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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023

Neubau Bürgerforum mit Parkhaus in Schleswig

3. Preis

Kraus+

Architektur

Erläuterungstext

Städtebau
Schleswig ist seit jeher eine Stadt des Ankommens und Gehens, aber auch von Bildung und kultureller Vielfalt. Diese Tradition greift der städtebauliche Rahmenplan auf mit Busbahnhof, Bürgerforum und dem dadurch entstehenden Marktplatz. So entsteht ein Bindeglied zwischen den Königswiesen mit der Schlei und der Altstadt. Die bestehenden Dysfunktionalitäten des alten Parkhausquartiers werden aufgehoben. Das Bürgerforum wird mit seinen verschiedenen Angeboten zu einem attraktiven Anziehungspunkt für Bürger und Gäste. Es fasst städtebaulich den Platz an seiner Westseite und leitet mit seiner nach Süden verjüngenden Form die Menschen in Richtung Zentrum. Seine skulpturale Form mit den gestaffelten Dächern und der eingeschnittenen Terrasse gliedert das Gebäude und fügt sich damit maßstäblich in den umgebenden Kontext ein. Das Parkhaus wird verdeckt und steht leicht abgerückt zwischen Rote-Kreuz-Weg und Bürgerforum. Die hier entstehende Fuge macht beide Häuser in ihrer jeweiligen Identität lesbar. Im Erdgeschoss gibt es ein verbindendes Element, das eine kluge Erschließung beider Gebäude von Norden und Süden ermöglicht.

Architektur
Der Haupteingang des Bürgerforums, konzipiert als ein Haus für alle Generationen, ist mittig am neuen Marktplatz situiert. Beim Betreten öffnet sich weiträumig das großzügige Foyer, gleichsam als Dritter Ort. Alle Funktionen sind hier sofort ersichtlich, die Mobilitätszentrale, die Bibliothek, das Café sowie Bürgerservice und Infopoint und der Zugang zum Parkhaus. Gleichzeitig ist das Foyer ein Ort für ein erstes Verweilen – auch für die Wartenden vom Busbahnhof - mit Zeitungen, aktuellen Prospekten und Magazinen. Das Café öffnet sich einladend zum Platz. Eine großzügige kaskadierende Freitreppe führt in die zwei oberen Geschosse. Die daran angegliederten Lufträume verbinden die Ebenen und machen die Angebote der Bibliothek ersichtlich. Eine raumhaltige Schicht in Richtung Parkhaus organisiert die Nebenräume, die barrierefreien Zugänge mit Aufzügen und die zur brandschutztechnischen Erschließung notwendigen Treppen. Im Süden des Gebäudes befindet sich mit separatem Eingang ein Aufenthaltsbereich für die Busfahrer*innen.

Die Bibliothek in den beiden Obergeschossen präsentiert sich als Leselandschaft. Das erste Obergeschoss beherbergt die Kernbereiche der Stadtbibliothek mit Leseplätzen, einer Kinderbibliothek und dem Medienbereich mit Gaming-Ecke, genauso wie das Archiv, die Büros und einen Sozialraum für die Mitarbeitenden. Das zweite Obergeschoss ist flexibel gestaltet mit mobilen Regalen, die mit einem angegliederten Stuhl- und Regallager unterschiedliche Nutzungen zulassen. Die beiden verschieden großen Räume an der Nord- und Südseite können auch separat mit Veranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen bespielt werden. Ein verbindendes Element ist die zum Platz geöffnete Leseterrasse. Sie ermöglicht das Verweilen im Freien und Blickbezüge zu Marktplatz, Dom und Schlei.

Die besondere Bedeutung als öffentlicher Dritter Ort zeigt sich in der äußeren Erscheinung. So entwickeln sich die verschieden großen Fensterformate aus dem Inneren heraus. Große bodentiefe Fenster rahmen die Blicke auf den Dom oder den Marktplatz, Fenster auf Sitzhöhe bilden Nischen zum Verweilen, andere Fenster sorgen für eine konzentrierte Atmosphäre im Innenraum. Fein perforierte Ziegelflächen schaffen Privatheit dort, wo sie benötigt wird. Die geschlossenen Ziegelwandflächen nehmen maßstäblich das für Schleswig ortsbildprägende Material auf. Der rötliche Backstein kontrastiert den sandsteinfarbenen Platzbelag und fügt sich harmonisch in die Umgebung ein.

