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Offener Wettbewerb | 04/2022

Neues Rathaus der Stadt Gengenbach

4. Preis

Preisgeld: 9.000

Architekturbüro Diefenbacher

Architektur

Erläuterungstext

Außenraumgestaltung

Das Areal um das Rathaus charakterisiert sich durch ein dichtes Konglomerat aus unterschiedlich gerichteten, sich verschneidenden Dachflächen. Der Verbindungsbau fügt sich in die Fuge zwischen Rathaus und Bauamt. Der Zugang zum Gebäude (Flst. 225) erfolgt über den Verbindungsbau. Der Zugang zum Flurstück 223/2 bleibt unberührt. Durch das Anlegen von Grünflächen und Sitzmöglichkeiten im Bereich des Innenhofes wird die Aufenthaltsqualität für Pausen, etc. gesteigert. Eine vertikale Begrünung der Mauer in Nordteil des Innenhofs und die Platzierung einzelner Bäume sorgen für ein angenehmes Mikroklima. Fahrradstellplätze mit Ladestation und barrierefreie Parkplätze bieten eine zeitgemäße und inklusive Mobilitätsinfrastruktur. Durch das Freihalten eines Großteiles des Innenhofes von festen baulichen Anlagen, besteht die Möglichkeit durch pavillonähnliche Strukturen witterungsbeständige Aufenthaltsräume zu schaffen.

Grundrissstruktur

Die Grundrissstrukturen des Rathauses und des Bauamtes zeichnen sich durch klare Entwurfsprinzipien aus. Historische Wandstrukturen werden beibehalten. Wände welche im Zuge des Wiederaufbaus oder zu einem späteren Zeitpunkt entstanden sind werden rückgebaut und flurseitig durch transparente Glastrennwände ersetzt. Durch die Aufweitung der Flure werden informelle Kommunikationsflächen geschaffen mit Besprechungsmöglichkeiten, Druckstationen und Teeküchen. Hierbei ermöglichen die Glastrennwände eine angemessene natürliche Belichtung. Die Toilettenanlagen befinden sich in den Bürogeschossen des Rathauses, sowie im Bauamt an gleicher Position. Dies bringt eine Gleichwertigkeit der Geschosse mit sich und eine reibungslose Orientierung. Teeküchen, als zentraler Anlaufpunkt, befinden sich in jedem Geschoss am Übergang zum Verbindungsbau.

Dachstruktur

Durch die Verbreiterung und Neuschaffung mehrerer Gauben im Bereich des Bauamtes wird durch eine natürliche Belichtung neue Bürofläche ermöglicht. Die Einbettung des Ratssaals in stimmungsvoller historischer Atmosphäre bedarf einen baukonstruktiven Eingriff in die Dachkonstruktion, um ausreichende Kopfhöhe zu erzielen. Dies wird durch eine Höherlegung der unteren Pfetten+Rähme und der Kehlbalken+Spannriegel erreicht. Die Stuhlsäulen im betreffenden Bereich werden verlängert. Um eine notwendige Stützenfreiheit im Bereich des Ratssaals zu erreichen, werden die unteren Balkenlagen mittels Zugstangen aus Stahl an die oberen Kehlbalken abgespannt. Der Ausbau der Dachgeschosse geht ein her mit einer Zwischensparendämmung um das historische Dachgebälk sichtbar zu erhalten.

Verbindungsbau

Der Verbindungsbau als Stahlkonstruktion gliedert sich durch den maßstäblichen Umgang und seine Materialwahl harmonisch in das Gebäudeensemble ein. Im Sinne der skulpturalen Erscheinung des Verbindungsbaus wird eine rohe und ehrliche Materialwahl vorgesehen. Dies wird durch die Verwendung von wetterfestem Baustahl (Cortenstahl) und Glas als Fassadenmaterial manifestiert. Für die Treppenanlage wird das gleiche Materialkonzept vorgesehen. Die Konstruktion der freistehenden Treppenanlage ermöglicht ein hohen Grad an Vorfertigung. Dies bringt wirtschaftliche, wie bauliche Vorteile mit sich. Durch Aufzug und Treppenanlage ist es möglich jedes Geschoss sowohl im Rathaus als auch im Bauamt miteinander zu verbinden und barrierefrei zu erschließen. Durch die Herabführung der Erschließungsstruktur des Verbindungsbaus bis in das Kellergeschoss wird eine vollständige barrierefreie Erschließung der Kellerebene ermöglicht. Der Zugang zum Flurstück 225 erfolgt über den Verbindungsbau. Die Sicherung und Steuerung erfolgt elektronisch.

