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Offener Wettbewerb | 07/2020

Internationaler Städtebaulicher Ideenwettbewerb Berlin-Brandenburg 2070

Sternarchipel Berlin – Brandenburg

3. Preis

Preisgeld: 40.000 EUR

Jordi & Keller Architekten

Architektur

Pellnitz Architektur und Städtebau

Architektur

Christina Kautz Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Stadtfalter c/o Ludwig Krause

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

STERNARCHIPEL BERLIN-BRANDENBURG 2070

Städtebauliches Entwicklungskonzept

Berlin-Brandenburg ist aus verschiedenen Dörfern und Städten entstanden. Diese Entwicklung hat zu einem Archipel von Zentren innerhalb und außerhalb Berlins geführt, die durch sternförmig ausgehende Radialen und Bahnringe miteinander verbunden sind.

Innerhalb des Hundekopfes ist die Struktur durch Grüninseln im dichten, großstädtischen Häusermeer, außerhalb durch Siedlungsinseln in Grün- und Naturräumen geprägt. Zwischen den Strahlen der sternförmigen Entwicklung Berlins ragen die großen Landschaftsräume bis weit in die Mitte der Metropolregion hinein.

Dieses Sternarchipel mit seiner Dialektik von Bebauung und Natur stellt eine der größten Qualitäten und Potentiale der Metropolregion Berlin-Brandenburg dar, die es zu stärken und weiterzuentwickeln gilt. Neue Bau- und Wohnflächen sollen vor allem innerhalb dieser Struktur als Konversion, Verdichtung und Qualifizierung von bestehenden Siedlungsflächen entstehen.

Das aktuelle Leitbild eines Siedlungssterns für die Metropoloregion Berlin-Brandenburg wird mit dem hier vorgeschlagenen Leitbild des Sternarchipels erweitert und differenziert. Der Begriff des Siedlungssterns und auch seine Visualisierung im Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg evoziert eine uneingeschränkte Verdichtung innerhalb des Siedlungssterns und berücksichtigt damit nicht seine vielfältige Durchdringung mit Naturräumen. Der Begriff des Sternarchipels, der sowohl an das Konzept von Berlin als „grünes Archipel“ als auch an Ideen des Groß-Berlin-Wettbewerbs von 1910 anknüpft, will diese dialektische Durchdringung von Stadt und Natur als neues Leitbild vorschlagen.

Dezentralisierungsziel

Dem Dezentralisierungsziel der Bundesregierung zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse vor allem im strukturschwächeren ländlichen Raum folgend geht das städtebauliche Entwicklungskonzept langfristig von einer Stärkung der vorhandenen Städte Brandenburgs auch zur Entlastung Berlins aus. Nach Flächenschätzungen können mit den hier vorgeschlagenen Maßnahmen bis um das Doppelte an Einwohnern in die Metropolenregion aufgenommen werden, ohne einen Qualitätsverlust der Freiräume zu erleben und nur mit minimaler zusätzlicher Bodenversiegelung.

Bahnringe

Im Raum Berlin-Brandenburg werden neben dem Hundekopf und dem Berliner Außenring zwei weitere Bahnringe angelegt, die vorhandene Zentren an den von Berlin ausgehenden Bahnradialen miteinander verbinden, stärken und eine Entlastung des Durchgangsverkehrs durch Berlin ermöglichen. Der 3. Ring wird zu großen Teilen auf vorhandenen Bahngleisen oder direkt am Berliner Autobahnring entlanggeführt und verbindet Orte wie Oranienburg, Bernau, Straußberg, Königs Wusterhausen, Beelitz und Nauen miteinander. Der 4. Ring verbindet die Städte der sogenannten zweiten Reihe wie Brandenburg an der Havel, Frankfurt an der Oder und Cottbus. Beide Ringe bieten auch die Möglichkeit, neue Standorte für Industrie, Verwaltung und Gewerbe (aktuell z.B. Tesla) mit den nächsten Orten am jeweiligen Ring zu verknüpfen. Dadurch erhalten diese Orte sowohl eine Nähe zu den Neuansiedlungen als auch zu Berlin.