Das Parkhaus ist auf neun Ebenen in einem Split-Level organisiert und bietet Platz für 590 PKWs und zusätzliche überdachte Fahrradstellplätze. Zwei Treppenkerne und ein Aufzug lassen eine effiziente Erschließung sowohl vom Marktplatz als auch vom Rote-Kreuz-Weg zu. Die Fassade besteht aus einem gespannten Drahtgeflecht, welches Rankhilfe für eine ringsum begrünte Fassade ist und die Absturzsicherung gewährleistet. Die "Grüne Hülle" ist ein positiver Beitrag für das Mikroklima des Stadtraumes und ein grüner Hintergrund für den neuen Platz, der sich mit den Jahreszeiten verändern kann.

Konstruktion und Material
Konstruktiv ist das Bürgerforum ein Massivbau mit vorgehängter Mauerschale. Die Versprünge in der Dachlandschaft und die präzisen gesetzten Wandöffnungenin Kombination mit Wandscheiben erlauben im Inneren das Überbrücken größerer Spannweiten. So ist die Fassade im Bereich der Leseterrasse als raumhaltiger Vierendeelträger geplant. Damit entstehen großzügige stützenfreie Bereiche. Die längliche Gebäudegeometrie ermöglicht eine materialoptimierte und zugleich einfache Konstruktion. Lüftung und Installationen werden in einem Hohlraumboden geführt. Ein geschliffener Terrazzo als Bodenbelag garantiert eine dauerhafte und pflegeleichte Nutzung. Holzmöbel mit Ahornfurnier und helle Putzflächen schaffen eine einladende Atmosphäre. Ein schallabsorbierender Deckenputz sorgt für eine gute Raumakustik und Sprachverständlichkeit. Der nicht unterkellerte Baukörper bedarf aufgrund der geologischen Gegebenheiten einer Pfahlgründung.

Das Parkhaus ist in einer Stahlskelettbauweise mit Betonfertigteildecken geplant. Dies lässt eine schnelle und wirtschaftliche Systembauweise zu. Die Treppenkerne sind zur horizontalen Aussteifung in Beton konzipiert. Das Abrücken des Parkhauses erlaubt eine einfache Realisierung in zwei Bauabschnitten und lässt Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungen offen.

Umwelt, Energie und Wirtschaftlichkeit
Das Gebäudekonzept verfolgt das Ziel, die vielfältigen Anforderungen des nachhaltigen Bauens ohne Kompromisse im Sinne von technologiereduzierten, umweltfreundlichen, bedarfsgerechten und kosteneffizienten Lösungen zu realisieren.

Die kompakte Gebäudegeometrie ist auf die Funktionen im Innenraum optimiert und bewirkt so ein klimapositives Gebäudekonzept. Durch reduzierte Fensterflächen wird Überhitzung vermieden, tiefe Fensterlaibungen ergeben einen natürlichen Sonnenschutz. Die kompakte Bauweise und die gelungene Balance des Fensterflächenteils zu geschlossenen Fassadenteilen sorgen dafür, dass eine höchstmögliche Tageslichtausbeute, ein Optimum an solarem Wärmegewinn im Winter und ein Minimum an solarer Einstrahlung im Sommer gegeben sind.

Die Verbindung der massiven Außenwände mit dem Lehmputz im Inneren sorgt für ein konstantes und nutzerfreundliches Raumklima. Die Bibliotheksräume werden über die Fußbodenheizung vortemperiert und können für Veranstaltungen bedarfsgerecht mechanisch belüftet und über ein Heizregister mit Wärmerückgewinnung in der Lüftungsanlage zudem effizient und bedarfsgerecht beheizt werden. Die Büroräume im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss werden über eine Fußbodenheizung konditioniert. Die Lüftung dort erfolgt über eine natürliche Fensterlüftung.

Energiepfähle sorgen in Verbindung mit einer Wärmepumpe für eine nachhaltige Energiegewinnung. Die große ca. 500 kWp-PV-Anlage auf dem Parkhausdach erzeugt ausreichend Strom für Parkhaus, Bürgerforum und Wärmepumpe, genauso wie für E-Autos und E-Bikes. Zukünftig ist eine Kombination mit Speichermöglichkeiten denkbar die den Energiebedarf auch nachts decken. Mit dem vorgeschlagenen Energiekonzept kann ein KFW-40-Standard erreicht werden.

