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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Neues Quartier „holz.stahl.digital“ in Kreuztal

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

Loth Städtebau + Stadtentwicklung

Stadtplanung / Städtebau

Peter Karle Architekten

Architektur

ARCHIFAKTUR LENNESTADT GMBH

Architektur

Erläuterungstext

Entwurfs- /Architekturkonzept
Das Konzept zeigt die Transformation einer ehemals industriell genutzten Fläche zu einem Wohn- und Kreativquartier, welches durch die Nutzungen Leben & digitales Arbeiten, durch die Architektur und durch die Verwendung der Materialien Stahl und Holz eine neue Adresse erhält. Zentrales Element des Entwurfs ist der Erhalt der charakteristischen Bebauung am Mühlenweg und zur Marburger Straße entlang der Bahnlinie. Das ehemalige Verwaltungsgebäude bleibt vom äußeren Erscheinungsbild in seiner Charakteristik erhalten. Ebenso die sich daran anschließende Tonnendachhalle, die zu einem Veranstaltungsraum umgenutzt wird. Herzstück des Konzeptes ist die neue Wohnbebauung entlang der Bahnlinie. Die aufgegebenen Hallen werden dazu sinnbildlich zusammengeschoben, gekürzt, die Fassaden im Norden bleiben erhalten und werden Bestandteil der sich daraus entwickelnden neuen Wohnbebauung. Die neue Wohnbebauung greift die historische Kubatur und Dachlandschaft der Hallengebäude auf und erreicht somit eine starke Adressbildung des neuen Quartiers in Kreuztal-Ferndorf. Als Ensemble mit dem ehemaligen Verwaltungsgebäude, der Veranstaltungshalle, das dem ehemaligen Magazin hinzugefügte neue Foyer und dem sich dazwischen aufspannenden Quartiersplatz entsteht vielfältiges und attraktives Wohnen sowie lebendige Nachbarschaft. Die Umnutzung des ehemaligen Magazins mit kleiner Mensa/Verpflegungsmöglichkeiten bietet zusammen mit dem Foyer und der Veranstaltungshalle einen multifunktional nutzbaren Quartierstreffpunkt und Veranstaltungsort in Kreuztal, der sowohl den im Quartier lebenden Menschen, den Coworkern und auch Besuchern des Quartiers und von Veranstaltungen offensteht. Das Foyer mit der sich daran anschließenden Platzfläche ist zentral am Zugang ins Quartier platziert. Der bestehende Durchgang durch das Verwaltungsgebäude wird als zentrale Eingang ins Quartier inszeniert. Richtung Süden und Westen entwickelt sich grundgebundenes Wohnen in Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern mit flexiblen Grundrissen. An der Ferndorf gelegen werden in lockererer Anordnung Tiny-Houses vorgesehen, die mit dem vorhandenen Baumbestand eine Symbiose eingehen und eine neue Wohnform auf kleinstem Raum anbieten.

Materialien / Konstruktion
Die historische Fassade der Bender-Hallen im Norden bleibt erhalten. Die Fassaden der neuen „Hallenbebauung“ zeigen ein vorgesetztes Stahlfachwerk unter Verwendung des recycelten Ziegelmauerwerks der Bender-Hallen. Die Architektur und die verwendeten Materialien lehnen sich dabei stark an die charakteristische Hallenbebauung und an die Stahlverarbeitung in Kreuztal an. Loggien Richtung Süden sind Teil jeder Wohnung, ebenso die im Erdgeschoss vorgelagerten privaten Gartenbereiche. Im Norden entstehen zwischen der historischen Fassade und der daran angrenzenden neuen Bebauung Lufträume, die als vielfältig bespielbare Klimagärten vorgesehen sind. Die kompakte Bebauung mit einer Stahl-Ziegelfassaden im Norden wird im Süden durch eine kleinteilige Bebauung in Form von Ein- und Mehrfamilienhäusern mit Satteldach ergänzt. Die tlw. zwei oder drei-geschossigen Gebäude mit ein, zwei oder drei Wohneinheiten werden in Holzbauweiße errichtet. Die Holzfassaden unterstützen die kubische Anmutung der Gebäude. Es entstehen zeitgemäße Wohngebäude, die sowohl ökologisch, für die waldreiche Region authentisch und in der Herstellung energie- und ressourcensparend sind.

Städtebau
Der Städtebau zeigt eine geschlossene Bebauung im Norden und Osten mit einem Nutzungsmischung und in eine lockere Bebauung im Süden und Westen entlang der Ferndorf, die überwiegend dem Wohnen dient. Die drei Bereiche werden durch öffentliche Räume verbunden, vorhandene Naturräumen werden genutzt und sind Bestandteil. Durch die geschlossene Wohnbebauung entlang der Bahnlinie, in Verbindung mit der Bebauung an der Mühlenstraße, wird eine klare Raumkante und Abgrenzung des Quartiers definiert. Es entsteht ein zentraler geschützter Innenbereich, von dem die Gebäude erschlossen sind. Die Einfamilienhaus- und Mehrfamilienhausbebauung werden als offene Reihe Richtung Norden und Osten entlang der inneren Erschließungswege und als Gruppen um grüne Innenbereiche angeordnet. Bauherrengruppen, aber auch Investorenprojekte sind ebenso wie experimentelles Bauen möglich. Es entsteht eine hohe Erkennbarkeit und Identifikation durch die Bewohner*innen.

