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Mehrfachbeauftragung | 02/2021

Rahmenkonzept für „Overath Mitte südlich Bahnhof“

1. Rang

post welters + partner mbB Architektur & Stadtplanung BDA/SRL

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

brosk landschaftsarchitektur und freiraumplanung

Landschaftsarchitektur

Architektur & Zeichnung Wolfram Gothe

Visualisierung

Erläuterungstext

GRUNDIDEE UND LEITBILD

Nach Aufgabe der bisherigen gewerblichen Nutzungen soll auf dem frei gewordenen Areal zwischen Bahnhof und Agger die Chance genutzt werden, ein urbanes Wohngebiet zu entwickeln, das sowohl von er zentralen Lage am Bahnanschluss als auch vom Naherholungspotential der Aggeraue profitiert und diese beiden Qualitäten städtebaulich miteinander verknüpft. Urbane Dichte soll möglichst vielen Menschen ein Wohnen an diesem Standort ermöglichen, während die Ausbildung einer attraktiven Wege- und Freiraumachse (»Blau-grünes Band«) eine direkte Verbindung zwischen Bahnhof und Landschaftsraum Agger herstellt.


STÄDTEBAU

Der Standort ist geprägt von einer städtebaulichen Gemengelage zwischen dem Bahnhofareal/der Bahnlinie im Nordwesten, einem Gewerbebetrieb mit Emissionspotential im Südwesten, kleinteiliger Wohnbebauung im Süden und dem Landschaftsraum der Agger im Osten. Da hier städtebaulich nur auf wenig Bezug genommen werden kann, wird eine Bebauungsstruktur mit einem eigenständigen Gestaltungscharakter vorgeschlagen. Um der Lagegunst am Bahnhof gerecht zu werden, wird im Sinne einer effizienten Innenentwicklung auf Grundlage einer Blockstruktur ein urbanes Wohnquartier mit einer höheren baulichen Dichte vorgeschlagen.

Als Grundbaustein für das Gebiet dient ein durchschnittlich ca. 2.000 qm großer Baublock, der jeweils aus vier drei- bis viergeschossigen Gebäuden besteht, die »windmühlenartig« zueinander angeordnet werden. Somit wird trotz offener Bauweise ein abgeschirmter Innenhof ermöglicht. Die Anhebung des Blocks um rund einen Meter über das Umgebungsniveau stärkt die räumliche Differenzierung zwischen dem als Wohnhof gestalteten Blockinnenbereich und dem äußeren öffentlichen Raum. Darüber hinaus ermöglicht die Ausbildung eines blockeigenen Plateaus eine günstigere Unterbringung der Tiefgarage unter dem Baublock (weniger Aushub, kürzere Rampen). Die Wohngebäude werden vom gemeinsam genutzten Wohnhof aus erschlossen, während die Gebäude mit den Büro-/Dienstleistungsnutzungen vom öffentlichen Raum aus zugänglich sind. Flachdächer ermöglichen eine optimale Ausrichtung von Photovoltaikanlagen, da sie keine Neigung/Himmels­richtung vorgeben. An zentraler Stelle im neuen Wohngebiet ist mit Blick auf die Energieeffizienz im Quartier eine Nahwärmestation denkbar, die über ein Leitungsnetz auf kurzem Wege das gesamte Wohngebiet mit Warmwasser versorgen kann, betrieben mit Strom aus der Solarenergiegewinnung.

Neben der urbanen Ausformung des Wohngebietes bildet die Verknüpfung zwischen Bahnhof/Parkdeck und Agger den zweiten Grundpfeiler des städtebaulichen Entwurfs. Diese wird durch eine Abfolge von Plätzen entlang einer Wegeachse (»Blau-grünes Band«) erzeugt. Am südlichen Ausgang der Gleisunterführung, die zugunsten einer besseren stadträumlichen Wahrnehmung und wettergeschützten Ankunft mit einer leichten Dachkonstruktion überdeckt wird, sorgt ein neuer Vorplatz für den städtebaulichen Auftakt in das südliche Gebiet. Eine Wegeachse führt über die Dr.-Ringens-Straße hinweg zu einem kleinen urbanen Platz, der zweiseitig von drei- bis viergeschossigen Büro-/Dienstleistungsgebäuden eingefasst wird. Von hier aus verläuft die Achse in Form eines Angers mittig durch das neue Wohnquartier und endet an einem Holzdeck am Ufer der Agger. Gestalterisch geprägt wird die Wegeachse durch eine »Wasserlinie« und Baumreihen.

