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Award / Auszeichnung | 06/2023

Beispielhaftes Bauen Zollernalbkreis 2015-2023

Stadtarchiv Balingen

DE-72336 Balingen, Heinzlenstraße 12

Auszeichnung

Architekt Frieder Theurer

Architektur

Stadt Balingen

Bauherren

BWN-Bauingenieure

Tragwerksplanung

Sting Planungsbüro GmbH

TGA-Fachplanung

Strehlau Gebäudetechnik

TGA-Fachplanung

ebök Planung und Entwicklung GmbH

Bauphysik

Ralf Kludt Dipl.-Ing. (FH) Ingenieurbüro

Brandschutzplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Bibliotheken, Mediatheken

  • Projektgröße:

    765m² (geschätzt)

  • Status:

    In Vorbereitung

  • Termine:

Projektbeschreibung

Konzeption und Funktion
Das Stadtarchiv repräsentiert das Gedächtnis der Stadt Balingen, der Ortsteile und seiner Umgebung, indem es die Geschichte und das Wissen von Generationen für die Nachwelt bewahrt. Das Erscheinungsbild des Bauwerks soll Ortsverbundenheit und Beständigkeit ausstrahlen. Es soll als solides und vertrauensvolles Gebäude wirken, das seinen wertvollen Inhalt vor schnelllebigen Veränderungen und äußeren Einflüssen schützt. Zugleich soll das Stadtarchiv offen und einladend für die Bürger sein und Anreiz geben, die Stadtgeschichte von Balingen und seiner Umgebung zu erfahren.

Städtebauliches Konzept und Freiflächen
Der Neubau des Stadtarchivs ist als eigenständiger Teil der Kulturachse im Stadtbild an zentraler Lage präsent und bildet ein zeitgemäßes Pendant zum Zollernschloss, gleichwohl er sich diesem klar unterordnet. Mit seiner Lage und Form bildet der Baukörper den „Rücken“ für den vorgelagerten Artur-Eppler-Platz und den Grünbereich des Eyachbogens mit seinen Wassergärten im Gelände der 2023 stattfindenden Gartenschau. Zugleich dient das Archivgebäude als Schirm zum dahinterliegenden Freibadparkplatz. Es werden dadurch neue öffentliche Aufenthaltsbereiche geschaffen, die sich wiederum sehr positiv auf das städtebauliche Umfeld auswirken.

Äußere Gestalt / Innenraumgestaltung
Das Erdgeschoss des 3-geschossigen, nicht unterkellerten kubischen Archivgebäudes wurde mit einer Holz-Glas-Fassade weitgehend offen und transparent gestaltet, damit die öffentlichen Bereiche von außen über großzügige „Schaufenster“ einsehbar sind und gerne auch mit Veranstaltungen oder Ausstellungen Interesse wecken dürfen. Der Ausstellungsbereich ist zum Artur-Eppler-Platz hin orientiert und aus dem gesamtem Erdgeschoss heraus ergeben sich somit immer wieder Ausblicke und Sichtbeziehungen nach außen.

Die Gebäudefassade der oberen Geschosse hat die Aufgabe, die erhaltenswerten Archivalien vor äußeren Einflüssen zu schützen. Aus diesem Grund wurden die Obergeschosse mit einer langlebigen und beständigen Klinkerfassade versehen. Das robuste Material lässt eine äußerst lange Lebensdauer erwarten, wirkt edel und altert in Würde. Das Weiterführen der Klinker in Teilen des Erdgeschosses bis zum Sockel „erdet“ das Gebäude architektonisch.

Die Funktionszonierung wird abgebildet durch die Anordnung der öffentlich zugänglichen Bereiche des Archivbaus mit dem Lesesaal, dem Ausstellungsbereich und dem ins Foyer erweiterbaren Besprechungsraum sowie Verwaltungsräumen mit 3 Arbeitsplätzen, Quarantäne etc. im Erdgeschoss. Das 1. und 2. Obergeschoss sind den Archivalien in platzsparenden Rollenregalen und den Magazinen für die Sonderarchivalien mit insgesamt 933 laufenden Metern Regalfläche vorbehalten. Über dem 2.OG wurde lediglich ein Dachaufbau in der notwendigen Größe der Technikzentrale vorgesehen. Das neue Archivgebäude ist barrierefrei erschlossen und gewährleistet eine hohe Sicherheit gegen Hochwasser, Brand und Einbruch.

