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Award / Auszeichnung | 06/2023

Österreichischer Betonpreis 2023

Außenansicht

Außenansicht

Generalsanierung Rathaus Prinzersdorf mit Zubau

AT-3385 Prinzersdorf, Hauptplatz 1

Sieger

Ernst Beneder Anja Fischer Architekten

Architektur

Marktgemeinde Prinzersdorf

Bauherren

Ing. Franz Kickinger GmbH

Bauunternehmen

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Büro-, Verwaltungsbauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 04/2012
    Fertigstellung: 10/2021

Projektbeschreibung

Das Prinzersdorfer Rathaus ist Teil eines bemerkenswerten Ensembles, das mit der Kirche und dem gegenüberliegenden Bankgebäude ein einzigartiges Zeitdokument der späten Nachkriegsmoderne in Niederösterreich darstellt. Das Rathaus (Fertigstellung 1973/Architekt Hable) folgt in seiner konstruktiven Anlage dabei den Idealen der Moderne. Es zeigt seine Tragkonstruktion mit einem nach außen gelegten Stahlbetonstützenraster, dahinter liegen durchgehende Bandfenster mit keramikverkleideten Parapeten. Es entsteht damit im Inneren ein Haus ohne Gänge, mit bester Belichtung in allen Bereichen, sowohl in der Erschließung, in den Arbeitsplätzen und in den Sälen.

KONZEPT
Die ursprüngliche Reverenz an die niederösterreichischen Landesfarben blau/gelb als Grundkonzept des Hauses findet sich in zahlreichen Bau- und Ausstattungselementen. So sind nicht nur die gegenübergestellten Baukörper des Rathauses und der Bank beidseits der Kirche „blau“ und „gelb“, sondern auch im Rathaus ursprünglich Böden, Fliesen, Wandfarben bis hin zu den Möblierungen wie Sofas oder Sessel in diesen Farbtönen.

Das Rathaus zeichnet sich insgesamt durch die besondere Qualität, hochwertige Materialien sowie eine konsequente Konzeptionalität aus, die eine restauratorische Herangehensweise in der Behandlung der bestehenden Substanz sowie begründeten Weiterbau erlauben. So wurde besonders darauf Wert gelegt maßgebliche Elemente wie die originalen Natursteinböden, Holztüren, Wandvertäfelungen, Kupferdachdeckung, Akustikdecken, Luster im Sitzungssaal sowie die Hauptstiege mit ihren markanten Alu-Glasbrüstung zu erhalten.

Für den Aus- und Umbau des Rathauses wurden zu Beginn der Planung mehrere Szenarien gegenübergestellt und diskutiert: vom vollständigen Neubau, über die weitgehende Entkernung bis hin zur großen beziehungsweise sanften Sanierung. Letztere konnte schließlich überzeugen – durch kurze Bauzeit, kostengünstige Umsetzung, Stärkung der bestehenden Vorzüge und Beibehaltung der Identität, die diesem Haus über die 50 Jahre seines Bestehens erwachsen ist. Die nachhaltige „sanfte“ Sanierung baut auf dem Konzept der 1970er Jahre auf und ergänzt die Originalsubstanz ohne deren Räume und Anmutung in Materialität und Proportion zu schmälern. Dies beinhaltet neben der selbstverständlichen barrierefreien Erschließung, die konsequente Dämmung, die Erneuerung der haustechnischen Anlagen sowie ein neues räumliches Verständnis einer kommunalen Verwaltung.

Die ungedämmten Bandfenster und deren Beschattung wurden vollständig ersetzt und dabei ein dem original kohärenten Gesamteindruck aufrechterhalten. Die restliche Fassade sowie das Untergeschoß wurden konsequent innen mit Glasschaumplatten wärmegedämmt und damit die aussenliegenden schlanken Stützen und den grossformatigen Keramikplatten im Originalzustand erhalten. Im Sinne der beanspruchten Nachhaltigkeit wurde das Heizsystem von Gas (ursprünglich ÖL) auf Nahwärme umgestellt. Die elektrischen und haustechnischen Installationen erneuert und das Lichtsystem konsequent auf LED umgestellt.