Der südliche Teil des Bahnhofareals besteht derzeit im Wesentlichen aus einer weitläufigen Park & Ride-Anlage. Um den südlichen Zugangsbereich zum Bahnhof gestalterisch aufwerten zu können, müssen hier Stellplätze verlagert werden. Aus diesem Anlass und vor dem Hintergrund, die Stellplatzsituation allgemein durch räumliche Konzentration zu optimieren und weitere Kapazitäten zu schaffen, wird hier ein Parkdeck angeboten, das auf zwei Ebenen Platz für rund 260 Stellplätze bietet. Die Erweiterung des Parkdecks um zusätzliche Ebenen ist grundsätzlich möglich, sodass flexibel auf zukünftige Anforderungen eingegangen werden kann. Das mit einer umfangreichen Fassadenbegrünung ausgestattete Parkdeck kann darüber hinaus für ein zukünftiges Wohngebiet auf dem Areal des Kunststoffproduktionsbetriebes als Abschirmung vor den Emissionen des Bahnhofes dienen.

Eine im Bereich des Parkdecks angeordnete Mobilitätsstation nimmt die Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität auf. In der Mobilitätsstation können ggf. Leih-(Lasten-)Räder und sichere Stellplätze für Fahrräder untergebracht werden. Darüber hinaus bietet die Parkdeckkonstruktion die Möglichkeit großflächig Solarpanels seitlich oder in Form eines Solardaches anzuordnen.


FREIRAUM

Die Verbindungsfunktion zwischen Bahnhof und Agger sowie die Lage am attraktiven Uferbereich bilden die zentralen Freiraumqualitäten des neuen Baugebietes auf dem ehemaligen Gewerbeareal. Eine autofreie Fuß-/Radwegeachse verbindet den gemeinsamen Vorplatz des Bahnsteigzugangs und des Parkdecks mit einem Holzdeck am Ufer der Agger. Die rund 15 m breite Freiraumachse ist in Form eines Angers gestaltet, dessen Mitte ein Grünstreifen mit integrierter Regenwassermulde und markanter Baumreihe bildet (»Blau-grünes Band«).

Der westliche Uferbereich der Agger wird durch eine großzügig gestaltete Promenade aufgewertet, die den Gebäudeblöcken vorgelagert und Teil des Aggerradweges ist. Im Norden im Bereich der neuen Holzbrücke bildet ein Platz den Knotenpunkt zwischen der Uferpromenade und dem Weg zwischen dem Siedlungsbereich östlich der Agger und dem Bahnhof. Dieser Ort bietet sich für eine gastronomische Nutzung an. Neben der Uferpromenade und dem Holzdeck am Ende des Blau-grünen Bandes dienen zwei »Kanzeln« als Ruhepunkte am ansonsten begrünten Aggerufer und ermöglichen einen ungestörten Blick in die Uferaue.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee der Verfasser*innen ein urbanes Quartier zu schaffen, das die Agger als Naherholungsort mit dem Bahnhof als Ankunftsort in Overath verbindet, ist in der Arbeit gut ablesbar. Dies drückt sich in der Gebäudetypologie, der Ufergestaltung, dem „blau-grünen Band“ sowie dem neuen zentralen Platz an der Unterführung aus. Die Arbeit erkennt die wesentlichen Qualitätsmerkmale des Standortes und formt daraus in gelungener Weise ein städtebauliches Gerüst für ein urbanes Quartier. Dabei gelingt die Einbindung in die Umgebung unter Berücksichtigung der Gemengelage und Nutzungskonflikte.
Die Arbeit gliedert das Plangebiet in unterschiedliche Baublöcke, die robust zugeschnitten sind und eine notwendige Flexibilität in der jeweiligen Ausgestaltung zulassen. Auf eine riegelartige Bebauung hin zur Bahnstrecke wird bei den Baublöcken abgesehen zugunsten einer verspringenden Geschossigkeit. Ob diese städtebauliche ansprechendere Lösung die beabsichtigte und notwendige Lärmschutz-Wirkung erzielt, muss geprüft werden.
Die Nutzungsmischung setzt einen Schwerpunkt beim Wohnen, was dem Standort angemessen erscheint. Gleiches gilt für die Verortung des Wohnens eher im Süden und der gewerblichen Nutzungen eher im Norden des Plangebietes. Die vorgeschlagenen Gebäudezuschnitte bieten jedoch noch nicht die gewünschte Vielfalt. Auf eine Auflockerung bzw. abnehmende Körnung in Richtung des Grünraums an der Agger wird leider verzichtet.

