Einstufiger Projektwettbewerb mit offener Präqualifikation | 12/2021
Wohnüberbauung Göbli in Baar (CH)
©Caruso St John Architects
4. Preis
Preisgeld: 12.000 CHF
Architektur
GHIGGI PAESAGGI landschaft und städtebau gmbh
Landschaftsarchitektur
Bauphysik
Büro für Nachhaltigkeit am Bau Stefan Schrader AG
Energieplanung
TGA-Fachplanung
Beurteilung durch das Preisgericht
Städtebau
Der Projekttitel «Between the lines» repräsentiert eine Fähigkeit zur Nuancierung, mit der es den Verfassenden gelingt, innerhalb des Bebauungsplans eine angenehme Vielfalt zu erreichen, ohne dass der Zusammenhalt in Frage gestellt wird. Im Verständnis des Ortes wird die Nähe zur Landschaft betont. Grosszügige Räume werden nur subtil durch Vegetationszonen gegliedert. Die Wiesenlandschaft soll ins Zentrum der neuen Überbauung eindringen und sich dort, am chaussierten Quartierplatz, atmosphärisch verdichten. Als «Laubenhäuser» entfalten die Bauten aus dem umgebenden Landschaftsraum heraus ihre spezifische Wohnqualität. In wieweit dieses malerische Motiv im Zentrum der gebauten Anlage ebenso wahrgenommen würde wie am Rand, wird durch das Beurteilungsgremium in Frage gestellt. Ebenso besteht Unsicherheit, ob eine Aneignung der grosszügigen Wiesenflächen als Allmend tatsächlich ohne Anreize gelingen kann. Entlang der Göblistrasse wären zusätzliche Massnahmen zum Lärmschutz der Erdgeschosswohnungen notwendig, was helfen könnte, dem Strassenraum ein klareres räumliches Profil zu verleihen.
Freiraum
m Übergang von Siedlungsraum zur offenen Landschaft wird das Areal sinnfällig in zwei Zonen gegliedert. Die östlich gelegene Wiesenlandschaft geht über in eine einfache, aber gebrauchstaugliche Spielwiese. Zur westlich angrenzenden Siedlung spannen sich vielfältige Pflanzflächen auf, die pro Häuserpaar eine eigene Thematik aufweisen: Hochstaudenflur mit Wildobstbäumen im Westen, Gräser und Weichholzbäume im Süden, Waldstauden und Hortensien im Norden. Auf der Baumebene sind es Kirschen und Linden, die in einer gestreuten Anordnung die Anlage durchziehen und sich bei den Plätzen zu kleinen Gruppen verdichten. Geschwungene Wege erschließen nicht nur die Häuser, sondern führen stimmungsvoll durch die Siedlung und zum kreisförmigen Quartierplatz, der als soziales Zentrum verstanden wird. Zwei Pavillons, Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten, sowie ein Wasserbecken bieten ein breites Nutzungsspektrum. Trotz der stringenten Herleitung und einem durchaus spezifischen Ansatz, fehlt es dem Freiraumkonzept an räumlicher und atmosphärischer Kraft. Sozialräumlich wird aber mit den Gartenhallen, den Spielplätzen und dem Quartierplatz ein überzeugendes Angebot geschaffen. Insgesamt wird das Freiraumkonzept als solide aber wenig innovativ beurteilt.
Architektur
Im Gebäudeausdruck werden die drei Wohnwelten nicht explizit differenziert, vielmehr soll das Zusammenleben über Zielgruppen und Produkte hinaus stattfinden. Die Farbgestaltung und konstruktive Ausbildung der Bauten einen. Natürliche Schlammfarbe legt sich in erdigen Tönen auf die Fassade aus sägerohem Holz und wechselt jeweils übereck. So treten die einfachen Baukörper miteinander in Dialog und es entsteht ein stimmungsvolles Bild in der Tiefenstaffelung der Siedlung. Die Beurteilung fällt jedoch kontrovers aus: Einerseits wird die angenehme Frische und Leichtigkeit geschätzt, die die Bilder über den präzisen Einsatz von Material, Farbe und Konstruktion transportieren. Die Aneignung der Lauben würde die Häuser anreichern und ein lebendiges Gesamtbild zeichnen. Andererseits wird in Frage gestellt, ob die Einfachheit den Erwartungen der Zielgruppe entspricht und ob das hölzerne Filigran sich bei konstruktiver Vertiefung und Ausführung mit einer wirtschaftlichen und marktüblichen PV-Anlage nicht als etwas zu optimistisch herausstellt.
Funktionalität
Die drei Haustypen sind konsequent in Holz konstruiert. Sie besitzen eine klare und wohlproportionierte Struktur und unterscheiden sich durch die Ausbildung der Raumschichten längs zur Fassade. Alle Wohnungen weisen einen hohen Gebrauchswert und jeweils eigenständig entwickelte spezifische Qualitäten auf, die hinsichtlich der formulierten Zielgruppen überzeugen und dem hohen Marktsegment entsprechen. Insbesondere die Wohnungen der Welt B stechen durch eine grosse Wohnqualität und Eleganz auch bei kleiner Zimmerzahl heraus. Die Laube ist tief genug für eine flexible Möblierung und den Lärmschutz. Gegenüber der hohen Qualität der Regelgeschosstypen enttäuschen die Wohnungen im Erdgeschoss. Die Cluster wickeln sich um die Treppenhäuser und weisen viel wohnungsinterne Erschliessung gegenüber wenig kollektiven Wohnbereichen auf. Es bleibt zudem unklar, welche Qualität und welches Angebot aus den übergrossen Eingangsbereichen und den Räumen im Gebäudeknick resultiert.
Nachhaltigkeit
Hinsichtlich Nachhaltigkeit wird das Projekt (abgesehen von der Tageslichtsituation in der mittleren Raumschicht) positiv beurteilt.
Gesamtwürdigung
Die Schwäche im Erdgeschoss und die Diskussionen zum Ausdruck sowie zur Freiraumgestaltung vermögen das hohe Niveau des Projektes in der Gesamtbetrachtung nicht zu schmälern. In seiner Nuancierung in leisen Tönen, der angebotenen Wohnqualität und ganzheitlichen Ausarbeitung bildet es einen wertvollen Beitrag für eine attraktive und ökologisch nachhaltige Siedlung.