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Kooperatives Werkstattverfahren | 01/2022

Kur- und Rehastandort Aachen Burtscheid

ein 2. Preis

Förder Landschaftsarchitekten

Stadtplanung / Städtebau

New Architekten BDA

Architektur

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Visualisierung

Erläuterungstext

Burtscheid in Resonanz

 

Die Planung greift die Resonanz als Prinzip für die anstehenden städtebaulichen und strukturellen Veränderungen auf. In der Musik ist die Qualität eines Tons von der Resonanz abhängig, in der Kommunikation steht die Resonanz für das Miteinander, in der Medizin werden durch die Resonanztherapie die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert.

 

Stellt man nun einen räumlichen Kontext in den Fokus, so können die prinzipiellen Grundsätze der Resonanz im sogenannten „Placemaking“ wiedergefunden werden:  Architektonische und städtebauliche Aspekte werden mit Fragen zur Partizipation und Lebensqualität vereint, so dass ein „Community Building“ stattfindet. Auch die Betrachtung des Ortes als Erlebnisraum und die Einbeziehung der Wertschöpfung durch die sogenannte „Experience Economy“ können forciert werden. Bei letzterem geht es um die Implementierung einer multidimensionalen Erfahrung mit Hilfe der „vier E“ (Entertainment, Education, Esthetics und Escapism). Placemaking kann als „Philosophie des Machens“ verstanden werden, bei der Handlungsbedingungen, Entscheidungsfaktoren und Wirkungen ins Zentrum der Betrachtung rücken. Orte werden kontextabhängig, transdisziplinär und in einem dynamischen Prozess entwickelt.

 

Für den Kurstandort Burtscheid wurden 5 Teilräume identifiziert, die in Abhängigkeit zu einander wirken. Anhand von 6 Dimensionen (Regulatoren, Nutzung, Szenografie, Sozialgefüge, Bedeutung, Zeit) wurden prägende Faktoren identifiziert, anhand derer die Teilräume interagieren. Es entstehen charakteristische Orte mit eigenständigem Narrativ und zugänglicher Identität. Eine produktive Fiktion wird als Zielfolie und erzählerisches Motiv formuliert: „Willkommen in Burtscheid: Haus des Gastes, Kurpark und Promenade!“

 

Vision Kurort 2040 - Bürgerstadt mit internationalem Renommee

 

Die Zusammenführung einer lebenswerten Bürgerstadt und die Weiterentwicklung als Kur- und Heilort mit internationaler Ausstrahlung bildet die Perspektive für Burtscheid. Gerade die Integration in eine gewachsene, vielfältige und historisch bedeutende städtische Struktur zeichnet Burtscheid gegenüber anderen Bäderstandorten aus. Genau diese Authentizität als „Alltagsstadt“ gilt es mit der Qualität des attraktiven, europäischen Erholungsorts für eine internationale Klientel auszubalancieren. Die außergewöhnlichen Maßstäbe, die an einen solchen Ort angelegt werden dürfen, fordern eine in besonderem Maße gesundheitsfördernde Stadtentwicklung.

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Kurpark

 

Der Kurpark wird topographisch durch seine Lage im Talkessel geprägt und ist die grüne Kulisse Burtscheids.  Der als Baudenkmal eingestufte Park wird behutsam weiterentwickelt. Im Vordergrund stehen eine Erweiterung der Parkränder, sowie der Rückbau der VIALIFE Rosenquelle und des Anbaus der Parkterrassen. Die Dammstraße wird zur Promenade umgestaltet und der Raum für PKW-Stellplätze auf ein Mindestmaß reduziert. Die neue Kurpromenade wird nur für den Anliegerverkehr freigegeben und stellt einen rücksichtsvollen Bezug zur historischen Parkpromenade und den vorhandenen Parkausgängen her. In Richtung Kurbrunnenstraße entsteht eine großzügige Wiesenfläche mit neuen Wegeanbindungen an das Viadukt. Dabei bleibt der Parkplatz am Viadukt zunächst unberührt und wird im Verlauf der Verkehrswende einer neuen multifunktionalen Nutzung zugeführt. In der Parkmitte prägen die neuen Thermal-Terrassen den Hang direkt unter der Kirche St. Michael und schaffen einen Bezug zur Michaelsquelle.

 

Der Ferberpark schwingt mit

 

Der Ferberpark weist bereits viele qualitativ hochwertige Merkmale auf und wird durch die Aufwertung der Friedrich-Ebert-Allee als begrünte Ader zu einem wesentlichen Baustein innerhalb des Kreislaufs „Kurpromenade – Burtscheider Markt – Kapellenstraße - Ferberpark - Friedrich-Ebert-Allee - Kurbrunnenstraße".

