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Offener Wettbewerb | 04/2022

Neues Rathaus der Stadt Gengenbach

ein 1. Preis

Preisgeld: 16.500

Kupke & Lambeck Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliches und gestalterisches Konzept

Der städtebauliche Leitgedanke des Entwurfs besteht darin, das geforderte Raumprogramm in den historischen Gebäuden zu organisieren und dieses Ensemble durch einen untergeordneten neuen Verbindungsbau funktional zu einer Einheit zusammen zu fassen. Der neue Verbindungsbau wird in der südwestlichen Hofecke zwischen die Gebäude eingefügt und bildet im Erdgeschoss eine offene und überdachte Halle aus. Er ergänzt als eigenständiges Element das Ensemble und ordnet sich durch seine Größe und Proportionen dem Rathaus unter. Die Rundbögen der Fassade orientieren sich an den Bogenstellungen in den Gewölben der Kellergeschosse, den Torbögen der Hofdurchfahrt und spiegeln das Eingangsthema der Rathausfront auf der Rückseite wieder. Der Hof wird weitgehend von Bebauung freigehalten, sodass die Ensemblewirkung durch den neuen Baukörper ergänzt und nicht gestört wird. Die Erschließung der Nachbargebäude ist ohne Einschränkung weiter fußläufig möglich. Die Gestalt der historischen Gebäude bleibt bis auf kleine Ergänzungen unverändert.

Erschließungskonzept, Brandschutz und Barrierefreiheit

Die barrierefreie Erschließung und kurze Wege innerhalb des Gebäudekomplexes werden über die beiden neuen Aufzugskerne in Rathaus und Bauamt sichergestellt. Über den neuen Verbindungsbau werden die Höhenversprünge zwischen Hof, Rathaus und Bauamt vermittelt. Der barrierefreie Zugang im Erdgeschoss des Rathauses wird über eine Hubtreppe zur Victor-Kretz- Straße und einen ebenerdigen Zugang vom Hof aus erreicht. Ebenfalls wird das Bauamt über das neue Splitlevel vom Hof barrierefrei erschlossen. Alle Räume mit hohem zu erwartendem Personenaufkommen und Publikumsverkehr erhalten zwei unabhängige bauliche Rettungswege. In Büroräumen mit geringem Personenaufkommen wird der 2. Rettungsweg teilweise über das Rettungsgerät der Feuerwehr von der Straße aus sichergestellt.

Nutzungskonzept und funktionales Konzept

Die Nutzungen werden innerhalb des historischen Bestandes verteilt und nach funktionalen Clustern geordnet. Die Anordnung orientiert sich grundsätzlich an den Nutzervorgaben. Der neue Verbindungsbau nimmt dabei alle Funktionen auf, welche vom Verwaltungspersonal aus beiden Gebäudeteilen genutzt werden, wie das Foyer des Ratssaals, die Cafeteria sowie die Besprechungsräume im ersten Obergeschoss. Die Arkadenzone zum Marktplatz im Erdgeschoss des Rathauses wird dem Innenraum größtenteils zugeschlagen. So entsteht in Verbindung mit der Treppenhalle ein großzügiger zusammenhängender Raum mit Informationstresen und direkt angeschlossener vertikaler Erschließung des Rathauses mit Übergang zum Bauamt. Die Arkadenzone dient als offener und heller Wartebereich für die Dienstleistungen des Bürgerservices. Der neue Ratssaal liegt im beeindruckenden Dachstuhl des ehemaligen Lagergebäudes und ist über das Foyer im Neubau direkt an das Rathaus angeschlossen. Die neue Cafeteria liegt über dem Saalfoyer im Neubau und erstreckt sich auf einer Galerie mit Blick über den Saal ins Bauamt hinein. Über eine Treppe sind die beiden Räume verbunden, sodass sie auch zusammenhängend genutzt werden können. Die wenig belichteten Räume auf der Straßenseite im Dachgeschoss des Rathauses werden für das Magazin genutzt. Im Dachspitz des Rathauses werden die Büroräume der Stadtkasse, des Personalamtes und der Liegenschaften untergebracht. Die Räume sind über neue großzügige Gauben belichtet. Das Haupttragwerk des Daches sowie die hölzernen Windrispen bleiben in den Räumen sichtbar und durch die zweigeschossige Verbindung der Räume in Gänze erfahrbar. Das Kellergeschoss bleibt größtenteils unverändert, wird allerdings an die barrierefreie Erschließung angebunden. Unter dem Neubau wird ein neuer Technikraum geschaffen.