Teilraum Brandenburg an der Havel

Die Stärkung der sogenannten Städte in der zweiten Reihe wie Brandenburg an der Havel, Frankfurt an der Oder oder Cottbus ist einer der zentralen Punkte des strategischen Entwicklungskonzeptes. Die großen Qualitäten dieser Städte – ihre Einbettung in die Landschaft, ihre historischen Stadtkerne und die gute Erreichbarkeit der Großstadt Berlin – prädestinieren sie für eine Rolle als wichtige Oberzentren in der Region. Bei der Entwicklung dieser Städte gilt es, die historische Entwicklung dieser Städte und die enge Verbindung und Durchdringung von Stadt und Natur weiterzuentwickeln.

Exemplarisch für diese Städte der zweiten Reihe steht die Stadt Brandenburg an der Havel. Die vorhandenen Strukturen und die landschaftlichen und organischen Elemente der Stadt werden aufgenommen und weitergeführt. Die existierende Bebauung mit ihren Blockstrukturen wird weiter verdichtet und bis an den Rand der Stadt geführt, so dass hier klare Kanten zum umgebenden Landschaftsraum entstehen. Dabei werden einerseits die organischen Formen der Stadt, die sich im historischen Zentrum finden lassen, andererseits typische Elemente der industriellen Entwicklung wie Hochsilos in Form von neuen Hochpunkten thematisiert. Gleichzeitig durchdringen die Naturräume jedoch auch die Stadt, so dass sich Stadt und Natur auf vielfältige Weise wieder verbinden.

Teilraum Westkreuz

Beispielhaft für die Grundideen des Gesamtplanes steht die Planung für den Bereich um das Westkreuz: die Verdichtung innerhalb der Siedlungsgrenzen, die Überbauung und Konversion von Verkehrs- und Restflächen und die Stärkung der Kreuzungspunkte von Bahnringen und Bahnradialen.

Der S-Bahnhof Westkreuz wird zum Regionalbahnhof ausgebaut, der wie beim Süd-, Ost- und Nordkreuz (Gesundbrunnen) einen Umstieg von den Regionalbahnen aus dem Umland auf den S-Bahnring ermöglicht. Die Autobahn wird unterirdisch geführt und zu Teilen zurückgebaut und somit ihre fatale Barrierewirkung beseitigt. Auf dem großräumigen Areal wird ein dichtes, sozial und funktional gemischtes Stadtquartier geplant und mit den umliegenden Quartieren gut vernetzt.

Am Westkreuz werden wie an den anderen drei Bahnkreuzen Süd-, Ost- und Nordkreuz jeweils zwei Hochhäuser als Tor zur Berliner Innenstadt von rund 100-200 m Höhe errichtet. Diese Hochhauspaare rahmen die Hochhausgruppen an den zentralen Orten der Berliner Innenstadt.

Zu großen Teilen auf den alten Bahngleisen wird ein Park angelegt, der den Grunewald über den Lietzenseepark mit der Ost-West-Achse verbindet. Die Ost-West-Achse wird zu einem grünen Boulevard mit Baumreihen und einer Fahrradschnellstraße in der Mitte ausgebaut.

Teilraum Berlin-Mitte

Die Metropolregion Berlin-Brandenburg kann nicht ohne ihr Zentrum, der historischen Mitte von Berlin gedacht werden. Auch wenn die strategische Entwicklung im vorliegenden Konzept vor allem eine Stärkung der Städte an den Ringen vorsieht, spielt Berlins Zentrum für die gesamte Region eine zentrale Rolle. Die historische Entwicklung Berlins von der kleinen Siedlung über die Königsstadt bis hin zum politischen Zentrum Deutschlands kann nur hier abgelesen werden. Ebenso strahlen die Kultureinrichtungen im Zentrum der Stadt auf die gesamte Metropoloregion aus.

