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Award / Auszeichnung | 02/2021

Deutscher Städtebaupreis 2020

Südmole

Südmole

Strandpark „Waller Sand“ in Bremen – Urbaner Deichbau als Zukunftsaufgabe

DE-28217 Bremen

AUSZEICHNUNG IM STÄDTEBAUPREIS

A24 Landschaft

Landschaftsarchitektur

Sondervermögen Überseestadt der Freien Hansestadt Bremen

Bauherren

Sweco GmbH

Architektur, Bauingenieurwesen, Landschafts- / Umweltplanung

ASP Atelier Schreckenberg Planungsgesellschaft mbH

Landschaftsarchitektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Landschaft und Freiraum

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2015
    Fertigstellung: 01/2021

Projektbeschreibung

Urbaner Raum, dichte Bebauung und nur wenige Schritte weiter: freier Blick, Wind, Natur, Strand und Wasser. Die Parkanlage Waller Sand bildet die äußerste Spitze des mit einer Fläche von rund 300 ha aktuell größten innerstädtischen Entwicklungsgebiets Europas – der Überseestadt Bremen. Bis in die 1990er Jahre wurde das Gebiet rein industriell genutzt. Für die Großschifffahrt wurde der Fluss an der Hafenzufahrt zu einen imposanten Wendezirkel ausgebaut. Hier spannt sich heute die ausgedehnte Sandfläche auf, die den vernachlässigten Ort zu einem Park mit stadtweiter Anziehungskraft wandelte.

Urbaner Hochwasserschutz

Waller Sand demonstriert, wie notwendige technische Infrastrukturen zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels in lebenswerte Räume integriert werden und eine neue, überformte Natur als bewusste, raumbildende Bewältigung der aktuellen Aufgabe des Anthropozäns entstehen kann. Mit einem weichen, fließenden Übergang zwischen Stadt und Wasser macht der neue Park die Weser erlebbar und inszeniert die faszinierende, umgebende Silhouette der Industriegeschichte.

Spundwand als Hochwasserschutzbank

Eine 15 m tiefe Spundwand wurde als Teil des Hochwasserschutzbauwerks errichtet. Der obere sichtbare Teil ist als eine das Projektgebiet umspannende Sitzbank aus Beton ausgeführt, die sowohl von der Park- als auch von der Stadtseite genutzt werden kann. Sie ist ebenso ein konstruktiver Teil des Hochwasserschutzes als auch ein wesentlicher und raumbildender Teil der Freianlage.

Naturerlebnis in der Stadt

Kontrapunkt zur maritimen Dünenlandschaft des Strandparks ist die trockene und doch üppige urbane Wildnis der Südmole. Durch die Erweiterung der besonderen, bestehenden Spontanvegetation auf dem aufgegebenen Gleisschotter mit heimischen Pflanzen wird die gewachsene Landschaft behutsam und systematisch umgestaltet und so akzentuiert und inszeniert.

Die natürliche Vegetation der Dünen greift die regionale Eigenheit der nahen, kargen Nordseeküste auf. Dünengräser sichern die Dünen und halten den Sand des Strands zurück. Windzerzauste Kiefern bilden eine malerische Kulisse und spenden Schatten. Trotz der Anspruchslosigkeit in der Pflege entfaltet sich im Lauf des Jahres eine variantenreiche, blühende Vegetation.

Zentraler Anziehungspunkt des Parks ist der großflächige Strand, der sich zwischen Stadt- und Wasserkante aufspannt. Er transferiert den Sehnsuchtsmoment der maritimen Urlaubslandschaft in den großstädtischen, post-industriellen Hafenkontext und bildet die Schnittstelle, an der Stadt und Natur aneinander stoßen. Die knapp drei Hektar große, nutzungsoffene Fläche entwickelt sich zum stadtweiten Magnet für zahlreiche Freizeitaktivitäten und ist Verknüpfungspunkt mit den umliegenden Stadtteilen Gröpeling und Walle.

Nutzungsoffene Landschaft

Die reduzierte Gestaltung und Nutzungsoffenheit des Strandparks gibt Raum für freies Spiel. Kinder entdecken
die Qualitäten der unbeschriebenen, weiten, weichen Fläche, die zum Spielen anregen ohne etwas vorzugeben.
Sand bietet außerdem, im Gegensatz zu Spielgeräten oder harten Belägen, eine Gestaltungsmöglichkeit. Statt nur einzelne, isolierte Nutzungen bietet ein Strand einen inklusiven Freiraum an, der alle Altersgruppen anzieht.

Ein Wasserspielplatz und ein Beachvolleyballfeld an der Stadtkante ergänzen das Angebot für Spiel mit Wasser und
Bewegung im Sand. Ansonsten lässt die relativ zurückhaltende gestalterische Geste einen unbestimmten Raum für Spontanität
und Eigeninitiative.

