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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2014

Stadtmitte

Engere Wahl

Markus Schlosser Architekten

Architektur

Terraform - Sandra Bartoli und Andreas Ziegeler

Landschaftsarchitektur

Fichtner Water & Transportation GmbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Ausgangspunkt unserer Überlegungen für die Entwicklung der Stadtmitte Erbach ist nicht die Neuerfindung des Stadtzentrums von Grund auf, sondern die Herausarbeitung und Stärkung der vorhandenen Qualitäten zur Entwicklung einer spezifischen Identität.
Mit wenigen gezielten, inhaltlichen und strukturellen Maßnahmen kann sich der westliche Teil der Innenstadt wieder zu einem attraktiven und bewohnten Ortszentrum entwickeln, welches als solches auch erlebbar ist.

Die grünen Höfe von Erbach | Räume zum Leben - Standorte für Wirtschaft und Kultur

Landwirtschaftliche Hofstellen prägten und prägen noch immer die innerstädtischen Gebäudestrukturen und damit das Ortsbild von Erbach in hohem Maße. Deren Hofräume, welche sich gleichsam wie Taschen insbesondere an der Nord- und Ostseite der Erlenbachstraße an diese anlagern, begreifen wir als Chance für eine Entwicklung mit eigenem Charakter.
Die bestehenden öffentlichen Plätze einbeziehend, wird eine Perlenkette von grünen Stadträumen entwickelt, welche unmittelbar an der Hauptstraße Aufenthaltsqualitäten und ein breites Nutzungsspektrum anbieten. Mit angelagerten kulturellen, öffentlichen, gewerblichen und gastronomischen Nutzungen reicht die Palette vom Stadtplatz über den Quartierstreff, den „Hofladen“ und den Cafégarten bis hin zum privaten Grünraum. Aktive Vereinskultur, Kommunikation und Einrichtungen für Senioren werden unterstützt.
Die Hofstrukturen bieten Einblicke in die Tiefe sowie vielfältige Möglichkeiten der Wegeverbindungen in die Quartiere hinein und durch sie hindurch. Die typische Vegetation der bäuerlichen Gärten kann hier, in „urbanisierter“ Form, ein begleitendes und identitätsstiftendes Element bilden. Das zweite wiederkehrende Element ist das Wasser. Jeder Platz, nahezu jeder Hof erhält einen seiner Nutzung angemessenen und entsprechend platzierten Brunnen.

Bücherei am Stadtgarten | Präsenz im Stadtraum - Öffnung zum Park

Gegenüber dem bislang bestehenden Standort wird mit einem Neubau für die Stadtbücherei nebst Saal für 150 Personen und dem Jugendclub ein kultureller Schwerpunkt geschaffen. Der Ort bildet ein Pendant zum Bereich um das Rathaus und stärkt die öffentlich relevanten Funktionen entlang der Erlenbachstraße (Post, Rathaus, Läden, Bank, Ärzte). Das Gebäude ist durchlässig konzipiert und orientiert sich sowohl zum Vorplatz („Grüner Hof“) wie auch zum nördlich anschließenden, neuen Stadtgarten.

Morphologie eines Typus | Transformation des freistehenden Hauses zum städtischen Ensemble

Typologie und Struktur der Neubebauungen werden aus dem Bestand heraus entwickelt. Giebelständige, zwei- bis dreigeschossige Satteldachhäuser („Erbacher Haus“) bilden kleinteilige Bebauungsstrukturen, vornehmlich organisiert in zwei verschiedenen Ordnungssystemen.
Die südliche Kante der Erlenbachstraße und der Donaustetter Straße wird durch ergänzende Neubauten räumlich stärker gefasst. Durch die Aneinanderreihung des „Erbacher Hauses“ zu Zweier-, Dreier- und Vierergruppen, wird ein neuer, städtischer Typus geschaffen, welcher in den Erdgeschosszonen Flexibilität für kleinteilige bis mittelgroße Nutzungen (Spezialgeschäfte, Dienstleistungen, Gastronomie) bietet. Nördlich des Kinderhauses schlagen wir im Erdgeschoss unter anderem eine Fahrradstation vor, mit Service und Beratung zur Intensivierung des Fahrradtourismus in der Region Erbach. Die Obergeschosse sind sehr gut für städtische Geschosswohnungen geeignet.

