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Offener Wettbewerb | 09/2021

Städtebauliche Entwicklung Gaswerkareal und Brückenkopf West im neuen Berner Aarequartier (CH)

4. Rang / 2. Preis

Preisgeld: 30.000 CHF

Oester Pfenninger Architekten AG

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Jenni Architektur und Städtebau

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau GmbH

Landschaftsarchitektur

Barbara Emmenegger Soziologie und Raum

sonstige Fachplanung, Stadtforschung

soundcity

Immissionsschutzplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Beurteilung
Diese Arbeit ist ein sogenanntes «Grassroots»-Projekt, das eine Initiative bezeichnet, die aus der Basis der Bevölkerung entsteht. Das Entwurfsteam schlägt vor, wie auch mehrere andere teilnehmende Büros, möglichst wenig Fläche des Gaswerkareals zu bebauen. Dies führt zu einer erheblichen Konzentration von bebauter Fläche im Norden des Areals. Weiter ist das Entwurfsteam der Meinung, dass es ausreichend neue und bestehende Verdichtungsflächen für Wohnbau in der Stadt Bern gibt, aber ungenügend Fläche für produzierendes Gewerbe, Kreativnutzungen, Kultur und Aneignungsflächen. Die vorgeschlagene Bebauung besteht daher über die Hälfte aus Gewerbe- und Kulturflächen. Die Analyse wird durch das Preisgericht kritisch hinterfragt. Dementsprechend ist das Wohnprogramm stark reduziert. So entsteht an beiden Seiten der Monbijoubrücke zusammen mit der Ryff-Fabrik eine grosse Konzentration um den neu definierten Gaswerkplatz, der zusätzlich vom «Brückenkopfensemble», bestehend aus dem Brückenkopfturm und zwei weiteren Hochpunkten, markiert wird. Die Hauptmasse der Gebäude ist die «Wunschfabrik», ein grosses, zweizeiliges Gebäude mit Innenhof und Satelliten, welches wie ein Raumschiff aussieht, das auf dem Gaswerkareal gelandet ist. Bei näherer Betrachtung zeigt sich das Gebäude aber als ein Konglomerat unterschiedlicher Bauetappen und Nutzungseinheiten, die an einer gemeinsamen Erschliessungsgalerie im Innenhof andocken. Die Galerie befindet sich jeweils auf den drei Hauptebenen: das Erdgeschoss für grosse Werkstätten, Veranstaltungshallen usw.; die mittlere Ebene für fexibel nutzbare Seminarräume, Ateliers, Fablabs usw.; und die obere Ebene für Wohnbauten, welche die Fabrik mit expressiven Dachformen krönen. Zwei von den drei Satelliten sind Wohngebäude. Ausser dem Gaskessel und der Turnhalle, die südlich der Fabrik entlang der Sandrainstrasse steht, gibt es ansonsten nur die übrigen kleineren bestehenden Gebäude.

Aussenraum
Der Beitrag wurde kontrovers diskutiert, da die interessante Lesart von lagespezifschen Nutzungen im Auenwald nur durch die tiefe Dichte möglich ist. Das Konzept fasziniert durch sein klares Bild und die Argumentation für produzierende gewerbliche Nutzungen an diesem Standort. Die Idee, den gewachsenen Ort als neue Identität des Gaswerkareals zu sehen, leistet einen positiven Diskussionsbeitrag, wohin sich das Areal entwickeln kann, insbesondere die Idee, Reserven für zukünftige Entwicklungen einzubauen wie auch eine kontinuierliche Transformation zu unterstützen. Die solitär gesetzten Bauvolumen stehen jedes für sich, umgeben von Grossbäumen. Die Setzung von Bauvolumen und Grossbäumen ist wohl bemessen. Eine hohe Diversität an Freiraumnutzungen ist im Areal gut eingebettet. Die grössere Hartfäche um den Gaskessel wird begrüsst. Die Turnhalle nebenan wird an der Sandrainstrasse gut adressiert und wirkt in Synergie mit dem Gaskessel als starker Magnet für publikumsorientierte Nutzungen an den richtigen Stellen entlang einer Ost-West-Achse zur Aare hin zum Zentrum des Areals. Die Freiräume um die Ryff-Fabrik schaffen ortsspezifsche, reizvolle Raumsequenzen und binden die Fabrik gut in die Gesamtanlage ein. Die grosse Brache im Süden kommt den Vorstellungen der Nutzenden vor Ort entgegen.

Naturwerte
Da das Projekt den Südbereich weitgehend frei lässt und hier zudem als Ersatz für die beeinträchtigten Naturwerte im Nordbereich eine ausgedehnte naturnahe Teichlandschaft vorsieht, erfüllt es die Vorgaben für den schonenden Umgang mit den vorhandenen Naturwerten bestens. Sozialraumplanung Die Verfasser/ innen legen in ihrem Entwurf grossen Wert auf die prozesshafte und dialogische Weiterentwicklung des Areals unter Einbezug der Stadtgesellschaft und der künftigen Nutzenden. Der Entwurf beschränkt sich nicht auf eine räumlich-funktionale Vision. In einem differenzierten Organigramm mit Rollen und Aufgaben der entsprechenden Akteure wird die mehrdimensionale Weiterentwicklung des Entwurfs verankert, auch für die Etappierung werden konkrete Ansätze entwickelt. Die Schwemmebene wird als Kultur- und Werkplatz interpretiert und ist damit eine innerstädtische Ergänzung zu den bestehenden Gewerbezonen am Stadtrand. Das Verhältnis zwischen Wohnen und Arbeiten soll offen bleiben; dieser Prämisse folgend weist der Entwurf erheblich zu.

