modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Erweiterung und Sanierung Rathaus Sottrum

Perspektive

Perspektive

2. Preis

Preisgeld: 5.000 EUR

de+ architekten gmbh

Architektur

Erläuterungstext

Hochbaulicher Realisierungswettbewerb Erweiterung und Sanierung Rathaus Sottrum

Erläuterungsbericht

Das ehemals als Schulhaus errichtete Gebäude wurde zum Rathaus umgenutzt und bereits in den 90`ger Jahren komplett umgebaut und erweitert. Hierbei wurden Neu- und Altbau zu einem Gebäudeensemble verschmolzen. Funktional und räumlich erfüllt der Bestand nicht mehr die heutigen Anforderungen, zudem ist die Verwaltung gewachsen und benötigt zusätzlichen Raum.
Ziel ist es ein Rathaus zu entwickeln, dass sowohl heutigen funktionalen und energetischen Anforderungen entspricht aber auch als offenes, klar strukturiertes, barrierefreies Dienstleistungs- und Informationszentrum fungiert. Es soll die Bürger:innen ansprechen und als Identifikationspunkt für die ganze Gemeinde dienen.

Städtebauliches Konzept
Das bestehende Rathausensemble und St.Georg bilden den Rahmen für die Setzung des kommenden Erweiterungsbaues. Der historische Kirchturm soll zukünftig eine größere Präsenz und Sichtbarkeit erhalten. Entsprechend wird die Position des Erweiterungsbaus so gewählt, dass sich bereits von der Straße Am Eichkamp eine Sichtachse zum Turm öffnet. Der neu entstehende Freibereich vor Rathaus und Kirche soll als öffentliche Platz und Gesicht zur Ortsmitte mit einem zweiten möglichen Eingang, der vor allem vom Standesamt genutzt werden soll.
Der Erweiterungsbau setzt sich als individueller Baukörper in parallel zur Kichtstraße und St. Georg.
Die walmdachartige Dachform und der langgesteckte Baukörper orientieren an der Bautypologie der historischen Gebäude. Das in schwarz-weiß Kontrast gehaltene Bestandsgebäude wird als erkennbarer Baustein in seiner äußeren Erscheinung weitestgehend erhalten,lediglich die Gauben erhalten eine neue, größere Ausbildung. Der Erweiterungsbau kleidet sich dagegen in eine eigene Materialität und bezieht sich hier auf die im Ortsbild häufig anzutreffende Ziegelbauweise. Fassade und Dach verschmelzen in ein homogenes Material und schaffen so gegenüber dem Bestandsbau einen gestalterischen Ruhepunkt.

Gebäudebestand und Neubau, räumliche Organisation
Mitarbeiter und Besucher betreten das Haus weiterhin durch den signifikanten Turmbau von der Straße Am Eichkamp. Hier empfängt die Bersucher:innen ein kleines Foyer in dem über Informationstafeln oder Bildschirmen schon erste Informationen entnommen werden können. Das Foyer dient als Drehschiebe der Erschließung. Einerseits wird von hier wird die Turmtreppe ins Oberschoss erschlossen, gleichzeitig werden die ebenerdigen Abteilungen in den drei „Flügeln“ des Gebäudes gut gefunden. Geradeaus weiter führt der Flur in den lichten, gläsernen Brückenbau der Altbau und Neubau miteinander verbindet. Von hier kann auch der neue, geschützte Innen- und Pausenhof betreten werden. Dieser soll ein vielseitig bespielbarer Ort der Begegnung und des Aufenthaltes im Freien werden. Im Erweiterungsbau befindet sich ein zweites Treppenhaus ins 1. Obergeschoss sowie ein barrierefreier Aufzug.

