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Einladungswettbewerb | 11/2021

Neubebauung ehemaliges Karstadt-Areal am Nordbad in München

1. Preis

Preisgeld: 46.000 EUR

Schluchtmann Architekten

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

liebald+aufermann landschaftsarchitekten und stadtplaner PartG mbB

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Der Niederwald auf dem hohen Dach.
Seit der Steinzeit betreiben Menschen Waldbau in verschieden langen Zyklen.
Die Niederwälder mit kurzen Umtriebszeiten können auf den Dachflächen sehr
schnell eine dichte, artenreiche Waldstruktur bilden, die von Wegen und
Lichtungen aus erlebt werden kann.
Die Gehölze (Hasel, Feldahorn, Wildapfel, Wildbirne, Esskastanie) werden nicht
hoch (4-8 m), so dass Windturbulenzen die Standsicherheit nicht gefährden.
Sie werden abschnittsweise immer wieder auf den Stock gesetzt und treiben
dann neu aus. Die Früchte sind Nahrung für Tiere und können auch von der
Gastronomie verarbeitet werden. Totholz verbleibt teilweise als Lebensraum für
Insekten/Vögel auf dem Dach.

http://www.liebald-aufermann.de/wettbewerbe

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit 1012 fügt sich auf allen vier Gebäudeseiten städtebaulich in die Umgebung sehr gut ein. Der Haupteingang mittels Kolonnaden in Richtung Norden und Osten bildet einen sehr guten Übergang zum Platzbereich zwischen dem Nordbad und dem Stadtarchiv. Die offene Markthalle wird über diese Kolonnade von der Schleißheimerstraße aus erschlossen. Durch faltbare Glaswände kann diese im Winter geschlossen werden, im Sommer gelangt man über die Markthalle in einen städtischen Innenhof, der Durchgänge nach Norden, Osten und Süden ausbildet. Auch an den übrigen Erdgeschossfassaden ohne Kolonnaden sind allseitig zum öffentlichen Raum hin Frequenz bringende Nutzungen angeordnet.

Die Traufhöhen orientieren sich an der jeweiligen Nachbarschaft. Zur Wormser Straße ist eine nutzbare Dachterrasse orientiert, die Bezug auf die Traufhöhen der benachbarten Wohngebäude nimmt, da insbesondere der 45 Grad Lichteinfallswinkel eingehalten erscheint. Die übrigen Abstandsflächen scheinen ebenfalls eingehalten, sind aber im weiteren Verfahren zu prüfen.

Zum Platzbereich zwischen Nordbad und Stadtarchiv wird die höchste Traufe mit sieben Geschossen vorgeschlagen. Darüber werden ein Café und ein Veranstaltungsbereich in einer an Gewächshäuser angelehnten Struktur angeordnet. Über diesen Bereich wird eine großzügige Dachterrasse mit verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten, wie Freischankflächen, Ruhezonen, Spielplätzen und Urban Gardening sowie eine Aussichtsplattform situiert. Die Überhöhung an dieser Stelle ist städtebaulich ein adäquater Ausdruck im Kreuzungsbereich Schleißheimer Straße/ Elisabethstraße. Diese Betonung der übergeordneten Kreuzung und zur Platzfläche zw. Nordbad und Stadtarchiv überragt die benachbarten Traufhöhen, ist aber städtebaulich verträglich und wünschenswert. Eine Beeinträchtigung der Nachbarschaft ist nicht zu erwarten.

Die Gestaltung der Markthalle orientiert sich an Eindrücken, die man aus Städten wie Barcelona, Paris oder ähnlichen Metropolen kennt. In einem offenen, überdachten Raum werden kleinteilige Stände frei angeordnet. Durch die Markthalle werden mit einer guten Adressbildung über nach unten führenden Rolltreppen der Nahversorger und ein Drogeriemarkt erschlossen. Beide Ladenflächen sind sehr gut geschnitten. Auch die Lagerflächen werden gut angeordnet und über die Anlieferungszone an der Winzererstraße mit einem Lastenaufzug erschlossen. Die Tiefgarage ist übersichtlich, wie auch die im Untergeschoss angeordneten Fahrradabstellplätze. Vom Innenhof werden Nutzungen öffentlichkeitswirksam erschlossen: Restaurant, Lobbys für die Büroflächen, Café und eine Mobilitätsstation mit Fahrradwerkstatt. Vom südlichen Durchgang aus ist die im ersten OG an der Südfassade angeordnete Kindereinrichtung erreichbar. Die in den Obergeschossen angeordneten Büroflächen sind zwar relativ tief, bieten deshalb aber auch eine hohe Flexibilität in deren Nutzung und sind in unterschiedliche Größen unterteilbar.