Der barrierefreie Zugang erfolgt nun ebenfalls ausgehend vom Haupteingang über eine neue Außenrampe und einen begrünten seitlichen Liftzubau. Die Bepflanzung im Vorfeld, ebenso wie jene im Gebäudeinneren werden im Sinne der 1970er Jahre eingesetzt.

Im Rahmen der Funktionssanierung erfolgte die Verlegung und Erweiterung der Bücherei vom Erdgeschoss ins neu ausgebaute Untergeschoss mit neuem ebenerdigem eigenem Zugang. Dadurch kann das erweiterte neugestaltete Amtszimmer im Erdgeschoss nun wieder zentral über die Hauptachse erreicht werden. Mehrfach wurden Funktionen im Inneren des Hauses getauscht und nachträglich eingeführt ohne die angesprochenen Großzügigkeit der Gebäudestruktur zu beeinträchtigen.

Auch dieses belegt die solide Robustheit des ursprünglichen Gesamtkonzeptes.

Funktionsbeschreibung:

Außenbereich:
Ausgehend von der barrierefreien Erschließung wird der Lift zur Nordfassade seitlich des großen Nordfensters der Halle gelegt. Die Rampe beginnt beim Hauptzugang (an der bestehenbleibenden Freitreppe) und führt ebenfalls über eine Sitzterrasse zum neuen Eingang vor dem Turm der Aufzugsanlage. Der Zugang zum Lift erfolgt jeweils seitlich der flankierenden Wände der Halle, damit wird es möglich an den Eingängen noch ein Windfang zwischenzuschalten.

Erdgeschoss:
Die später eingefügte Zwischenwand zwischen der zuvor dort befindlichen Bibliothek und dem Amtzimmer wurde entfernt, womit der ursprüngliche großzügige Raumeindruck nach Süden wieder entsteht. Somit ist auch der Zugang zum Amtszimmer wieder zentral in der Hauptachse des Gebäudes möglich. Dieser führt auf ein Empfangspult zu, an der alle wesentlichen Bürgerservice-Angelegenheiten (und Amtswege) erledigt werden.

Entlang der Fensterfront befinden sich die Büroarbeitsplätze aus hellem Birkensperrholz. Diese sind durch blaue Keramik-Pflanzwannen atmosphärisch getrennt. Für die Amtsleitung besteht an der zum Hauptplatz gewandten Seite ein diskreter Arbeitsplatz mit einer eigenen Besprechungsgelegenheit.

Dem Bürgerservice ist seitlich die Poststelle angeschlossen, die direkt zur holzvertäfelten Halle geöffnet und gleichzeitig zum Amtsraum verbunden ist. Beide Raumeinheiten sind durch multivariablen Türelemente zur Halle hin versehen.

Gleich neben dem Haupteingang findet sich ein neuer Wartebereich („Lounge“), direkt anschließend der Aufenthaltsraum für die Bediensteten. Dieser hat sowohl einen Ausblick zum Hauptplatz wie auch zur Kirche. Direkt neben dem barrierefreien Zugang liegt der Raum für den Amtsarzt, Putz- und Sanitärräume.

Obergeschoss:
Das Obergeschoss ist wie schon bisher durch den vertäfelten Sitzungssaal und der davor liegenden großzügigen Halle geprägt. Die dazu notwendigen Nebenräume schließen direkt an die Halle an. Durch die Verlegung des Bauarchivs in die Amtsräume wird eine größere Teeküche mit separatem Lagerraum sowie Serverraum möglich, die Sanitärgruppe um ein behindertengerechtes WC erweitert.

Das Bürgermeisterbüro wird in das nordwestliche Eckzimmer verlegt und damit an der Westfassade ein längsgestrecktes Sitzungszimmer eingerichtet. Bei Veranstaltungen in Sitzungssaal eignet sich dieser Raum bestens zur Unterstützung bei der Bewirtung und Rückzugsmöglichkeit.