Die Arbeitsräume im Bestand entsprechen nicht mehr den Bedürfnissen einer modernen Verwaltung und werden so wie auch der Neubau komplett in ein modernes, flexibel anpassbares Bürokonzept überführt. Hierzu werden sowohl Raumzuschnitte und Anordnung übersichtlich organisiert, eine sich über alle Bauteile ersteckende Materialität geben dem Gebäude ein neues Gesicht, klare Erschließungs- und Wartezonen machen das Rathaus gut nutzbar. Die Büroräume öffnen sich über gläserne Sichtfenster zu den Fluren und erleichtern Kommunikation und Begegnung innerhalb des Gebäudes. Die Trennwände der Büros werden aus modernen Systembauwänden hergestellt. So kann ohne große Umbaumaßnahmen auf Veränderungen im Raumanordnung oder -Organisation reagiert werden.
Die Personalbereiche werden etagenweise angeboten. Sie verfügen über eine hohe Aufenthaltsqualität und sind wichtige Orte für Begegnung und Gespräche unter den Mitearbeiter:innnen.

Der große Sitzungssaal präsentiert sich großzügig unter dem hohen Dach des Neubaus, im 1. Obergeschoss. Sein Innenausbau ist eine zeitgemäße Interpretation mit holzverkleideten Wänden und Dachschrägen. Tageslicht fällt durch die großen Fensterflächen ein. Gleichzeitig werden weite Ausblicke in die Umgebung ermöglicht. Ein großer Sitzungstisch kann für vielfältige Sitzungsformate genutzt und umgebaut werden. Medientechnik ist über den Fußboden, an zahlreihen Stellen anschlussfähig.
Das Trauzimmer führt Gestaltungsansatz des Sitzungssaales fort. Zusätzlich kann es auch als Mehrzweckraum für andere Veranstaltungsformate genutzt werden. Gemeinsam teilen sie sich ein vielfältig nutzbares Foyer, das über das gläserne Brückenbauwerk eine Verbindung zum 1. Obergeschoss des Bestandsgebäudes herstellt.
Auf gleicher Ebene angeordnete Abstellräume dienen als Stauraum für Mobiliar und Ausstattung, die hier auf kurzem Wege gelagert und abgerufen werden können.

Konstruktion und Materialität
Um die sichtbare, prägnante Fachwerkkonstruktion verleiht dem Bestandsgebäude einen unverwechselbaren Charakter. Um Außenwände energetisch zu optimieren wird daher eine zusätzliche Dämmung von Innen vorgesehen. Fenster im Bestandbau werden an moderne Standards (Schall, Wärme-, Sonnen- und Blendschutz) angepasst. Die Sprossenteilung wird beibehalten. Die Dachkonstruktion wird im Zuge der Umgestaltung komplett erneuert, die Gauben vergößert und zusammengefasst und energetisch ertüchtigt.
Für den Erweiterungsbau wird eine modulare Holzsystembauweise eingesetzt. Lediglich Untergeschoss und Bodenplatte werden in massiver Bauweise hergestellt. Durch Vorfertigung wesentlicher Elemente kann die Bauzeit deutlich verkürzt werden. Das Gebäude gliedert sich konstruktiv in ein massives Untergeschoss (Teilunterkellerung) und eine Bodenplatte aus Beton, auf welche die in Holzbauweise konstruierten oberirdischen Geschosse aufgesetzt werden.
Im Bereich des Massivbaus werden die tragenden Elemente soweit wie möglich aus vorgefertigte Filigranbauteilen erstellt. Untergeschoss sowie Aufzugsschacht und Treppenhaus werden in dieser massiven Bauweise errichtet. Sie übernehmen zudem Aussteifungsfunktionen. Ansonsten werden die oberirdischen Geschosse aus einer Tragstruktur von großflächigen Brettsperrholzelementen entwickelt. Die Tragstruktur entspricht neben äußeren Holzmassivwänden im Inneren einer Skelettbauweise (freie Grundrissausbildung und Anpassung). Die Wandstärken können entsprechend der statischen Erfordernisse ausgebildet werden. Bürotrennwände sind als Systemwände die leicht demontierbar konzipiert. Die Wände der Sanitärkerne werden aus nichttragenden Trockenbauwänden hergestellt.
Die Decken des Ergänzungsbaus werden aus Brettsperrholzplatten, mit einem Estrich hergestellt. Die Deckenuntersichten bleiben holzsichtig, wogegen die Wände in Trockenbauweise und teilweise mit Holzoberflächen verkleidet werden.
Wände, Fassadenelemente und Decken können im Herstellerwerk weitestgehend komplett vorgefertigt und vor Ort montiert werden. Hierdurch kann die Bauweise vor Ort zeitlich optimiert werden. In den Innenräumen kommen vor allem robuste und langlebige Materialien, die auch eine „Patina“ ansetzen können, zum Einsatz. Wände werden überwiegend in eine warme, hölzerne Materialität gelegt. Böden, je nach Beanspruchung, in Linoleum oder Holz.