Eine intensive Dachbegrünung des Bürgerforums aus Lavendel und die Dachbegrünung des Parkhauses sorgen für eine Verbesserung des Mikro- und Stadtklimas. Die Grünfassade des Parkhauses wird etagenweise durch in einer Zisterne gesammeltes Regenwasser vom Dach bewässert und reduziert damit Wasserverbrauch und Pflege-und Kostenaufwand.

Dauerhaftigkeit, Ressourcenschonung und stoffliche Wiederverwertungsmöglichkeiten im Sinne einer konsequenten Kreislaufwirtschaft werden mit der Planung umgesetzt. Als Beispiele seien hier nur die Verwendung von RC- Beton und die Vermeidung von Klebe-Verbindungen angeführt. Auch bei den anderen verwendeten Materialien sind Wirtschaftlichkeit, Rückbaufähigkeit und Lebenszykluskosten im Blick. Durch den nutzungsoptimierten Komfort werden Betriebskosten minimiert. Mit dem dargestellten Gebäudekonzept werden die Voraussetzungen für ein DGNB-Siegel in Gold-Standard gegeben sein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau
Eine Gebäudefuge zwischen Parkhaus und Bürgerforum soll die beiden Gebäudeteile in ihrer Identität ablesbar machen. Das Bürgerforum besitzt dabei eine relativ kleine Grundfläche und ist als kompakter Baukörper gestaltet. Die Maßstäblichkeit am Ort ist durch diese Kompaktheit und die Gliederung der Baumasse gelungen.

Gestaltung
Das Bürgerforum wirkt mit seiner Ziegelfassade mit sehr geringem Öffnungsanteil sehr verschlossen. Die Anmutung dieser Fassade wird äußerst kritisch gesehen und lässt eine einladende Geste vermissen. Eine stärkere Interaktion mit dem umliegenden Stadtraum wäre wünschenswert. Die Parkhausfassaden erhalten eine bodengebundene Fassadenbegrünung und sind damit als Systemparkhaus denkbar. In der Ausgestaltung der Innenräume, insbesondere des zentralen Foyers, wäre eine größere Materialdifferenzierung wünschenswert gewesen, die angebotenen Putzflächen der Wände wirken im Vergleich banal.

Funktion
Positiv bewertet wird , dass der Entwurf aufgrund der geringen Gebäudelänge im Inneren ohne Höhenversprünge auskommt. Ein funktionaler Mangel besteht in dem nicht gelösten Übergang vom Parkhaus ins Forum. Ansonsten erscheinen die Funktionen logisch zueinander angeordnet. Das Foyer des Forums sowie das Café erhalten zum Platz zwei trennbare Eingänge, was begrüßt wird. Die Geschosse werden durch eine durchläufige Kaskadentreppe mit Luftraum erschlossen. Diese Treppe endet im 1. und 2.OG in den Bibliotheksbereichen. Mit sparsamen architektonischen Mitteln wird hierdurch eine gelungene räumliche Situation in der Vertikalen erzeugt. Hinsichtlich der Barrierefreiheit sind die Grundrisse auch im Vergleich zu anderen Arbeiten gut gelöst, da es keine Höhenversprünge in den Ebenen gibt. Das Raumprogramm wird erfüllt, die planungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften werden eingehalten.

Wirtschaftlichkeit
Aspekte der Wirtschaftlichkeit werden positiv bewertet. Der Entwurf kommt mit einer vergleichbar kleinen BGF und BRI aus. Die angebotenen Konstruktionen sind konventionell und versprechen deshalb auch eine wirtschaftliche Umsetzbarkeit. Fragen der Ökologie werden hierbei nicht berücksichtigt, besondere Innovationsaspekte zum Thema Nachhaltigkeit sind nicht erkennbar. Gewürdigt wird bei dieser Arbeit der konzeptionell positive Ansatz, die Planungsaufgabe mit sparsamen Mitteln zu lösen. Allerdings kann der Entwurf in seiner architektonischen Ausarbeitung nicht überzeugen.