 

Haus des Gastes

 

Ein neues Haus des Gastes begrüßt die Ankommenden und bildet so den Auftakt des Kurviertels. Neben der Funktion als Anlaufstelle für Gäste, und genauso für Aachener, werden dort Veranstaltungsräume als Ersatz für den Teilrückbau der Kurparkterrassen integriert. Darüber hinaus kann hier ein hochwertiges Übernachtungsangebot mit bester Aussicht auf Kurpark und historische Silhouette entstehen.

 

Klostercampus

 

Der Klostercampus ordnet sich städtebaulich um einen zentralen und übersichtlichen Freiraum, der so eine Neuinterpretation des historischen Klostergartens darstellt. Die Absicht den neuen Klostergarten an drei Stellen zur neuen Klosterpromenade zu öffnen und gleichzeitig eine übersichtliche Anbindung an das Marienhospital zu schaffen, stellt den halböffentlichen Charakter des Klostergartens in den Vordergrund. Die Einbeziehung sich derzeit in Privatbesitz befindlicher Grundstücke soll die außerordentliche Chance der Erweiterung des Klostergartens zur Disposition stellen.

 

Vita Vertikale - Forum für ganzheitliche Gesundheit (Jägerstraße)

 

Der Standort Jägerstraße mit der leuchtturmhaften, historischen Tuchfabrik bietet durch seine Lage als Bindeglied zwischen Kurpark und Hauptbahnhof (neuer Südausgang) die Chance für eine Nutzung mit überregionaler Attraktivität. Vorgeschlagen wird ein multifunktionales Gebäude-Ensemble (Tuchfabrik + Neubau), das sich umfassend den Themen der körperlichen und geistigen Gesundheit im internationalen Kontext widmet. Mögliche hybride Nutzungsbausteine für diesen Standort sind Bildungsangebote, Bibliothek, Seminarräume sowie Sport- und weitere Kultur- und Erholungsangebote.

 

Das deutlich über dem Kurpark gelegene Gelände wird durch eine neue Treppenanlage und einen schrägfahrenden Plattformlift an die Kurpromenade angebunden. Die einzigartige Topografie des zur Kurpromenade orientierten Hanges, vis-a-vis mit St. Michael, wird durch neue Aufenthaltsterrassen in Wert gesetzt. Die Aufwertung der Wegebeziehungen zum zukünftigen Südausgang des Hauptbahnhofs eröffnet neue Möglichkeiten für das gesamte Quartier.

 

Das Quartier 74° weiterdenken

 

Das Neubebauung wird in die Vision des Quartiers 74° eingebunden. Es entsteht eine höhengestaffelte Architektur, auf die der Freiraum und der Städtebau detailgenau reagieren kann. Durch den Umbau des (bis auf Weiteres) zu erhaltenden Schwertbades entsteht eine öffentliche, barrierefreie und direkte Anbindung des oberhalb gelegenen Wohnviertels an den Markt. An der Benediktinerstraße entsteht eine selbstverständliche Platzsituation zur niedrigschwelligen Teilhabe am öffentlichen Leben. Die Freiflächen innerhalb des neuen Ensembles bieten auf abgestuften Ebenen Begrünung und Platz für Kinderspiel.

 

Mobilität

 

Für ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept sind zwei ortsspezifische Faktoren besonders wichtig: Erstens die starke Topografie, Stichwort Barrierefreiheit, und zweitens der Status des Heilbades mit Blick auf Luftqualität einerseits und eine teils betagte Klientel andererseits. Neben den notwendigen und vergleichsweise kleinteiligen Umgestaltungsmaßnahmen wie die Anpassung der Gefällesituationen im Kurpark, die Überwindung der Höhensprünge in den Bereichen Schwertbad oder Jägerstraße sowie die Neuzonierung im Bereich Markt, wird eine strukturelle Änderung des Mobilitätsverhaltens initiiert. Zum Beispiel durch Priorisierung von Fußgängern und nicht-motorisierter Fortbewegung, kurze nachbarschaftliche Wege, eine vielfältige Nahversorgungssituation, ein sozial integrierendes Umfeld sowie gute Angebote für Freizeit und Erholung.

