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Award / Auszeichnung | 07/2011

Hugo-Häring-Auszeichnung 2011 BDA Schwarzwald-Baar-Heuberg

Umbau und Erweiterung Museum Biedermann

DE-78166 Donaueschingen, Museumsweg 1

Auszeichnung

gäbele & raufer architekten

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Museen, Ausstellungsbauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2008
    Fertigstellung: 01/2009

Projektbeschreibung

Klassizismus und darüber hinaus

Es ist nicht nur ein Kapitel der Baugeschichte, auch der Wandel vom Standesbewussten Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts zur multikulturellen Gesellschaft der Gegenwart hat sich in dem klassizistischen Museumsgebäude abgebildet. Nichts ging verloren, aber ein neuer stiller Ort der Kunst wurde gewonnen.

Es gibt Lichtblicke in der Auseinandersetzung mit der Architektur. Wenn man sich täglich mit den quälenden Sinnfragen des Bauens, mit Nachhaltigkeit, Rekonstruktion, Stadtbaukunst, neuen Materialien und digitalen Realitäten befasst, dann wirkt der Besuch des Museums Biedermann wie eine Belohnung: greifbare Architektur, nachvollziehbar gedacht und überzeugend umgesetzt. Zunächst lockt am Flüsschen Brigach der weiße Klassizismus des traditionellen Kulturhauses, der Anbau verbirgt sich noch auf der Rückseite. Das Gebäude, nur durch die dichte Ufervegetation von den vergrauten fürstlichen Schlossliegenschaften getrennt, stammt aus dem Jahr 1841, es war ein Treffpunkt der Gesellschaft, die hier weniger eine Kunstsammlung anschauen, sondern sich mit Lesungen, Konversation und Konzerten ihrer Position als „gebildete Stände“ versichern wollte. Bald abgebrannt und wieder instand gesetzt fand man für das Haus bis in die Gegenwart ruhmreiche und schäbige Nutzungen, zuletzt diente es lange, behelfsmäßig erweitert, als Kino. All das verschweigt das neue Museum nicht, es macht aber auch kein Drama aus der Baugeschichte, sondern stellt den Klassizismus als annehmliche Hülle wieder her. Darin sind emblematisch Spuren der Zwischennutzungen erhalten, neu Hinzugefügtes bleibt erkennbar, im gewölbten Untergeschoss wird der vorgefundene Zustand samt den statischen Sicherungen als ruinöse Collage vorgeführt.

Sensible Analysen, handwerkliche Eingriffe, forsche Experimente

Schon von außen lässt sich die pragmatische Haltung der Architekten ablesen. Weil man lieber heimischen Sandstein als billigen chinesischen Import verwenden wollte, blieb die alte Allee-Zufahrt aus Betonwerksteinen erhalten, und nur der eigentliche Vorplatz empfängt nun wie ein lebhafter Steinteppich. Im Zugang aus dunklen Betonstufen ist unauffällig eine flache Rampe versteckt, aber die klassizistisch Ordnung bleibt erkennbar.
Auch die rückwärtige Erweiterung zeigt keinen Affront, gleichwohl ein schwarzer Block den größtmöglichen Gegensatz bedeutet. Die Kubatur korrespondiert mit dem Altbau und respektiert das vorhandene Gesims, die monolithische 65 cm dicke Leichtbetonwand setzt das alte Bruchsteinmauerwerk fort, dessen aufgebessertem Putz die groben Abdrücke der Schaltafeln entsprechen. Diese Oberfläche wurde aufmerksam behandelt. Da beim Verdichten die dämmenden Tonkügelchen nach außen gewandert wären, hat man auf die Schaltafeln Textilmatten getackert, die beim Abbinden Wasser und Zement an die Oberfläche saugen. Aufgrund der hohen Hydrationswärme mussten die Textilbahnen schon beim Aufbringen mit Heizmatten gedehnt werden. Das klingt etwas nach Waschküchenversuchen, und im Gegensatz zu den Probewürfeln zeigen die großen Flächen zum benachbarten Altenheim doch eigenwillige Schlieren. Aber insgesamt, besonders In den Innenräumen, ergab sich eine fast weiche, filzige Oberfläche mit regelmäßigen Nähten, als wollte sich der Zubau respektvoll dem alten Vorfahren nähern.