Für den mittelalterlichen Kern wird vorgeschlagen, die vorhandenen DDR-Bauten mit einer kritischen Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses in einen Dialog treten zu lassen, um so die lange Geschichte der Stadt Berlin wieder ablesbar zu machen und durch die historischen Adressen wieder an die einzelnen Geschichten der Häuser erinnern zu können. Östlich des mittelalterlichen Zentrums von Berlin wird Lennés Projekt der „Schmuck- und Grenzzüge“ aufgegriffen: die Verbindung vom Engelbecken über den Straußberger Platz zum Volkspark Friedrichshain wird zu einem durchgehenden Grünzug ausgebildet und über großstädtische Platzfiguren monumentalisiert.

Strategische Überlegungen zum Prozeß

Bis heute gibt es keinen gemeinsamen länderübergreifenden öffentlichen Diskurs zur strategischen Entwicklung der Metropoloregion Berlin-Brandenburg. Der Wettbewerb Berlin-Brandenburg 2070 bietet mit seinen Plänen und Bildern die große Chance, diese Diskussion anzustoßen und voranzubringen. Die Preisträger des Wettbewerbs sollten in einem mehrjährigen öffentlichen Dialogverfahren in Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Landesplanung und im Austausch mit den Bürgern der beiden Länder ein gemeinsames Gesamtkonzept für die langfristige Entwicklung erarbeiten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag verdichtet die Metropolenregion auf der Basis folgender Perspektiven:
1. Die Verdoppelung der Bevölkerungszahl bis 2070 wird vorrangig auf bestehende Städte des Städtekranzes konzentriert, wodurch Berlin vom Wachstumsdruck entlastet wird.
2. Ausgehend vom Leitbild des Siedlungssterns werde nur bestehende Siedlungsflächen verdichtet sowie Konversionsflächen und Brachen neu bebaut.
3. Ein hochwertiger kontextueller Orts‐ und Städtebau fügt sich elastisch in bestehende Strukturen ein: Fragmentierte Teile werden zu Ende gedacht und maßstäblich architektonisch lebendig ergänzt und weiterentwickelt sowie bis an die Siedlungskante zum angrenzenden Naturraum projektiert. Wichtig ist die klare Unterscheidung von öffentlichen und privaten Räumen.
4. Ausgegangen wird von einem ring‐radialen System des Verkehrs, wobei der 3. und 4. Ring von der Jury in Frage gestellt wird.

Exemplarisch dargestellt wird das Konzept an drei Teilräumen. Die Stadt Brandenburg an der Havel ist eindrucksvoll in die Landschaft eingebettet und von Berlin aus gut erreichbar und umgekehrt. Die vorhandenen landschaftlichen Elemente werden aufgenommen, die existierenden Strukturen ergänzt und verdichtet. Die Kante der Stadtstruktur gewinnt an Prägnanz gegenüber der Landschaft. Gleichzeitig werden die öffentlichen Räume mit ihren Straßen, Plätzen, Parks und Höfen als komplexe Sequenz mit hohem Erlebniswert herausgearbeitet. Am Westkreuz entsteht analog durch die unterirdische Führung der Autobahn A100 bzw. ihrer teilweisen Eliminierung ein großstädtisches Quartier mit einem langen, schmalen Park über den ehemaligen Bahngleisen, der vom Grunewald bis in die Mitte Charlottenburgs führt. Im Teilraum des zentralen Bereichs Berlin Mitte werden ‐ im Widerspruch zu den städtebaulichen Konzepten des Landes Berlins und bei fehlender Berücksichtigung jüngerer baulicher Entwicklungen ‐ sowohl die vorhandenen kleinteiligen Blockstrukturen als auch die solitären Großbauten der Nachkriegszeit weitergedacht und in einen ebenso kontroversen wie spannungsvollen Dialog gebracht. Insbesondere die Lennésche Wassertorachse erfährt eine Aufwertung als Grünzug, der vom Engelbecken über den Straußberger Platz zum Volkspark Friedrichshain geführt wird ‐ eine prägnante, großstädtische Raumfigur.