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Studienauftrag im selektiven Verfahren | 10/2021

Gesamtsanierung und Erneuerung Freibad Marzili in Bern (CH)

Teilnahme

MAURUS SCHIFFERLI, LANDSCHAFTSARCHITEKT

Landschaftsarchitektur

BRUTHER

Architektur

Valier AG

Bauingenieurwesen

Jenzer + Partner

Wasserbau

Christoph Schläppi

sonstige Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfassenden schlagen eine Lösung vor, in welcher der bestehende Beckenbereich aufgehoben und in der Verlängerung des Buebers neu angeordnet wird. Die bewegte Geschichte des Marzilis soll so in die Zukunft fortgeschrieben werden. Der vorgeschlagene Paradigmenwechsel soll schon in einer frühen Projektetappe vollzogen und die Spur für ein etappenweises Nachzeichnen des zugeschütteten Löifus ausgelegt werden. Das Aarewasser wird mit einfacher, aber raffinierter Technologie in einen teilweise leicht erhöhten Kanal gehoben und durch das ganze Areal geführt. Der lange Eingangspavillon zeigt sich als transparente, aufklappbare Raumhülle – sie erfindet Badearchitektur auf unerwartete Weise neu und wird zum Markenzeichen für das Marzili. Der schmetterlingsartige, wolkige Längsbau, im Projekt als «Papillon» bezeichnet, wird aber vom Beurteilungsgremium als aufgesetzt wirkender Kontrast verstanden, der schlecht mit dem Ort verknüpft werden kann. Soweit erkennbar – aus gebogenem Glas gedacht –, wirft der Neubau grundlegende Fragen zur städtebaulichen Integration, zur architektonischen Haltung, zur Funktionalität, zur Überhitzung, zur Nutzbarkeit als Restaurant und zur Vandalensicherheit auf. Auch die beiden grossen, flankierenden, 15 cm tiefen Wasserspiegel wirken überzeichnet und werden mehr als räumliches Hindernis denn als Bereicherung wahrgenommen. Der Pavillon sowie die Spiegelbecken sind im Unterhalt sehr aufwendig. Nicht überzeugend platziert, ist die Entsorgungsstelle an zu prominenter Stelle im Zugangsbereich. Die Absicht, ein Gastronomieangebot im oberen Segment zu schaffen, wird aufgrund bereits bestehender Angebote im Umfeld hinterfragt. Zudem wird die gute Nutzbarkeit des Pavillongebäudes als Restaurant aus betrieblichen und technischen Gründen infrage gestellt. Bezüglich Nachhaltigkeit und grauer Energie wird die Materialisierung des Pavillons (Stahl, Aluminium, Glas) sowie die Erstellung eines Untergeschosses negativ beurteilt. Sehr plausibel ist das ausgeklügelte Wasserhebewerk in der Verlängerung des Aarehafens im Bereich des Spitzes. Das mit Aarewasser betriebene horizontale Wasserrad treibt eine Archimedesspirale an, die Wasser in einen schmalen Kanal hebt. Dieser zieht seine Spur durch das ganze Bad. Aus dem kühlenden Wasserlauf wird ein beidseitig nutzbares Sitzelement, welches allerdings auch ein Hindernis darstellt und die Liegewiese trennt. Das gesamte Parkband im Bereich des ehemaligen Wasserlaufs ist leicht abgesenkt. Die beidseitigen Böschungen sind biodivers bepflanzt. Die abschnittsweise Wasserdramaturgie ist abwechslungsreich und vielfältig gestaltet: Verschiedene Bewegungszustände von Wasser sind spielerisch eingesetzt. Die Wasserzufuhr des erhöht gelegenen Kanals muss dabei jederzeit sichergestellt werden können, sodass Flora und Fauna nicht durch eine Austrocknung bedroht werden. Die Wahl der Baumsorten ergibt sich aus der Palette von Arten der Weichholzaue. So kann der Flussbezug der ganzen Anlage insgesamt gestärkt werden. Das sorgfältige Baumkonzept erlaubt situative Ersatzpflanzungen und Fällungen. Die gemäss Bauordnung geforderten zwei Drittel Grünfläche des unüberbauten Grundstückareals (Art. 73 Begrünung im Aaretalschutzgebiet) sind nicht eingehalten. Die Längsverbindungen entlang der Wasserkanten werden gestärkt. Beidseits des ehemaligen Löifus werden ebenfalls lineare Wegverbindungen vorgeschlagen. Sie er- leichtern die Winternutzung des Marzilis als Freibadpark. Leider wird die verbindende Geste durch die bestehenden Holzkabinen entlang des Zugangs zur Dampfzentrale geschwächt beziehungsweise unterbrochen. Das bestehende Hochwasserschutzprojekt wird im Abschnitt des Marzilibads und des Spitzes erheblich verändert. Mehrere mobile Massnahmen werden in Zukunft nötig sein, was sich ungünstig auf den Hochwasserschutz auswirkt. Die neue Beckenlandschaft im Norden ist überzeugend gelöst und verspricht gute betriebliche Synergien. Die Separierung der unterschiedlichen Wasserbereiche erfordert jedoch einen hohen Aufwand bei der Badeaufsicht. Das Kinderplanschbecken liegt nahe am Nichtschwimmerbecken, was den Aufwand der Aufsicht zusätzlich erhöht. Der neue Technikraum liegt entgegen der Vorgaben im Untergeschoss und erfüllt die Flächenanforderung für das gewählte Aufbereitungsverfahren nicht. Der Hauptteil des Freibads kann vermutlich nur durch aufwendige jahreszeitliche Umzäunung der Beckenanlage auch ausserhalb der Saison tagsüber geöffnet werden. Die Verfassenden entscheiden sich für einen visionären Ansatz mit einem Paradigmenwechsel bezüglich der Neusituierung der Becken. Dieser Entscheid ist für die Jury nachvollziehbar, generiert jedoch aufwendige Eingriffe und im Quervergleich hohe Bau- und Betriebskosten, auch ohne den neuen Wasserlauf. Das Betriebsgebäude nördlich des Paradieslis ist räumlich und funktional gut konzipiert. Die vorgeschlagenen Nutzungen in diesem Bereich sind bezüglich Zonenkonformität der geltenden Überbauungsordnung allerdings nicht gesichert. Interessant sind die innovativen, platzsparenden Veloständer. Sie spielen wertvolle Flächen für die Zirkulation frei und eröffnen neue Möglichkeiten für die Veloparkierung. Das Projekt Archimedes provoziert und fordert heraus, weil es komplett andere, unerwartete Wege beschreitet und weil es sich erst auf den zweiten Blick und nach intensiver Auseinandersetzung wirklich erschliesst. Die Hauptkritik des Beurteilungsgremiums betrifft den Zugangsbereich. Der schmetterlingsartige Pavillonbau ist ortsfremd und vermag funktional ebenso wenig zu überzeugen wie die grossen Spiegelbecken beim Zugang zum Freibadpark. Die Verlegung der Wasserbecken und die Ergänzung des Freiraums mit dem Element Wasser vom Aarehafen bis zum Bueber sind grundsätzlich interessant, gleichzeitig aber auch sehr aufwendig. In der vorgeschlagenen Form vermag das Projekt die Jury nicht zu überzeugen. Der Mehrwert einer freien Liegewiese an der Aare ist mit zu grossen Nachteilen in den anderen Bereichen des Freibads verbunden.