Die Erfindung des Naheliegenden

Die einfach verglasten Sprossenfenster samt Läden konnten erhalten werden. Hier half abermals die Erfindungsgabe der Architekten. Sie setzten innen in die Laibung einen Holzmrahmenflügel, auf den eine Isolierglasscheibe aufgeklebt wurde. Die Kontaktfläche der Stufenverglasung ist schwarz oder weiß emailliert und macht die Ergänzung völlig unauffällig.
So ließe sich das ganze Haus als ein Kompendium der artgerechten Sanierung lesen: die Holzbetondecke, die selbst angegriffene Balkenköpfe im Mauerwerk einbindet, die 35 mm dicken Lärchen-Dielen in fallenden Formaten, die einen lebhaften Boden ergeben, die im Mauerwerk verborgenen Heizrohre, die mit der warmen Wand auch bauphysikalisch und physiologisch Vorteile bringen, schließlich der unempfindliche weiße Kalkputz, auf dem sich jede Verschmutzung einfach mit Sandpapier abschmirgeIn lässt. Aber damit wäre man noch nicht bei der Architektur.

Die Fortsetzung mit anderen Mitteln, der Witz des Gelungenen

Ziel war, so die Architekten, dass das Haus auch leer funktioniert, dass „charaktermäßig starke Räume" entstehen. Dies ist gelungen durch eine Balance zwischen dem großen klassizistischen Thema und der Sorgfalt für das einzelne Bauteil. So sammelt man sich unwillkürlich in dem unheimlichen, elfenbeinschwarzen Foyer, von dem es in den goldglänzenden, acht Meter hohen Spiegelsaal geht. Auch hier sind Hinweise auf eine frühere Ausmalung wie kleine Tattoos herauspräpariert. Das neue Gartenkabinett schließt sich zwar der Ordnung an, aber der geölte Zementestrlch zeigt Industriestandard. Der tragende Holzrost der Dachverglasung filtert das Licht und rastert mit wechselndem Sonnenstand die verkohlten Holzgerüste von Nunzio. Nach oben begleitet die Haupttreppe wie ein lila Paravent, nach unten geht es in die Gruft der silbermatten Toiletten, deren Kabinen mit gewagten Tapetenmustern irritieren. Ein Quäntchen Ironie gehört eben auch zum Haus.
Die Kunstwerke lassen sich hier großartig erleben. Einfache Leuchtstoffröhren genügen den aktuell präsentierten Skulpturen. Es sind nicht die satt gesehenen Jetset-Künstler mit denen man wie mit einer Geldanlage renommiert. Andreas Kocke, Sebastlan Kuhn. Nunzio und Reiner Seliger waren bis Ende August zu sehen. Sie hatten sich auf das Haus eingelassen. Wie der Bauherr auf seine Architekten.

Text: Wolfgang Bachmann, aus „Baumeister“ Oktober 2010

Beurteilung durch das Preisgericht

"Einen derartigen bewussten Umgang mit historischer Baussubstanz würde man sich öfter wünschen.
Die Architekten schaffen es immer wieder, mit Überraschungsmomenten den Besucher in Staunen zu
bringen. Einerseits der respektvolle Umgang mit dem Vorhandenen, andererseits die mutige und
kreative Gestaltung des Neuen. Das Durchschreiten des Hauses, auch ohne die Kunst zu
berücksichtigen, wird zu einem Erlebnis, ohne dass sich die Architektur in den Vordergrund drängen
würde. Der Charakter des Hauses und die Bauaufgabe wurden richtig erkannt, Erhaltenswertes
bewusst bewahrt, und mit präzisen Eingriffen ergänzt. Die rückwärtige Erweiterung, ein dunkelgrauer
Betonkörper, in dem sich einer der Ausstellungsräume befindet, schmiegt sich wie selbstverständlich
an den Bestand, der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand, an. Die gelungene Symbiose aus Alt und
Neu zeugt von einem großen Gespür."