Umgang mit historischer Bausubstanz, denkmalpflegerische Strategie

Die funktionale und räumliche Neuordnung des Bestandes erfordert Eingriffe in die historische Substanz. Die Eingriffe werden auf das minimal erforderliche Maß beschränkt. Der Neubauteil ordnet sich dem Bestand unter, sodass die Ensemblewirkung der bestehenden Gebäude im Hof erhalten bleibt. Um die Funktionalität des Ratssaals im Dachgeschoss des Bauamtes zu verbessern, werden zwei Hängestützen in den wieder aufgebauten Teil des Dachstuhles unterhalb der Galerie transloziert. Von außen sichtbare Eingriffe ins Dach werden auf ein Minimum reduziert und erfolgen teilweise in Form der Rekonstruktion von historischen Gauben. Der neue Aufzugskern im Rathaus wird im Bereich des wieder aufgebauten Gebäudeteils errichtet.

Tragwerk

Als Ersatz für die Stützen und für die zusätzlichen Lasten im Ratssaal wird im Geschoss darunter ein simples Stahltragwerk bestehend aus zwei Druckstäben und einem Zugstab eingesetzt. Dieses Dreieckstragwerk wird jeweils auf einem der drei Pfeilerpaare im Keller abgestellt und trägt über eine Mittelpfette die Decke des Ratssaals. Das Stahltragwerk ist auf die Raumstruktur abgestimmt und bleibt frei sichtbar. Die darunter liegende Decke wird ebenso wie die Decke unter dem Dachgeschoss des Rathauses als Holzbetonverbunddecke unter Erhalt der historischen Tragkonstruktion ertüchtigt. 2  

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit stellt einen konsequenten Beitrag zur gestellten Aufgabe dar und verbindet in höchst eigenständiger architektonischer Formensprache die historischen Gebäudeteile zu einem Rathaus. Der charaktervolle Verbindungsbau ist ein kluger Beitrag zum Thema des „Weiterbauens“ im besten Sinne. Dieser neue Baustein wird nicht als Erschließungskern besetzt, sondern bildet einen Übergang mit Aufenthaltsqualität - samt Blickbezügen in den Innenhof. Die inneren Wegebeziehungen werden dadurch auf selbstverständliche Weise verknüpft und verkürzt. Der Zugang für die Bürger gibt klare Orientierung und ist großzügig gewählt. Es gibt einen Hauptzugang für alle BürgerInnen und Bürger – auch eine Hubtreppe ist unauffällig in den Arkaden integriert. Das Schließen dieser Arkaden im Bereich des Haupteingangs wertet den Innenraum mit dem zentralen Treppenhaus im Sinne der historischen Situation auf, wobei die seitlichen Arkadenbereiche geöffnet belassen werden sollten.

Der Kunstgriff, die Höhensprünge der Gebäudeteile über die Podeste des Bestandstreppenhauses zu verbinden, ist gelungen. Das zwischen den Gebäudeteilen spannende Foyer vor dem Sitzungssaal ist ein angemessenes Entree und gut zu nutzende Vorzone vor dem Saal.

Dieser neue Sitzungssaal ist im heutigen Bauamt an zentraler Stelle im Gebäudeensemble verortet. Angelagert ist auf der oberen Ebene die Cafeteria der Mitarbeiter mit Anschluss an den Ratssaal und verspricht interessante Blickbezüge. Eine separate Erschließung aus der Klosterstraße wird als zusätzliches Angebot eines weiteren Zugangs gewürdigt, wobei die Vorzone des Ratssaals aus dieser Richtung etwas großzügiger ausfallen dürfte. Der Verbindungsbau sollte der Nutzung als Allgemeinfläche vorbehalten bleiben – eine Belegung mit Büros scheint unpassend. Das vorgeschlagene Archiv im Keller stellt eine gute Option dar, die sicherlich im Sinne des Tragwerks sinnfällig wäre, stellt allerdings gleichzeitig eine teure Lösung dar, die überprüft werden sollte. Mit dem denkmalgeschützten Bestand wird sensibel umgegangen. Die Eingriffe sind vergleichsweise gering. Der Sitzungssaal im früheren Bauamt ist aus Sicht des Denkmalschutzes möglich, sofern die Geometrie des historischen Holzwerks in wesentlichen Zügen erhalten wird. Ob der Vorschlag zur rhombenförmigen Geometrie der Dachverglasungen vor diesen Hintergrund umsetzbar wäre, ist zu überprüfen.

Der Gedanke dieser Belichtungsart an sich ist atmosphärisch vielversprechend und sollte in jedem Fall verfolgt werden. Eine Brandabschnittstrennung im Übergang zum Bestandsrathaus sowie ein zweiter baulicher Rettungsweg aus dem Dachspitz werden erforderlich. Aufgrund der kompakten Gebäudehülle des Verbindungsbaus und der überschaubaren Eingriffe in den Bestand wäre eine Umsetzung im wirtschaftlich günstigeren Bereich zu erwarten, sofern auf die Unterkellerung verzichtet wird. Zusammenfassend stellt die Arbeit einen architektonisch hochwertigen Beitrag zur gestellten Aufgabe dar und verspricht zugleich eine hohe Qualität in der Umsetzung. Die feine Detaillierung und eigenständige architektonische Handschrift werden gewürdigt – der Zusammenschluss zu EINEM neuen Gesamtgebäude ist geglückt.