Bauabschnitte
Bei der Umsetzung kann in aufeinander folgenden Bauabschnitten vorgegangen werden. Im ersten Schritt wird der Erweiterungsbau hergestellt und angeschlossen. Im zweiten Schritt wird der Anbau der 90`ger Jahre freigezogen und saniert. Die Räume in der ehemaligen Schule können weiter über den Haupteingang und das Treppenhaus erreicht und betrieben werden. Erst im letzten Schritt wird dieser Teil, mit den meisten Büroräumen im Bestand in Angriff genommen.

Energiekonzept
Wesentliche Komponenten für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sind ein sehr kompakter Baukörper und exzellenter Wärme- und Sonnenschutz bei optimaler Transparenz der Fassade. Der gesamte Bestandsbau wird saniert und energetisch ertüchtigt. Wenig, aber innovative Technik sorgt für einen äußerst geringen Primärenergieverbrauch. Die Technikräume werden im Untergeschoss des Hauses untergebracht.
Die Fassaden bilden die Außenhülle der hochwärmegedämmten Gebäudehülle. Die in der Fassade liegenden Fensterelemente kombinieren die Funktionen der natürlichen Lüftung, des Sonnenschutzes und der natürlichen Belichtung.
Das LED-Kunstlicht wird tageslichtabhängig gedimmt und wird ganz ausgeschaltet, wenn genügend Tageslicht vorhanden ist. Eine individuelle Bedienung der Nutzer an ihren Arbeitsplätzen sorgt für zusätzlichen Komfort und Zufriedenheit. Die innenliegenden Flure erhalten über Fensteröffnungen an den Stirnseiten des Gebäudes Tageslicht.
Alle Fenster erhalten soweit erforderlich einen Sonnen-und Belendschutz.
Im Sitzungssaal und im Trauzimmer wird eine kontrollierte Lüftung eingesetzt. Sie erfolgt zentral. Die Grundversorgung der Frischluftverteilung erfolgt durch Quelllüftung im Bodenbereich. Die Luftleistung kann über die Messung der CO2 -Werte geregelt werden. Ein Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung sorgt für die Grund-Frischluftzufuhr, dabei dient die Abwärme der Abluft zum Aufwärmen der Frischluft. Die Büros können durch Öffnen der Fensterflügel natürlich belüftet werden.
Der Sitzungssaal und das Trauzimmer benötigen voraussichtlich aufgrund der Intensität der Nutzung zusätzlich eine eigene Temperierung. Diese erfolgt über die Nutzung der Flächenheizung in Böden und Wänden.
Das Gebäude ist an das Fernwärmenetz angeschlossen. Die Wärmeverteilung und die Kühlung erfolgen über eine Fußbodenheizung bzw. -kühlung. Zusätzlich werden zur Stromgewinnung moderne Dachziegel mit aufgebrachten Photovoltaikelementen verwendet. Im Sommer kann zusätzlich eine Nachtlüftung zu einer Auskühlung des Gebäudes führen.