Wiederverwertung von Hafenelementen

Den schmalen Vorplatz des Molenturms belebt eine etwa 20 m lange, multifunktionale Holzskulptur zum Klettern und Sitzen. Die imposanten Bongossi- Bohlen aus recycelten Reibhölzern ehemaliger Schleusenwände schaffen eine starke Klammer zur rauen Hafenumgebung und erinnern an den nahegelegenen Holzhafen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit dem Waller Sand hat die Überseestadt in Bremen einen neuen Freiraum und markanten Abschluss zum Wasser gefunden. Eine zum Wendebecken der Hafenanlage weich abfallende und sparsam bepflanzte Sandfläche schafft eine offene und sehr einladende Geste zum Wasser. Sie gibt den Blick weiträumig frei auf die imposante Kulisse des Bremer Weserhafens. Der Weg über die langgestreckte, behutsam instand gesetzte und erstmals zugängliche Landspitze mit dem denkmalgeschützten Molenturm führt die Besucher noch tiefer in die Wasserlandschaft von Fluss und Hafen hinein. Am Waller Sand werden die Schwankungen des Tidenhubs, die Weite der Weser und die gewaltige Dimension des Hafenbeckens mit den von Zeit zu Zeit darin wendenden Containerschiffen sowie das heranwachsende neue Stadtquartier mit einem Blick unmittelbar erfahrbar.

Charakteristisch für die Gestaltung ist ein sensibles Vegetations- und Naturschutzkonzept, eine trotz der schwierigen Topografie barrierefreie Erschließung und ein wohldosiertes Angebot für Spiel und Sport an der Schnittstelle von Stadt und Wasser. Es ist ein Ort mit ebenso hoher Gestaltwie Aufenthaltsqualität und einer atmosphärisch starken Aufladung entstanden, der sich schon nach kurzer Zeit bei den Bremern einer großen Beliebtheit erfreute. Der Waller Sand ist nicht mehr am Rand der Stadt, sondern mittendrin. Über die neue Weserpromenade der Überseestadt und auch durch die neu geschaffenen Fährverbindungen zu den Quartieren am Hafen ist er mit der Umgebung sehr gut vernetzt.

Der Waller Sand ist weit mehr als ein Sehnsuchtsort und attraktiver Freiraum. Schon immer diente dieser Ort dem Hochwasserschutz, eine Aufgabe, die mit dem Klimawandel
und steigenden Wasserpegeln in Zukunft noch bedeutender werden wird. Doch statt der ehemaligen monotonen Steinvorschüttungen als Hochwasserschutz ist es hier gelungen, mit der Freiraumgestaltung und dem Konzept eines urbanen Deichbaus, gemeinsam neue Raumqualitäten zu schaffen. Eine 15m tiefe Spundwand schließt als Teil des Hochwasserschutzbauwerks den Waller Sand zur Überseestadt ab. Ihr oberer sichtbarer Teil ist als eine überlange Sitzbank aus Beton ausgeführt, die sowohl von der Parkals auch von der Stadtseite genutzt werden kann. Sie ist zudem so gestaltet, dass sie an zukünftig ansteigende Überflutungshöhen angepasst werden kann. Der eigentliche Strandpark wurde vor der Spundwand als Landgewinnungsfläche aufgespült. Im Falle einer Sturmflut schwächt er zugleich den Wellenschlag ab.

Der neue Park ist gleichsam ein Natur-Technik-Hybrid, in dem technische und nutzerfreundliche sowie gestalterische Anforderungen in einem langen kooperativen Prozess zur Übereinstimmung gebracht werden konnten. An unvermuteter Stelle ist durch das geduldige Zusammenwirken vieler Akteure und das Zusammenführen unterschiedlicher Programmschienen – vom Hochwasserschutz, über die
Wirtschaftsförderung bis hin zum Städtebau – ein multicodierter öffentlicher Raum und ein wegweisendes Projekt einer blau-grünen Infrastruktur für Bremen entstanden.
Skulptur aus Bongossi-Holz-Bohlen

Skulptur aus Bongossi-Holz-Bohlen

Südmole mit Molenturm

Südmole mit Molenturm

Sitzgelegenheit mit Blick auf den Molenturm

Sitzgelegenheit mit Blick auf den Molenturm

Holzbohlenweg

Holzbohlenweg

Gesamtlageplan

Gesamtlageplan

Sitzbank und Wasserspiel

Sitzbank und Wasserspiel

Sitzbank

Sitzbank

Steinschüttung im Tidebereich

Steinschüttung im Tidebereich

natürliche Dünengräser

natürliche Dünengräser

Strandmöbel

Strandmöbel

Wasserspielplatz

Wasserspielplatz

Beachvolleyballfeld

Beachvolleyballfeld

freies Spiel im Sand

freies Spiel im Sand