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Gutachterverfahren | 01/2016

Neubauvorhaben "Straße am Flugplatz" Johannisthal

2. Rang

Kaden + Lager

Architektur

Erläuterungstext

Umgebung
Das Gebiet westlich des ehemaligen Flugplatz Johannisthal in Berlin–Adlershof ist geprägt von Einfamilienhäusern. Richtung Nordwesten findet ein unvermittelter Wechsel statt: große Zeilenbebauungen dominieren den Bereich nördlich der Stubenrauchstraße. Spannend sind Blickbeziehungen zwischen beiden Strukturen.

Grundstück
Dem Entwurfsgrundstück kommt nicht zuletzt aufgrund seiner Lage im Übergangsbereich besondere Bedeutung zu. Durch das Gutachterverfahren besteht die Möglichkeit, den Übergang zwischen Einfamilienhäusern und großen Wohnbauten zu formulieren. Erklärtes Ziel des Entwurfs ist es, sowohl eine Brücke zu schlagen hin zur kleinteiligen Struktur der Einfamilienhäuser als auch auf die größeren Strukturen der Zeilen- und Blockbebauung zu reagieren. Weiter steht die Vielfalt der Durchblicke im Fokus, die sich aus dem Maßstab der Einfamilienhäuser systembedingt ergibt.

Form + Raum
Zwei Ringe prägen die Gestalt des Entwurfs. Diese werden gebildet aus aneinandergereihten Ringsegmenten, welche mit jeweils 45 bis 90 Metern Länge deutlich kleiner ausfallen als etwa die Zeilen nördlich des Grundstücks. Die Segmente sind drei bis fünf Geschosse hoch. Zwei bis dreigeschossige Punkthäuser im Randbereich stellen den strukturellen Übergang zur Umgebung her. Durch gezielt gesetzte Öffnungen ergeben sich wichtige Blickbezüge und Wegeverbindungen: Bewohner wir Nachbarn erleben ein offenes, transparentes und klares Neubaugebiet.
Die Umgebung wird über eine fußläufige Ost-West-Verbindung mit dem Entwurfsgebiet verstrickt. Hier befinden sich zwei bis drei kleine Läden, Cafés oder ähnliche Gewerberäume, die zur Steigerung der sozialen Qualität des Gebiets beitragen.

Wohnraum
Der Entwurf bietet Platz für 251 Wohnungen. Alle Wohnungen werden von mindestens zwei, viele von drei Seiten belichtet. Durch die Ringform ist der Wohnungsschlüssel flexibel und kann nahezu beliebig angepasst werden.
Die Eingänge zu den Häusern und Wohnungen fördern nachbarschaftliche Gemeinschaften durch gezielte Anordnung und Ausrichtung. Die Punkthäuser werden typoligsch bedingt zentral erschlossen, die Ringsegmente per Laubengang. Die Laubengänge sind gen Norden geplant. Diese je Ring wechselweise Anordnung sorgt für Vielfalt und Auflockerung der vermeintlichen Großform. Homogenität wird so verhindert, die Innenbereiche der Ringe werden durch alltägliche Nutzung belebt, aber nicht überstrapaziert.
Die Laubengänge fungieren neben der Erschließung als eine Art nachbarschaftlicher Balkon. Die Wohnungen sind so konzipiert, dass Küchen und Arbeitszimmer den Laubengängen zugeordnet sind und diesen so interessant machen. Es ergibt sich neben visuellen Bezügen auch direkte Kommunikation zwischen Außen und Innen, Bewohnern und „Passanten“ auf dem Laubengang.