Die zweigeschossige Kolonnade Richtung Platzfläche wird durch Betonstützen zum öffentlichen Raum hin abgegrenzt, auch die Markthalle wie die Lobbys zu den Büros sind zweigeschossig. Die darüber liegenden Bürogeschosse sind in einer selbsttragenden Fassadenkonstruktion gegliedert. Die Fenster bestehen aus einer Holz-Alukonstruktion. Durch unterschiedliche Achsbreiten und horizontale Gliederung sowie die Formate und Materialität der verglasten Flächen ergibt sich ein differenziertes Raster womit die Fassade gestalterisch auf die Umgebung reagiert. Zum Innenhof orientiert ist allen Büroflächen ein umlaufender Balkon mit einer leichten Metallbrüstung zugeordnet. Von den Obergeschossen ist die Abstufung des Innenhofs erkennbar. Auf dem Dach der Markthalle befindet sich eine weitere gut nutzbare Dachterrasse. Die in der Materialität vom Hauptvolumen unterschiedlich gestalteten Dachaufbauten fügen sich in die Gesamtkonzeption der Fassade gut ein und nehmen sich gegenüber dem Hauptbaukörper zurück.

Die Idee, einen großen Teil der Dachflächen als artenreiche, vielfältig strukturierte Grünfläche mit einer niedrig aufwachsenden Waldbewirtschaftung zu entwickeln, verspricht eine hohe Biodiversität und Erlebnisqualität - entsprechende Aufbauhöhen wie dargestellt vorausgesetzt. Die Sinnhaftigkeit, den ohnehin schattigen Hof mit einem dichten Hain zu bepflanzen wird hinterfragt. Begrüßt werden auch die differenzierten Vorschläge der Beetaufkantungen an den Fassaden sowie der Einsatz von Baumrigolen bei der Neupflanzung von Straßenbäumen. Die im Süden liegende Freifläche für die KiTa auf dem Dach ist ein gutes Angebot. Sehr gut gelungen ist die öffentliche Durchwegung im Erdgeschoss.

Die Untergeschosse sind konventionell in Stahlbeton ausgeführt. Die Obergeschosse bestehen aus einer Holzhybridbauweise mit Stützen aus Baubuche und Holzhybriddecken. Diese Konstruktion lässt zwar höhere Baukosten erwarten, entspricht aber heutigen Vorstellungen einer nachhaltigen Baukonstruktion und der Aufgabenstellung.

Die Gebäudetechnik wird sinnvoll in den Untergeschossen angeordnet und macht so keine zusätzlichen Technikaufbauten erforderlich, die die Dachfläche einschränken oder stören würde. Die notwendigen Entlüftungen werden in Schächten an den Treppenkernen geführt.

Die Qualitäten besonders der Dachbegrünung und der Materialwahl der Baukonstruktionen lassen ein nachhaltiges Gebäude erwarten. Dazu trägt auch das energetische Konzept mit einer thermischen Aktivierung der Bohrpfahlwand, Wärmepumpen zur Kälteversorgung im Sommer sowie für einen Teil der Wärmeversorgung im Winter bei. Der Energiebedarf wird durch Wärmerückgewinnung und Fotovoltaik auf den Pavillondächern minimiert.

Insgesamt liegt ein Beitrag vor, der aus städtebaulicher Sicht sowie hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit und architektonischer Ausführung überzeugen kann und sich gut in die Nachbarschaft einfügt. Wichtig dabei ist jedoch, dass die architektonische und ökologische Qualität bis zur Ausführung durchgehalten und umgesetzt wird. Stadtplanerisch ist entscheidend, dass die Nutzungsvielfalt, die Qualität und Zugänglichkeit des Erdgeschosses und vor allen Dingen die Zugänglichkeit des Cafés sowie der großen Dachterrasse mit den unterschiedlichen Angeboten für die Öffentlichkeit vom Bauherren umgesetzt und gesichert wird.
Perspektive Elisabethstraße / Ecke Schleißheimer Straße

Perspektive Elisabethstraße / Ecke Schleißheimer Straße

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Querschnitt

Querschnitt

Visualisierung

Visualisierung

Querschnitt

Querschnitt

Niederwald

Niederwald

Abgabeplan 01

Abgabeplan 01

Abgabeplan 02

Abgabeplan 02

Abgabeplan 03

Abgabeplan 03

Abgabeplan 04

Abgabeplan 04

Abgabeplan 05

Abgabeplan 05

Abgabeplan 06

Abgabeplan 06