Freiraumplanung
Die Zonierung des Gebietes wird u.a. durch die öffentlichen Räume erreicht. Während die Platzfläche im Norden als multifunktional nutzbare Fläche eher urbane Qualitäten zeigt und als Ost- West-Achse eine wichtige fußläufige Verbindung darstellt, entwickeln sich die öffentlichen Räume im Süden eher mit Bezug zur Landschaft und Natur. Eine besondere Begabung des Quartiers ist die Ferndorf, die im Süden und Westen dem Gebiet eine hohe naturräumliche Aufenthaltsqualität verspricht. Zugänge zur Ferndorf und kleine Aufweitungen mit Sitz-, Spiel- und Liegemöglichkeiten tragen zu einer hohen Lebens- und Wohnqualität im Quartier bei. Die Ferndorf- Terrassen bilden als öffentlicher Treff- und Verweilpunkt das Pendant zum Quartiersplatz im Norden. Die beiden öffentlichen Plätze werden durch die Ost-West-Achse miteinander verbunden. Mit der Freiraumplanung ist die Oberflächenentwässerung des Gebietes verbunden. Während Gründächer als Retentionsflächen dienen, wird das anfallende Oberflächenwasser über ein offenes und vernetztes Mulden-/Rigolen-System in den dazu vorgesehenen Bereichen der Ferndorf zugeführt. Somit entstehen im Gebiet ökologisch hochwertige Bereiche für Flora und Fauna. Darüber hinaus werden gemeinschaftlich genutzte Zisternen für die Hauswassernutzung vorgeschlagen.

Erschließung
Für den motorisierten Individualverkehr, Lieferverkehr und für Rettungsfahrzeuge erfolgt die äußere Erschließung des Gebietes über die Mühlenstraße mit einem Ein- und Ausfahrtsbereich südlich des ehem. Verwaltungsgebäudes. Eine weitere Ausfahrt aus dem Gebiet (kombiniert mit dem Radschnellweg) ist im Westen an der Straße ‚Vorm Berge‘ vorgesehen. Der ruhende Verkehr wird hauptsächlich an zwei zentralen Stellen als Gemeinschaftsstellplätze (A, B) im Quartier organisiert: Im Südosten, unmittelbar an der Zufahrt ins Gebiet und im Nordwesten mit einer Zu- und Ausfahrt von der Mühlenstraße aus, entlang der Bahnlinie. Beide Stellplatzanlagen sind an die äußere Erschließung gekoppelt, so dass kein Verkehr im Quartier entsteht. Eine weitere Stellplatzfläche wird außerhalb des Quartiers für Besucher bei Veranstaltungen vorgeschlagen. Der Radschnellweg entlang der Ferndorf bindet im Südosten und Nordwesten an die angrenzenden Bereiche an. Fußläufig wird das Quartier von der Mühlenstraße und der Straße ‚Vorm Berge‘ erschlossen. Ein zusätzlicher Fußweg zum Bahnhof Ferndorf wird vorgeschlagen. Das Quartier ist autofrei geplant. Attraktive Fuß- und Radwege innerhalb des Quartiers werden angeboten, die alle barrierefrei ausgebaut werden. Es werden zwei Mobilitätsstationen und Radservicestationen mit Lademöglichkeiten im Gebiet angeboten. Die Gemeinschaftsstellplätze werden mit E-Ladestationen ausgestattet. Carsharing-Angebote und Verleih-Stationen für Mikromobilität befinden sich an den Mobilitätstationen und sind smart vernetzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Geschickt belässt die Arbeit die Kopfenden der vorhandenen BenderHallen in einer gerade noch für Wohnungszwecke belichtbaren Tiefe und bildet somit eine selbstverständliche Lärmschutzwand gegen die Bahntrasse. Gleichzeitig verspricht diese Restbebauung eine Identität, die die Erinnerung an die örtliche Industriegeschichte dauerhaft aufrecht erhalten kann.

Zusammen mit der multifunktionalen Tonnendachhalle mit dem neuen, vom Innern erschlossenen Foyer und dem ehemaligen Verwaltungsgebäude wird so ein stabiler, zweiseitiger Rahmen gebildet für eine strikt geometrische städtebauliche Raumstruktur im Innern. Diese ist mit ihren Holz-Reihen-Giebelhäusern in ihrer zwei- bis drei-geschossigen Höhenstaffelung zwar nicht ganz nachvollziehbar, verspricht mit ihren Vorgärten allerdings angenehme Wohnqualitäten. Ebenso wenig wie die ziemlich banale Fassadenstruktur dieser Wohnhäuser überzeugt die stereotypische horizontale Gestaltung der Lochfassaden in den neuen Giebel-Abschlusswänden der Bender-Hallen aus wiederverwendeten Ziegeln der Abrissbauten. Generell scheint die architektonische Behandlung dieser Bebauung etwas grober und abstrakter als bei Vergleichsarbeiten.

Geschickt beurteilt wird allerdings die in vier Teilflächen aufgeteilte notwendige freie Stellplatzfläche, deren Verteilung und Positionierung richtig und angemessen erscheint. Zusammen mit dem lobenswerten Fahrrad-Parkgebäude sind diese Stellplätze für alle Bewohner leicht erreichbar und entzerren den intern belassenen Verkehr.

Gegenüber anderen Arbeiten als eher nachteilig angesehen wird die dünne einzeilige Bebauung im nordöstlich angrenzenden Areal. Die Zerteilung des Quartiers in den östlichen Hauptbereich und den westlichen Appendix erscheint nicht sinnvoll. Im Übrigen zeichnet sich diese Arbeit im Wettbewerbsgebiet aus durch unterdurchschnittlich wenig versiegelte Flächen gegenüber einer überdurchschnittlichen Anzahl von Wohneinheiten, beides gute Voraussetzungen für einen nachhaltigen Städtebau.

Insgesamt handelt es sich um einen interessanter Beitrag zur Lösung der Wettbewerbsaufgabe.