Außenraum + Ruhender Verkehr
Weiterer Garant für städtebauliche Qualität des neuen Quartiers ist die Unterbringung des ruhenden Verkehrs in einem Parkdeck, das sich innerhalb der Ringe ergibt. In ein bzw. zwei Reihen werden 90 Prozent der Stellplätze bereitgestellt. Überdacht. Das Zentrum dieser Flächen bleibt unberührt: Hier können große Bäume gepflanzt werden und Niederschlagswasser natürlich versickern. Insgesamt führt diese Lösung zu maximal hohem Anteil unversiegelter Fläche im Entwurfsgebiet: rd. 10.000 m² bleiben unberührt bzw. können als Grünfläche vielfältig genutzt werden. Zusätzlich zu privatem Außenraum durch Loggia oder Balkon für jede der 251 Wohnungen kann die Freifläche vielfältig genutzt werden. Spielflächen werden dezentral angeordnet. So wird das Angebot größer und vor allem einer größeren Anzahl an Nutzergruppen gerecht [Kindern verschiedener Altersstufen].
Die Entsorgung ist an den Einfahrten zum Parkdeck angeordnet bzw. als Unterflurelement im Bereich der Durchwegung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Büro Kaden + Lager schlägt für das Grundstück eine starke städtebauliche Figur in Form von zwei unterschiedlich dimensionierten ringförmigen Gebäuden vor, die an den Randbereichen um elf Einzelhäuser ergänzt werden. Unter landschaftlich gestalteten grünen „Hügeln“ im Inneren der Ringe liegen halb in den Boden versenkte Parkdecks. Wenige ergänzende oberirdische Stellplätze befinden sich an der Zufahrt zur Straße am Flugplatz. Die KfZ-Erschließung des Wohnquartiers beschränkt sich also auf zwei kurze Zufahrten in das Zentrum der Ringe; darüber hinaus ist die Siedlung autofrei.
Die kreisförmigen Baukörpersegmente schaffen eine hohe Identität für das Projekt. Unterbrechungen und Höhenstaffelungen gliedern die Ringsegmente in Einzelbausteine, so dass sich die Baukörper, insbesondere auch aufgrund der Auflockerung der Strukturen in den Randbereichen, in den Maßstab des Gebietes einfügen und weniger als Großform wahrgenommen werden.
Die Einzelbausteine (Solitäre) entlang der Straße am Flugplatz sind konzeptionell nachvollziehbar; allerdings wird die doch eher zufällig wirkende Setzung und die fehlende straßenbegleitende Bebauung als nicht typisch für die Umgebung erachtet. Im Bereich der II-Geschossigkeit wird die raumbildende Gebäudestruktur hinterfragt.
Die nach den Himmelsrichtungen ausgelegte Laubengangerschließung der Ringe wird grundsätzlich als mögliche und gute Variante für Mehrspänner gelobt. Eine Differenzierung der dort vorhandenen Wege- und Kommunikationsflächen wird jedoch angeregt.
Im Hinblick auf die Wohnungstypologien bezweifelt das Entscheidungsgremium in den Kreissegmenten die Möglichkeiten einer guten funktionalen Ausarbeitung der einseitig erschlossenen, schlanken (schlauchig wirkenden) Wohnungseinheiten in kompakte Wohnungsgrundrisse. Die Laubengangerschließung zwingt aufgrund der gewählten Gebäudetiefe auch Aufenthaltsräume darauf auszurichten. Die gewählte Erschließungstypologie der Punkthäuser als 2-Spänner entspricht nicht dem geforderten Produkt preiswerten Wohnraums.
Zusammenfassend wird die Wirtschaftlichkeit zwischen Wohn- und Erschließungsfläche bei der Kreisfigur honoriert und bei den Solitären kritisch bewertet.
Die Anordnung von zentralen halb versenkten Stellplatzanlagen wird als städtebaulich überzeugend wahrgenommen, jedoch die Wirtschaftlichkeit angezweifelt. Die Freiflächenplanung ist im Vergleich der Entwürfe weniger ausgearbeitet und weniger differenziert.
Die fußläufige Wegebeziehung zwischen den beiden Ringen hindurch überzeugt durch die Abwechslung zwischen Verengung und Aufweitung des öffentlichen Raums. Allerdings wird das „Umspülen“ der Einzelhäuser mit Freiraum ohne Differenzierung von privat und öffentlich bzw. vorne und hinten für die niedriggeschossigen Gebäude und für die daraus resultierende Wohnqualität als kritisch diskutiert.
Die besondere Qualität der kreisrunden Innenhöfe wird gestalterisch nicht ausgearbeitet. Es fehlt an einer darauf aufbauenden Konzeptidee. Die Gebäudeabstände (runder Innenhof) im Bezug zur umgebenden Geschossigkeit werden als eher überdimensioniert wahrgenommen.