 

Die Kurbrunnenstraße/Friedrich-Ebert-Allee als am stärksten emittierender Bereich wird als Tempo 30-Zone ausgebildet. Während dort ausgewiesene Radwege installiert werden, verliert die Transitfunktion dieser Straße als Einflugschneise ins Zentrum an Attraktivität. Durch die Ausbildung des Straßenzuges als Allee erfolgt ein Ringschluss mit dem Ferberpark in Richtung Markt. Diese Maßnahme ist zum einen dem Anspruch an die Luftqualität in einem anerkannten Heilort geschuldet, zum anderen schafft es Aufwertung und Integration der östlich gelegenen Gebiete Burtscheids.

 

Das Parken in den besonders sensiblen Bereich (z.B. Kurpromenade) wird weitgehend reduziert. Im Gegenzug entstehen Quartiersgaragen wie am Ferberpark, und es werden die verschiedenen bereits vorhandenen Parkhäuser und Parkgelegenheiten durch digitales Belegungsmanagement in ihrer Auslastung optimiert. Darüber hinaus finden Carsharing, Mobility Hubs und andere sich ständig weiterentwickelnde Konzepte selbstverständlich ihren Platz und werden zukunftsoffen integriert.

 

Heilquellen und Thermalwasser

 

Das Thema der Thermalquellen und die Offenlegung des Baches werden gemeinsam entwickelt. Der Bach wird an drei charakteristisch unterschiedlichen Orten freigelegt. Vom Burtscheider Markt (Höhe Abteitor) fließt der Bach Richtung Kurpromenade. Eine urbane Gestaltung ermöglicht die Querung des nur wenige Zentimeter tiefen Bachlaufes und bietet Spielmöglichkeiten für Kinder. Ab dem alten Rathaus verläuft der Bach entlang der historischen Parkpromenade und bildet eine weiche Kante zum Park aus. Schließlich bespielt der dritte naturnahe Abschnitt die neue große Kurparkwiese und verläuft von den Parkterrassen bis in die Hangkante der Wiese an der Kurbrunnenstraße. Entlang des Bachlaufes werden die Thermalquellen in verschiedenen Ausprägungen thematisiert: Am Landesbad erfolgt eine rein informative Aufbereitung, wohingegen im Schwertbad, das Thermalwasser ganzheitlich erlebbar ist. Der Thermalbrunnen am Burtscheider Markt macht das ca. 63°C warme Wasser haptisch erfahrbar. Am alten Rathaus wird auf die Kochquelle hingewiesen. Die Michaelsquelle wird durch ein Fußbad an den Thermalterrassen erlebbar. Die bereits in Szene gesetzte erwärmte Bank an der Rosenquelle führt zum freigelegten und historisch wertvollen Karlsbad an den Parkterrassen. Als Willkommensgeste mit Wiedererkennungswert hüllen Nebeldüsen das Haus des Gastes zeitweise in einen sanften Schleier. Hier kann im Winter auf warmes Quellwasser zurückgegriffen werden; im Sommer kühlen feine Tropfen die flanierenden Passanten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Für die Teilbereiche „Schwertbad“ und „Jägerstraße / Dammstraße“ entwickeln die Verfasser*innen sehr schlüssige räumliche und inhaltliche Konzepte. Am Schwertbad überzeugt die städtebauliche Setzung mit Anschluss an das Quartier 74° unter Einbeziehung der Topografie. Die Fortführung der Nutzung des Thermalwassers in diesem Bereich ist noch zu klären.

Ebenfalls sehr positiv wird der Teilbereich in der Jägerstraße bewertet. Hier schlagen die Verfasser*innen mit der „Vita Vertikale“ einen räumlich wie inhaltlich kräftigen Baustein zur Stärkung des Gesamtstandorts als Gesundheitsquartier vor. Die Jury begrüßt den Vorschlag, eine vielfältige Nutzungsmischung in einem ergänzenden Baukörper unterzubringen, sodass ein multifunktionales Gebäude-Ensemble entsteht, das gut sichtbar als Pendant zum Klosterareal wirkt. Ebenfalls gelungen ist das räumliche Zusammenspiel von Baukörpern und qualitativ hoch-wertigen Freiräumen sowie der großzügige Anschluss zum tiefergelegenen Kurpark über eine Rampe.

Ein ungerichteter Baukörper markiert den Auftakt zum neuen Kurpark an der Kurbrunnenstraße / Dammstraße. Die stadträumliche Setzung und die Nutzung „Haus des Gastes“ an dieser Stelle werden begrüßt. Die architektonische Ausformulierung des Baukörpers sowie der Vorschlag, darin unterirdische Veranstaltungsräume anzuordnen, wird von der Jury indes problematisch gesehen.

