensive Restaurierungsarbeiten freigelegt wurden. Hervorzuheben sind auch die gelungenen, neu eingebauten Kastenfenster im gesamten Gebäude, von einer lokalen Schreinerei hergestellt. Aus energetischen Gründen wurde in die inneren Fensterrahmen eine Isolierverglasung eingesetzt und gezogenes Glas mit Sprossenteilung in das äußere Element, da die Glasflächen der Fenster einen großen Anteil am Erscheinungsbild haben. Stimmig ergänzt mit historisch nachempfundenen, geschwärzten Beschlägen, wird die authentische Wirkung zusätzlich durch Fensterbleche aus Blei. Dieses Material sieht man häufig bei Kirchenfassaden und -dächern, und mit fortschreitender Verwitterung entsteht eine einzigartige, weißliche Patina.

Für die brandschutztechnisch erforderliche Einbauten in den Fluren hat man ebenfalls auf das Können des Schreiners zurückgegriffen. Da die Türelemente dauerhaft offenstehen und nur im Brandfall schließen sollen, wurden diese möglichst dezent mit Glasfüllungen versehen und weiß gestrichenen. Im Gegensatz dazu heben sich die neuen Sanitärbereiche deutlich von der bestehenden Umgebung ab. In dem alten Gewölbe sind die Toiletten als farbige Box in warmen Rot- und Altrosatönen „hineingestellt“, die darauf installierte indirekte Beleuchtung unterstreicht augenscheinlich die Gewölbedecke. Leider konnten die bestehenden Holzdielen im Obergeschoss nicht erhalten werden, da bei einer Materialuntersuchung eine hohe Konzentration von PCB (sehr giftige und für Menschen schädliche Chlorverbindung) nachgewiesen wurde. Als neuer Bodenbelag für den Flur im Obergeschoss, sowie die Aufenthaltsräume im gesamten Gebäude kamen hochwertige, weißlich geölte Eichendielen zum Einsatz. Deren ruhige Holzoberfläche bildet einen warmen Kontrast zu den dunkelgrünen Türen und dem rötlich marmorierten Natursteinboden im Flurbereich.

Durch das hohe Engagement der privaten Bauherren, denen sehr viel an der denkmalgerechten Sanierung ihres Stadlerhofs lag, und der guten und engen Zusammenarbeit mit der Kreisheimatpflege und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, erstrahlt das Gebäude mit seinem historischen, behutsam überarbeitete Bestand nun wieder in voller Pracht. Die freigelegten Spuren der früheren Bewohner erzählen ihre Geschichte und diese wird nun von den neuen Bewohnern weiter fortgesetzt werden.
Westansicht

Westansicht

Neue Öffnungen und Raumfolgen lassen eine Enfilade entstehen

Neue Öffnungen und Raumfolgen lassen eine Enfilade entstehen

Historische Türblätter und Wandmalereien

Historische Türblätter und Wandmalereien

Detail Reiber - ein einfacher Hebelbeschlag

Detail Reiber - ein einfacher Hebelbeschlag

Massive Gewölbe im bestehenden Treppenhaus

Massive Gewölbe im bestehenden Treppenhaus

Im Obergeschoss harmonieren die grünen Türen mit den neuen Eichendielen

Im Obergeschoss harmonieren die grünen Türen mit den neuen Eichendielen

Ruhige Holzoberflächen bilden einen warmen Kontrast zu den dunkelgrünen Türen

Ruhige Holzoberflächen bilden einen warmen Kontrast zu den dunkelgrünen Türen

Türscharnier

Türscharnier

Historisches Türblatt

Historisches Türblatt

Moderne Eingriffe werden bewusst betont.

Moderne Eingriffe werden bewusst betont.

Rötlich marmorierter Natursteinboden im Flurbereich

Rötlich marmorierter Natursteinboden im Flurbereich

Nach Osten orientierter Haupteingang als Erweiterungsbau

Nach Osten orientierter Haupteingang als Erweiterungsbau

Naturbelassene Holzoberflächen umschließen den Laubengang im Oberschoss

Naturbelassene Holzoberflächen umschließen den Laubengang im Oberschoss

Verbindung zwischen Bestand und Neubau, das alte Hoftor wurde erhalten.

Verbindung zwischen Bestand und Neubau, das alte Hoftor wurde erhalten.

Lageplan

Lageplan

Mit neuen Wohnbauten im Süden und Osten wird der
frühere Hofcharakter wiedererlebbar.

Mit neuen Wohnbauten im Süden und Osten wird der frühere Hofcharakter wiedererlebbar.

Schnitt

Schnitt