Sozialraumplanung
Die Verfasser/ innen legen in ihrem Entwurf grossen Wert auf die prozesshafte und dialogische Weiterentwicklung des Areals unter Einbezug der Stadtgesellschaft und der künftigen Nutzenden. Der Entwurf beschränkt sich nicht auf eine räumlich-funktionale Vision. In einem differenzierten Organigramm mit Rollen und Aufgaben der entsprechenden Akteure wird die mehrdimensionale Weiterentwicklung des Entwurfs verankert, auch für die Etappierung werden konkrete Ansätze entwickelt. Die Schwemmebene wird als Kultur- und Werkplatz interpretiert und ist damit eine innerstädtische Ergänzung zu den bestehenden Gewerbezonen am Stadtrand. Das Verhältnis zwischen Wohnen und Arbeiten soll offen bleiben; dieser Prämisse folgend weist der Entwurf erheblich zu wenig Wohnfäche nach; der gesamte Südteil des Perimeters soll auch langfristig lediglich mit temporären Nutzungen bespielt werden. Der Raum unter der Monbijoubrücke wird als zentraler «Gaswerkplatz» vorgeschlagen: Er wird zum Gelenk zwischen Alt und Neu, Ankunfts- und Orientierungsort, Schnittstelle zwischen Park und der künftigen Bebauung im Sinne einer «Wunschfabrik». Erreichbar ist der Gaswerkplatz künftig zusätzlich über eine weitere Liftanlage am südlichen Brückenkopf. Auch wenn das Entwurfsteam den Raum unter der Brücke als mit Funktionen angereicherten und mit Licht inszenierten Ort beschreibt, diskutiert die Jury kritisch, ob diese hohe Aufladung mit Bedeutung an diesem Ort tatsächlich zu erwarten ist. Das Herz des Entwurfs, die sogenannte «Wunschfabrik» mit kleinen Satelliten im Osten, ist ein robustes Raster, konzipiert insbesondere für Produktion und Gewerbe, aber auch für eine Reihe neuerer Wohntypologien wie «Hallenwohnen» oder Grossraumwohnen. Sozialräumlich stellt sich die Frage nach den Adressat/ innen des Entwurfs; die Jury hinterfragt kritisch, inwiefern das Angebot an den Bedürfnissen einer breiten Bevölkerung orientiert ist. Für die künftigen Nutzenden und Bewohner/ innen entstehen innerhalb der zentralen «Wunschfabrik» insbesondere auf den mit Stegen verbundenen Geschossen attraktive Begegnungsräume, die auch zur Aneignung einladen – dies gilt ungleich weniger für Gäste. Der Entwurf lässt einen hohen Aneignungsgrad durch aktive Nutzung und Bewohnende vermuten, welche die Angebote sehr schätzen werden; die so entstehende hohe Intimität der Räume könnte auf Besucher/ innen exkludierend wirken.

Gaskessel
Das Gaswerkareal wird vom Entwurfsteam als Experimentierfeld für neue räumliche Konstellationen und gesellschaftliche Nutzungen definiert. Es wird dem Gaskessel eine neue Nachbarschaft bringen, in welcher Form sich diese jedoch entwickeln wird, bleibt noch offen. Die se Haltung passt zur Philosophie des Jugendkulturzentrums, manifestiert sich räumlich in der vorliegenden Planung jedoch nicht als leichte Raumstruktur, sondern als wuchtige Gebäudemaschine. Die Werkgasse als eigentliche Haupterschliessung des Gaskessels führt von der vertikalen Erschliessung über den Platz unter der Monbijoubrücke mitten durch die neue Überbauung von Norden her auf den Gaskesselplatz. Zwischen Sandrainstrasse und Gaskessel sind die neue Turnhalle und der Spielplatz einer Schule platziert, sie schliessen so den Raum zur Sandrainstrasse. Ein Weg führt nördlich an der Turnhalle vorbei und mündet ebenfalls in den Gaskesselplatz. Es ist anzunehmen, dass sich die meisten Besuchenden im gewohnten Rahmen über die Sandrainstrasse und nicht via Werkgasse zum Gaskessel bewegen werden. Die Anlieferung des Gaskessels, die Zufahrt der Blaulichtorganisationen und die Parkierung sind teilweise bis gar nicht gelöst. Der Haupteingang des Gaskessels bleibt südseitig erhalten, könnte in einer Projektüberarbeitung aber auch noch nördlich ausgerichtet werden. Durch die aktuelle Setzung der umliegenden Volumen erhält der Gaskessel den nötigen Schutzraum als Kulturbiotop. Die brachenartige Umgebung bleibt gegen Süden hin erhalten und wird mit der Platzierung eines Stadtlabors im Werkstattgebäude im Nordosten gestärkt. Eine Synergie mit dem Stadtlabor ist möglich, aber räumlich nicht explizit vorgegeben. Ebenso würde sich der Raum, der sich zwischen Gaskessel, «Wunschfabrik» und dem Stadtlabor aufspannt, als Fläche eignen, die gemeinsam bespielt werden kann und die eine natürliche Verbindung mit dem Zirkusplatz eingeht; dafür steht jedoch eines der einzelnen Gebäudevolumen im Weg.

Fazit
Die Jury hat grosse Sympathie und Respekt für diesen Baustein einer Bottom-up-Kreativgesellschaft. Zweifel gibt es aber in Bezug auf die Machbarkeit und das Management einer so grossen vernetzten Gebäudestruktur. Des Weiteren empfindet die Jury als Widerspruch, dass ein Bottom-up-Konzept für viele diverse Nutzungen in so einer prägnanten Megastruktur untergebracht wird. Ausserdem gibt es Zweifel über die Angemessenheit der Grösse und Position im städtebaulichen Kontext. Zum Schluss entspricht auch die Abweichung des geforderten Nutzungsumfangs und der Nutzungsverteilung nicht der Auslobung.