Die verkehrliche Erschließung (Durchlässigkeit für den nicht-motorisierten Verkehr, Bündelung des motorisierten Verkehrs in den Tiefgaragen) trägt zur Wohn- und Nutzungsqualität des Quartiers bei und unterstreicht den Bezug des Standorts zum Freiraum und alternativer Mobilität.

Die innerhalb der Baublöcke entstehenden „Wohnhöfe“ werden durch den vorgesehenen topografischen Versprung (Tiefgaragen im Souterrain) als halböffentliche Räume für die Bewohner*innen des jeweiligen Baublocks wahrgenommen. Aussagen zur klaren Abgrenzung von privaten Gärten und halböffentlichen Aufenthaltsbereichen werden in der Arbeit nicht getroffen. Durch eine ansprechende Gestaltung können in den Wohnhöfen belebte Aufenthalts- und Begegnungsorte für die Nachbarschaft entstehen.
Eine besondere Stärke der Arbeit sind die vorgesehene Uferpromenade mit Ausblicken am Wasser sowie der neue Platz an der Brücke über die Agger. Die Agger als besonderes Potenzial des Plangebiets wird damit aufgegriffen, die Präsenz der Agger im Stadtbild verstärkt und die Situation für Fußgänger*innen, Radfahrer*innen sowie Wandernde verbessert, die diesen Ort stark frequentieren. Vor diesem Hintergrund scheint auch die Verortung eines Cafés an der Aggerbrücke passend.
Über das „blau-grüne Band“ werden die Themen „Wasser“ und Grün“ auf gelungene Art und Weise in das Quartier hineingebracht. Das „blau-grüne Band“ soll als Promenade für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen dienen, wird aber vor dem Hintergrund der beidseitigen dreigeschossigen Bebauung in seiner Dimension kritisch hinterfragt. Das „blau-grüne Band“ schlägt eine gut erkennbare und nachvollziehbare Verbindung zwischen dem Aggerufer und dem neu geplanten zentralen Platz an der Bahnhofsunterführung.

Die Verortung des zentralen Platzes an dieser Stelle ist gut gewählt, da er einen Ankunftsort in den Stadtraum südlich des Bahnhofs und in Richtung Agger entstehen lässt. Er bildet ein städtebaulich sinnvolles untergeordnetes Pendant zum bestehenden Bahnhofsplatz im Norden ohne zu diesem in Konkurrenz zu treten. Die tatsächliche räumliche Fassung des Platzes wird jedoch, insbesondere hinsichtlich der Kraft des flachen Daches über der Rampe, kritischer diskutiert.

Im Bereich des Park+Ride-Parkplatzes lässt die Arbeit Fragen offen. Das Parkhaus ist hier an prägnanter Stelle platziert und bedarf einer sehr hochwertigen Fassaden- und Umfeldgestaltung, um dieser Lage gerecht zu werden. Das Parkhaus weist mit nur zwei Geschossen eine verträgliche Höhe auf und ist durch die Zufahrten von beiden Seiten funktional erschlossen. Der Ansatz, die im Westen des Parkhauses gewonnene Fläche als Mobilstation zu nutzen, wird begrüßt. Allerdings fehlen in der Arbeit tiefergehende Aussagen zur Gliederung, Nutzung und Ausstattung dieses großen Flächenpotenzials.

Insgesamt gelingt es den Verfasser*innen ein stabiles städtebauliches Konzept zu entwerfen, das ausreichend Flexibilität für Vertiefungen und Weiterentwicklungen in den folgenden Planungsschritten ermöglicht. Das gelingt durch die konsequente Verfolgung der überzeugenden städtebaulichen Leitidee, durch das Hervorheben der wesentlichen Standort-Qualitäten und die gelungene Einbettung in den städtebaulichen Kontext.