Brandschutz

Rathaus: Von allen Räumen sind im zulässigen Abstand notwendige Treppenräume erreichbar, die ins Freie führen. Der 1. Rettungsweg wird aus sämtlichen Nutzungseinheiten in den zentral gelegenen notwendigen Treppenraum des Verbindungsbaus geführt, welcher durch Brandschutztüren zu den angrenzenden Geschossen abgegrenzt ist. Der zweite Rettungsweg führt über die bestehende Treppenanlage, welche brandschutztechnisch ertüchtigt wird. Im Falle einer Verrauchung des historischen Treppenhauses wird der Fluchtweg zum Verbindungsbau durch einen Bypass über angrenzende Büroflächen ermöglicht. Bauamt: Dem Längsbau des Bauamtes stehen ebenfalls zwei notwendige Treppenräume als Rettungsweg zur Verfügung. Der Querbau wird im Erdgeschoss über eine straßenseitige Anleiterung am Balkon und im ersten Obergeschoss über eine Anleiterung an der mittleren Gaube evakuiert.

Nachhaltigkeit

Im Zuge des Denkmalschutzes wurden bauliche Erweiterung auf das notwendigste begrenzt. Dies führt zu einem hohen Grad an Nutzung vorhandener Bausubstanz. Bauen im Bestand spiegelt hierbei nicht nur Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit wieder, sondern dient auch der ökonomischen Nachhaltigkeit im Sinne eines Werterhaltes der Immobilien durch Instandsetzung. Der Erhalt einer historischen, identitätsstiftenden Architektur im Gengenbacher Stadtbild dient der sozialen Nachhaltigkeit. Baukonstruktiv zeichnet sich der Verbindungsbau durch seine sortenreine Konstruktion und den weitestgehenden Verzicht auf Verbundwerkstoffe aus. Durch den Ausbau der Dachgeschosse und der damit verbundenen Dämmung, werden bessere energetische Kennwerte erreicht. Eine Klimatisierung durch Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung dient ebenfalls der energetischen Effizienz.   

Beurteilung durch das Preisgericht

Charakteristisch für den Beitrag ist eine skulpturale Treppe in der Fuge zwischen Rathaus und Bauamt. Damit zeichnet sich der Entwurf durch einen reduzierten Eingriff aus, der minimal auf das Erscheinungsbild des historischen Ensembles einwirkt.

Die Ausbildung des Treppenraums überzeugt in seiner räumlichen Wirkung und modernen Materialität. Lediglich die Überhöhung und der obere Abschluss des Treppenhauses wurde innerhalb der Jury unterschiedlich bewertet. Der Hauptzugang verbleibt sowohl für die Bürgerschaft als auch für den Zugang zum Sitzungssaal an zentraler Stelle und wird durch die Verlegung der Eingangsverglasung noch aufgewertet.

Wünschenswert wäre eine direkte barrierefreie Erschließung von der Marktplatzseite aus, die bisher lediglich über den rückwärtigen Hof erfolgt. Ansonsten ist die barrierefreie Erschließung und die Sicherstellung des zweiten baulichen Rettungsweges über das neue Treppenhaus sinnvoll und wirtschaftlich gelöst. Die Anordnung der Funktionsbereiche ist logisch und durch die Ergänzung des Dachraums im Bauamt gut beantwortet. Die Ansprache des Bürgers im Foyer ist eindeutig, aber im Weiteren nicht eindeutig zu Ende geführt.

Der Übergang zum Bauamt über die Beratungssituation ist nicht optimal und wirkt eingeengt. Ebenso ist die barrierefreie Erschließung des Sitzungssaals vom Marktplatz kommend nur über das Bürgerbüro möglich. Die Innenhofsituation wurde qualitativ gegenüber der 1. Phase weiter ausgearbeitet, das Potential dazu wird jedoch nicht ausgeschöpft, hier wäre eine weitere Aufwertung und Ausgestaltung wünschenswert. Die Vorgaben des baulichen Brandschutzes sind gut gelöst. Zwei voneinander unabhängige Treppenräume mit Bypass-Lösung in den Obergeschossen des Rathauses sind gegeben.

Die Rettungswege für Hexen- und Klosterkeller werden durch die Fortführung des neuen Treppenhauses erheblich verbessert. Das Erscheinungsbild der historischen Bausubstanz wird nicht verändert. Die Umplanungen sind unter sensibler Berücksichtigung der denkmalgeschützten Substanz vorgesehen. Der Sitzungssaal im Dachraum befindet sich im wiederaufgebauten Teil des Gebäudes, die Eingriffe in die Tragstruktur bleibt abschließend im Detail zu bewerten, die dortige Verortung und Möglichkeit des Eingriffs wird seitens des Denkmalschutzes aber nicht per se ausgeschlossen.

Der Beitrag stellt einen sehr sensiblen, reduzierten und wirtschaftlichen Lösungsvorschlag dar, der seinen Ansatz als Respektbezeugung vor der hochwertigen Bausubstanz sieht. Gleichzeitig bleibt der Eindruck stehen, dass durch den sehr zurückhaltenden Ansatz eine Chance zur substanziellen Aufwertung und prägnanteren Fortschreibung ausgelassen wird.