An der Nordostecke liegt ein weiteres Büro. Der Zutritt vom Aufzug erfolgt über einen Windfang, von dem auch der Stiegenanlage vorgelagerte Balkon erschlossen ist. Von der Halle, wie auch von diesem Balkon öffnet sich der Blick zur Kirche und dem dahinter liegenden Dunkelsteiner Wald. Der Umgebungsbezug ist von wesentlicher den Ort und die Stimmung prägender Wirkung. Im Obergeschoss wurde entsprechend der ursprünglichen Farbkomposition u.a. der gräuliche in einen gelblichen Boden bzw. die rote Polsterung der Sitzungssaalsessel auf eine gelbe rückgeführt.

Untergeschoss:
Das nun vollständig wärmegedämmte Untergeschoß ragt als Sockel ca. einen Meter über das anschließende Terrain und ist umlaufend mit einem schmalen Fensterband gut belichtet. Darüber hinaus fällt das Gelände zur Nordostecke hin, sodass dort das Geschoß über seine volle Höhe frei im Gelände zu stehen kommt. Dort waren der Zugang und zwei Garageneinfahrten gelegen.

Das Untergeschoß wird vom Lift angefahren, der barrierefrei Zugang erfolgt wie schon bisher über das östlich gelegene Vorfeld. Die Stützmauer wurde dabei zurückversetzt (als Flanke zum Lift), am Zugang entsteht damit ein freundliches Ambiente mit einer Sitzgelegenheit aus Sitzstufen und der offen und transparent wirkenden Lounge am Eingang zur Bücherei.

Die Raumhöhe sowie der Zustand haben einen Ausbau zu höherwertiger Nutzung nahegelegt. Jene Bereiche die voll dem Tageslicht geöffnet werden können beherbergen jetzt die Bücherei und wie schon bisher den Jugendraum. Die Bücherei selbst ist in räumlicher Abfolge mit einer Lounge, dem Empfang, dem Lese- und einem eigenen Kinderbereich gegliedert.

In den hauplatzseitigen Räumen entsteht ein großer Abstellraum, ein Archiv (im ehemaligen Schutzraum), der Jugendraum wird adaptiert und erhält ein vorgelagertes kleines Atrium. Das öffentliche WC wird entlang der rückwärtigen Straße dem Gefälle folgend auf halber Geschoßhöhe von außen zugänglich angelegt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der klassische Betonbau der Nachkriegsmoderne (Fertigstellung 1973, Architekt Hable) stand kurz vor dem Abbruch. Der Bau besticht durch seinen konsequenten Konstruktionsraster mit außen liegender Tragstruktur und einer damals einzigartigen großflächigen Keramikverkleidung an der Fassade. Mit der Generalsanierung des Bestands mit dem Zubau eines Liftturms und einer Rampe, einer öffentlichen WC-Anlage und Abfallsammelstelle gelang der Nachweis der Sanierfähigkeit von Betonbauten der Spätmoderne.

Die durchgeführte nachhaltige „sanfte“ Sanierung baut nicht nur konzeptionell auf dem großzügigen Konzept der 1970er Jahre auf, sondern ertüchtigt und ergänzt die Originalsubstanz, ohne die Gesamterscheinung zu schmälern. Neben der barrierefreien Erschließung wurde der Bestand mit recyclefähigen, mineralischen Glasschaumplatten gedämmt, die haustechnischen Anlagen erneuert und mit einer PV-Anlage ergänzt.

Die Zubauten wurden passend zum Haupthaus im Stil der 1970er Jahre in Sichtbeton ausgeführt. Bereits im ersten Betriebsjahr konnte eine Einsparung von 40 Prozent der Heizenergie nachgewiesen werden und der benötigte Strom komplett durch die PV-Anlage produziert werden.

Bauherr: Marktgemeinde Prinzersdorf
Architektur: Ernst Beneder und Anja Fischer
Bauunternehmen: Ing. Franz Kickinger GmbH
Betonlieferant: Ing. Franz Kickinger GmbH