Mit der städtebaulichen Lösung im Teilbereich Klosterareal scheinen die funktionalen Anforderungen an einen Klinikbetrieb gut erfüllt. Die Verfasser*innen haben sich in der Auseinandersetzung mit dem in der Aufgabenstellung formulierten Flächenbedarf der Klinik für eine Reduzierung entschieden. Trotz Einhaltung von Abstandsflächen rückt die Bebauung der angrenzenden Wohnbebauung im Osten sehr nahe. Die Gestaltung als Klostercampus wirkt großzügig, allerdings nur unter Einbeziehung von außerhalb der Plangebiets liegenden Privatflächen. Dagegen gelingt die freiräumliche Einbindung des Klosterareals ins Quartier nicht. Zwar wirkt die stadträumliche Geste eines zurückgesetzten Baukörpers neben dem Kloster richtig, die konkrete Gestaltung der so entstehen-den Eingangssituation kann allerdings keine einladende Wirkung entfalten. Der Eingang von der Friedrich-Ebert-Allee wird von der Andienung bestimmt und kann auch aufgrund zu enger Raumfolgen keine attraktive Sicht- und Wegeverbindung bilden. Die vorgeschlagene drei bis viergeschossige Bebauung im nördlichen Klostergarten entspricht nicht den stadtklimatischen Vorgaben. Insgesamt wirkt das Klosterareal wenig einladend und bildet einen nach außen verschlossenen Stadtbaustein.

Der historische Kurpark wird in der Fläche nach Norden und Westen erweitert und mit neuen Funktionen wie dem Haus des Gastes und Wassernutzungen versehen, was zu einer grundsätzlichen Aufwertung des Grünraums bei-trägt. Die Jury bemängelt, dass die landschaftsarchitektonische Ausgestaltung vage bleibt und so die neuen Qua-litäten nicht gut erkennen lässt. Kritisch wird an der Arbeit der hohe Versiegelungsgrad im Park gesehen, der sich in der Wegeführung, der Erweiterung der Kurpark-Terrassen und in der großen, wenig gestalteten Fläche vor dem Viadukt zeigt.

Begeistert zeigte sich die Jury von dem Vorschlag, in den Hang eingelassene „Thermalterrassen“ zu entwickeln. Diese könnten ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für den Badstandort Aachen werden und sind sowohl für die Klinikbesucher*innen als auch für die Burtscheider*innen und darüber hinaus als Attraktor zu bewerten.

Der Vorschlag, die Kubatur der Kurpark-Terrassen auf den historischen Bestand zurückzuführen und das Fürstenbad von außen wieder ablesbar zu machen, wird insbesondere aus denkmalpflegerischer Sicht begrüßt. Allerdings ist die vorgeschlagene Lösung der Verfasser*innen, den Veranstaltungsraum unterirdisch im Haus des Gastes unterzubringen, aus Sicht der Jury nicht zielführend. Dieser Ansatz stellt keinen adäquaten Ersatz für die zurückgebauten Veranstaltungsflächen dar.

Die Verortung des grundsätzlich sehr positiv aufgenommenen Themas der „Thermalterrassen“ wirft im Hinblick auf die wichtige Blickachse auf die Kirchen St. Michael und St. Johann nicht nur aus denkmalpflegerischer Sicht Fragen auf. Gleiches gilt für den Umgang mit der denkmalgeschützten Michaelsbergschule.

Die Jury begrüßt die grundsätzlichen Überlegungen, den Rad- und Fußverkehr im Quartier zu stärken und den Verkehr neu zu organisieren, z.B. durch Quartiersgaragen und Mobilitäts-Hubs. Bezweifelt werden darf, ob die vorgeschlagene Lösung mit einer zusätzlichen Quartiersgarage am Ferberpark den Anforderungen gerecht wird. Hier bleibt die Arbeit in ihren Aussagen zum gesamten Betrachtungsraum zu vage.

Insgesamt kann die Arbeit „Burtscheid in Resonanz“ vor allem durch gelungene städtebauliche Vorschläge in den Teilbereichen Schwertbad und Jägerstraße / Dammstraße und einem neuen Stadtteileingang im Bereich der Ro-senquelle überzeugen. Besonders positiv hervorzuheben sind auch bereichernde Nutzungsideen, wie das „Vita Vertikale“ und die „Thermalterrassen“. Schwäche der Arbeit bleibt aus Sicht der Jury allerdings die nur in groben Ansätzen erkennbare frei- und stadträumliche Vernetzung – vor allem in Talquerrichtung sowie das Fehlen einer klar erkennbaren räumlichen Qualität des Kurparks.

Resonanz, Teilbereiche und Strategie „Place Making“

Resonanz, Teilbereiche und Strategie „Place Making“