Freiraumkonzept
Der gesamte Außenbereich ist frei zugänglich. Vorhandene Wege und Eingänge werden beibehalten und im Bereich des Erweiterungsbaues und zur Kirchstraße hin ergänzt. Die Verwendung von natürlichen Materialien wie Holz oder Stein sollen einen sehr naturnahen Eindruck erwecken. An der Kirchstraße wird als Pendant zu St. Georg ein kleiner Stadtplatz neu ausgebildet. Von hier kann auch das Trauzimmer oder der Sitzungssaal bei Veranstaltungen separat vom Betrieb am Haupteingang an der Straße Am Eichkamp erreicht werden. Die offenen Grünflächen sollen als Rathausgarten mit mehr Aufenthaltsqualitäten ausgebildet werden. Die erforderlichen Stellplätze für das Rathaus sind sowohl auf dem bestehenden Parkplatz als auch entlang der Kirchstraße mit neuen Stellplätzen verortet.
Eingebunden in das Wegesystem für Fußgänger und Radfahrer laden der kleine Stadtplatz und Bürgergarten zum Verweilen und Erholen ein. Und knüpfen so an das offene Konzept der „Radwegekirche“ St. Georg an. Ein Wechselspiel von Gras- und Staudenflächen setzen Akzente und bereichern die Umgebung des Rathauses um stimmungsvolle Pflanzenbilder und jahreszeitliche Aspekte. Klimaresiliente Pflanzenwahl und zusätzliche Baumstandorte schaffen ein angenehmes Mikroklima. Aufenthalts- und Kommunikationsorte entstehen durch massive Sitzblöcke mit hölzernen Sitzauflagen und Lehnen.
Für das auf dem Grundstück anfallende Regenwasser sollen Versickerungsmöglichkeiten geschaffen werden. Befestigten Oberflächen sollen einen möglichst hohen Versickerungsanteil aufweisen.



Beurteilung durch das Preisgericht

Der städtebauliche Ansatz optimiert die vorhandene heterogene Situation deutlich. Die geschickt gewählte Baukörpersetzung respektiert St. Georg und gibt den Blick auf die Kirche frei. Der Entwurf zeigt sich einerseits selbstbewusst und wirkt anderseits wie selbstverständlich. Das historische Bestandsgebäude des Rathauses wird gut freigestellt und respektiert.

Auf die örtliche Bebauung wird mit einer ruhigen, aber klaren archetypisch anmutenden Gebäudeform geantwortet, die an scheunenartige Bauten erinnert. Hervorzuheben ist, dass sich der Höhenverlauf von Traufe und First in überzeugender Weise auf die Bestandsgebäude bezieht. Gewürdigt wird auch, dass die Einfachheit gestalterisch konsequent durchgehalten und z.B. das Dach frei von Gauben gehalten wird.

Die Wahl eines einheitlichen Dach- und Fassadenmaterials sowie die Wahl der Farbe ist mutig und markant, wird aber gleichzeitig kontrovers diskutiert.

Die Verortung des Saales im Obergeschoss wird im Hinblick auf die Erschließung diskutiert. Gestalterisch ist diese Entscheidung nachvollziehbar, da die räumliche Nutzung des Dachvolumens den Sitzungen und Veranstaltungen einen würdigen Rahmen bieten kann. Die Schaffung einer weiteren Eingangssituation zur Kirchstraße wird grundsätzlich positiv gesehen, wobei die Ankommensbereiche kritisiert werden, da sie zu wenig offen und kommunikativ wirken. Begegnungsflächen im Grundriss werden vermisst.

Der Entwurf erscheint mit seiner vergleichsweise geringen Bruttogeschossfläche und der Einfachheit des Bauköpers wirtschaftlich gut umsetzbar zu sein. Die Konstruktion in Holzsystembauweise und Holzmassivwänden sind ökologisch hervorzuheben. Kritisch gesehen wurde die mögliche Verwendung von Fotovoltaik, die zur Architektur in Konkurrenz treten könnte.
WB-Beitrag Blatt 1

WB-Beitrag Blatt 1

WB-Beitrag Blatt 2

WB-Beitrag Blatt 2

WB-Beitrag Blatt 3

WB-Beitrag Blatt 3