Wohnen in den Obstbaumwiesen | Zentral im Ortskern - Mitten im Grünen

Städtisches Wohnen mit Grünanteil für alle Generationen und unterschiedlichen Wohnformen bildet den funktionalen Schwerpunkt der Innenentwicklung und Nachverdichtung. Die Anordnung der Gebäude des zweiten Ordnungssystems „in zweiter Reihe“ orientiert sich beidseits der Erlenbachstraße an der Giebelständigkeit der Häuser an der Straße, jedoch eingebettet in die teilweise noch vorhandenen Obstbaumwiesen der ehemaligen Hofstellen. Kleine Quartiersplätze mit Kinderspielflächen wechseln sich hier ab mit (Obst-) Gärten und Rasenflächen für die Bewohner und Nachbarn. Individuelles Leben und gemeinschaftliche Aktivitäten sind auf Quartiersebene verankert.
Die Gebäude sind Ost-West orientiert und bieten vielfältige, wirtschaftliche Optionen zur Organisation verschiedenster Wohnungsgrößen und -typologien.

Die Erlenbachstraße | Hauptschlagader mit Anziehungskraft

Die Erlenbachstraße erhält als Entwicklungsachse der Stadt ein neues Gesicht. Die Monofunktion für den KFZ-Verkehr wird zurückgenommen, die gesamte Straße vom Knotenpunkt Wagnerstraße bis zum südlichen Kreisel mit hellem Werksteinmaterial gepflastert (Diagonalverband im Splittbett mit Fugenstabilisatoren für Schwerlastverkehr). Das gleiche Material wird, in unterschiedlicher Verlegeart und Aufbau, für die Gehwege verwendet. Ein abgeschrägter, 5 cm hoher Bordstein (Berliner Kissen) trennt die Bereiche ohne eine Barriere zu bilden. An den Knotenpunkten werden die Kurvenradien auf eine notwendiges Maß reduziert.
Die Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 20 bzw. 30 km/h in Kombination mit einer fahrbahnbreite von 6 m geben dem Straßenraum Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer zurück. Die Gehwege werden breiter und können Vorbereiche für Geschäfte oder Gastronomie genutzt werden.
Unterstützt wird die Aufwertung des Straßenraums durch eine kontinuierliche lichte Baumreihe auf der Südseite sowie punktuell verteilten Blumenkübeln und Bänken. Die Beleuchtung wird durchgängig vereinheitlicht und der qualitativen Situation angepasst. Die Erlenbachstraße wird zum Boulevard.
Der Abschnitt zwischen dem Knotenpunkt Donaustetter Straße und dem Kreisel Süd wird verkehrsberuhigt. In der Donaustetter Straße werden die in der Erlenbachstraße verwendeten Beläge weitergeführt.

Wegenetz und Parken | Verbindung und Orientierung

Im Stadtzentrum wird durch wenige Neuverknüpfungen ein dichtes Netz an Fuß- und Radwegen aufgebaut und an die den Kern umgebenden Bereiche angebunden. Ein neuer Fußweg verbindet z.B. direkt den Bereich „Auf der Wühre“ mit der Stadthalle und der Schule im Norden, das Naherholungsgebiet in den Brühlwiesen ist über eine neue Anliegerstraße im Nordwesten an das Zentrum angebunden.
Die Straßen „Am Bach“ und „Auf der Wühre“ werden vollflächig gepflastert und sind als Mischverkehrsfläche ausgewiesen. An den Brücken über den Erlenbach werden jeweils besondere Orte geschaffen, z.B. ein Biergarten südlich des Rathauses, die „Stadtloggia“ unterhalb des Kinderhauses und ein multifunktionaler Platz am Übergang zur Stadtbücherei. Der Fuß- und Radweg am Erlenbach entlang wird durchgängig auf ca. 2,50 m verbreitert und verläuft direkt an der jeweiligen Bachmauer, der Bach ist somit jederzeit präsent.
Die öffentlichen Stellplätze entlang der Erlenbachstraße werden deutlich reduziert (die verbleibenden durch größere Länge komfortabler) und durch neue Stellplätze, unter der rückseitigen Erweiterung des Rathauses und im Bereich der Stadtbücherei, kompensiert. Der aus der Neubebauung resultierende private Stellplatzbedarf wird in lokalen, teilweise zusammenhängenden Tiefgaragen und durch einige oberirdische Stellplätze abgedeckt.

Erlenbach | Vernetzung im Stadtbild – Entwicklung eines Naturraums

Der Erlenbach wird in seiner Lage zwischen den Hochwasserschutzwänden als ein Naturraum besonderer Art aufgefasst und entwickelt. Hier werden verschiedene Abschnitte zurückhaltend mit jeweils thematisch differenzierter, bachraumspezifischer und hochwasserresistenter Vegetation definiert.

Wasser zum Anfassen | Stadtloggia auf der Wühre

Im Bereich „Auf der Wühre“ bietet sich die Chance, den Bachraum aufzuweiten und zugänglich zu machen. Hier schlagen wir die Anlage einer „Stadtloggia“ vor, eine berankte Pergola mit Sitzbänken begleitet eine Stufenanlage zum Bach. Dort komplettiert eine bespielbare Kiesinsel die räumliche Situation, die begrünte Wand am jenseitigen Ufer bildet Hintergrund und Kulisse gleichermaßen.
Das Wasser rückt hier buchstäblich zum Greifen nah, der Ort lädt zum Verweilen ein, Stufenanlage und Insel bieten Raum für unterschiedlichste Aktivitäten aller Bevölkerungsteile.