Fassade
Um die Ortsverbundenheit des Stadtarchivs in Balingen und in der Region zu betonen, wird mit der besonderen Ausbildung einer Klinkerfassade auf eine typische, allgegenwärtige und regional vorkommende, geologische Gegebenheit Bezug genommen. So soll die plastische, horizontale Gliederung der Lagen und die Farbigkeit der Klinker eine abstrahierende Reminiszenz an regionales Ölschiefer-Gestein sein. Die Plastizität wird mit verschiedenen Steinformaten erzeugt. Verschiedene Helligkeitstöne der gräulichen und anthrazitfarbenen Klinker schaffen die Farb-Changierungen des natürlichen Ölschiefers. Neben dem Bezug zur Region hat diese Fassadenausbildung den Vorteil, dass eine lebendige Oberfläche erzeugt wird, welche die Eigenschaft hat, bei unterschiedlichen Licht- und Wetterbedingungen ihr Erscheinungsbild zu verändern und damit unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen.

Konstruktion, Technik, Details, Ausführung
Die in Rollregalen gelagerten Archivalien leiten sehr hohe Lasten von bis zu 15 kN/m² in die Konstruktion ein. Da das Gebäude zudem in Erdbebenzone 3, im Hochwasserbereich und auf aufgefülltem Gelände steht, konnte es nur in Stahlbetonbauweise erstellt werden.
Die warm erscheinenden Fassadenprofile aus Holz im Erdgeschoss bilden einen Gegenklang zur kühlen Klinkerfassade. Die Orientierung der Fassade am örtlich vorkommenden Ölschiefer wird durch verschiedene Klinkerfarben, -höhen und Steinformaten sowie durch unterschiedliche Verfugungsarten der Setzfugen (zurückgesetzt) und Stellfugen (glatt) erreicht.
Die Metallverkleidung der Technikzentrale hebt sich vom klinkerverkleideten Hauptbaukörper ab und verschmelzt damit farblich unauffällig mit dem Himmel.

Nachhaltigkeit / Energetisches Konzept
Alle Archivräume müssen aufgrund von Feuchtigkeit und Temperatur voll klimatisiert sein. Die Räume im Erdgeschoss werden über eine Fußbodenheizung temperiert. Dies gewährleistet eine Luft-Wasser-Wärmepumpe. Der Strombedarf wird größtenteils über eine „hauseigene“ Photovoltaikanlage auf dem Dach regenerativ erzeugt, wodurch das Gebäude die Vorgaben des GEG übererfüllt. Der sommerliche Wärmeschutz ist durch außenliegende Jalousien gewährleistet.
Die sehr langlebige Klinkerfassade und die Kerndämmung aus Mineralwolle sind sehr gut recyclingfähig bzw. wiederverwendbar und ermöglichen somit einen ressourcenschonenden Umgang.

Gesamteindruck
Das Stadtarchiv wirkt aus der Ferne als kraftvoller und markanter Baustein der Kulturachse und repräsentiert die Geschichte Balingens selbstbewusst. Bei einer Annäherung an das Gebäude weicht allerdings das Monolithische. Durch die plastische, horizontale Gliederung, die Tiefe des Schattenwurfs und das Farbspiel der Klinker tritt das Filigrane und die Haptik der Details in den Vordergrund. Damit entwickelt sich in der Nähe eine Lebendigkeit, die einladend auf Passanten und Besucher wirkt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die einfache Form und skulpturale Gestaltung des Stadtarchivs überzeugt und verbindet sich mit seiner Funktion als Speicher der Stadtgeschichte. Der zeitlose dunkle, fast geschlossene Kubus ist ein schlüssiger städtebaulicher Gegenpart zum runden Turm des Zollernschlosses auf der gegenüberliegenden Seite der Eyach. Gleichzeitig fungiert er als wohltuender Raumabschluss zum Parkplatz und markiert den Beginn des Fußgängerbereichs um den Zollernschlosssteg. Im Erdgeschoss motiviert die Glas- und Holzfassade Passanten zum Betrachten der Wechselausstellungen des Archivs und zum Betreten des Gebäudes. Die nutzungsbedingt komplett geschlossene Fassade der oberen Stockwerke ist durch die versetzten und farblich differenzierten Klinkerschichten lebendig gestaltet. Ein Zweckbau, der sich nicht verstecken muss!