Einkaufen für Alle | Durchlässiger Einzelhandel zwischen Zentrum und Bundesstraße

Entlang der Bundesstraße 311 definieren Gebäude für großflächigen Einzelhandel (Nahbereichsversorgung) den östlichen Rand der westlichen Innenstadt. In einer der urbanen Situation angepassten Typologie sind auf bis zu zwei Etagen Größen von maximal 900 bis 2.700 m² BGF möglich.
Der Einzelhandel für den täglichen Bedarf und die Nahversorgung wird damit langfristig diesseits der B 311 angesiedelt und ist sowohl zur Bundesstraße präsent als auch vom Stadtzentrum aus fußläufig und mit dem Fahrrad erreichbar.
Die PKW-Erschließung und der Lieferverkehr erfolgen von der Donaustetter Straße aus. Die Stellplätze sind je nach Nutzung oberirdisch sowie ggf. ergänzend in Tiefgaragen angeordnet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Es werden durchgehend giebelständige Wohnhäuser mit fußläufigen Verbindungswegen
und kleinen Aufenthaltsräumen vorgeschlagen. Dies wirkt sehr stringent und wird nicht als passende Antwort auf die Erbacher Maßstäblichkeit und Struktur angesehen. Die Neustrukturierung der Zone südlich der Donaustetter Straße zeigt interessante Ansätze. Die ergänzenden Handelsnutzungen an der Ehinger Straße sind gut vorstellbar.

Die öffentliche Nutzung Stadtbücherei mit Saal sitzt mit ihrem Vorplatz an der richtigen Stelle als Pendant zum Rathausplatz. Gleichzeitig kann diese Nutzung durch den vorgeschlagenen Stadtgarten attraktiv in Szene gesetzt werden. Die Wohnbebauung entlang der Donaustetter Straße, zum Park orientiert, könnte eine hohe Wohnqualität entfalten.

Auf der nördlichen Seite der Erlenbachstraße wurden die bestehenden Strukturen gut erfasst und durch behutsame Eingriffe eine kontinuierliche Entwicklung sichergestellt. Die Obstbaumwiese und die grünen Höfe, als typisch Erbacher Siedlungsgeschichte könnten Grundlage für die Strukturierung dieser Zone sein. Allerdings führt der schematische Ansatz zu überdimensionierten öffentlichen Räumen und Erschließungen.

Der Erlenbach hingegen wird in seinem jetzigen Verlauf belassen und lediglich im Bereich „Auf der Wühre“ mit einer an dieser Stelle überdimensionierten Stadtloggia aufgeweitet. Wünschenswert wäre durch die Aufweitung des Erlenbachs im Bereich „Am Bach“ eine erlebnisreichere Aufenthaltsqualität des stadteigenen Grundstückes. Öffentliche Räume südlich der Erlenbachstraße sind meist in zweiter Reihe ohne Verknüpfung untereinander dargestellt.

Ein Teil der Längsparker entlang der Erlenbachstraße entspricht nicht der erforderlichen
Breite, es wird keine Verbesserung erzielt. Der gesamte Straßenraum wird ab Wagnerstraße bis zum südlichen Ende des Plangebietes durchgehend gepflastert. Eine Differenzierung von besonderen räumlichen Situationen wird vermisst. Ein durchgängiger Rad- und Fußweg nur entlang des Erlenbachs mit einer Breite von 2,50 m (Mindestmaß), kann auf diesem Weg nur wenig Aufenthaltsqualität am Bach entstehen lassen. Auf eine gesonderte Radverkehrsinfrastruktur und Querungsunterstützungen entlang der Erlenbachstraße wird verzichtet.

Trotz Ausweisung der Südlichen Erlenbachstraße als Spielstraße werden keine Gestaltungsunterschiede in Struktur oder Form gewählt. Die Seitenstraßen werden als Spielstraßen ausgewiesen, es erfolgt aber keine gestalterische Differenzierung. Die stufenweise Umsetzung des Vertiefungsbereiches ist erst mittelfristig möglich. Innerhalb dieser Struktur fehlt ein mögliches Impulsprojekt.

Der durch das Projekt erzielbare städtebauliche und imagebezogene Gewinn steht eher in einem ungünstigen Verhältnis zu den zu erwartenden Aufwendungen der öffentlichen Hand. Der Planungsvorschlag beinhaltet grundsätzlich interessante und verfolgenswerte Ansätze, kommt aber über eine schematische Ausformulierung nicht hinaus.