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Offener Wettbewerb (nur fĂĽr Studenten) | 07/2021

Glorious Hubs – Die Wiederentdeckung der Bahnhofsareale als zentrale Lebensorte der Region Stuttgart

3. Preis

Preisgeld: 1.500 EUR

Chris Philipp

Student*in

Jan Tondera

Student*in

Rosa Walz

Stadtforschung

Milan Wittrock

Student*in

Yannik Zelenka

Student*in

Erläuterungstext

IN WELCHER WELT WIR LEBEN
Wir leben mittlerweile in einer Welt, in der die künstliche, vom Menschen produzierte Masse die weltweite Biomasse übersteigt. In der die Deutschen täglich 180 ha Land für Verkehrs- und Siedlungsflächen in Anspruch nehmen. In der in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten die Verkehrs- und Siedlungsfläche Deutschlands von etwa 40.000 auf über 50.000 km² anstieg – ein Wachstum von mehr als 27%. In einer Welt, in der vergangenes Jahr der Anteil der genehmigten Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern 38% aller deutschen Wohnungen betrug. In der die deutsche Bauwirtschaft mehr als die Hälfte des gesamten Müllaufkommens der Republik zu verantworten hat. In der – Sage und Schreibe – 7% des Baumülls wiederverwertet werden. In der deutschlandweit täglich 4 ha Land zur Gewinnung von Baumaterial in Anspruch genommen werden. In EINER Welt, in der die Hemmschwelle zu Gebäudeabriss und -neubau deutlich zu niedrig liegt oder gar nicht erst vorhanden ist, da sich Abriss und Neubau zu häufig als lohnenswert herausstellen. Wohin soll diese Entwicklung führen?
WELCHE WELT WIR BRAUCHEN Wir brauchen eine Welt, in der flächenschonend und nachhaltig mit der endlichen Ressource Boden umgegangen wird. In der ein Wandel der Bauwirtschaft stattfindet und mehr Bewusstsein auf wiederverwertbares Baumaterial und polyvalente, vielfältig nutzbare Strukturen gelegt wird. In der die Gesellschaft weniger auf Inbesitznahme pocht, sondern bereit ist, gemeinsam die EINE Welt zu retten, anstatt sie weiter zu vermüllen und an sich zu reißen.
DER GAME-CHANGER Das große TAMMbularasa lebt dieses Bewusstsein und diese neue Form der Gesellschaft und setzt sie gleichzeitig voraus. Unter Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsgedankens baut die Grundidee der Arbeit auf den bestehenden Strukturen Tamms auf. Mit dem GAME-CHANGER wächst Tamm sowohl in der Fläche als auch gesellschaftlich zusammen. Aktuell stellt die Bahntrasse eine große Trennung der Gemeinde dar, die mit einer großzügigen städtebaulichen Geste überwunden wird. Die bestehende Fußgängerunterführung verwandelt sich durch die große Verbreiterung zu einer attraktiven, lebendigen und multifunktionalen Verbindung.
BRINGT DIE ZAHNRÄDER INS ROLLEN Neben der räumlichen Verbindung sorgt das zweite Element des Game-Changers für die Vernetzung der Bürgerinnen und Bürger: die Bürgerstiftung 2.0 im Tower. Das Quartiersbüro basiert auf der bestehenden Tammer Bürgerstiftung. Mit festen AnsprechpartnerInnen dient es als zentrale Anlaufstelle für die Bevölkerung direkt am Bahnhof. Die TammerInnen werden zu Pioneers, zu PlanerInnen, zu ArchitektInnen und zu ProjektmanagerInnen. Sie selbst entscheiden mit fachlicher Unterstützung über die Entwicklung der eigenen Gemeinde. Im Quartiersbüro werden die verschiedensten Projekt- und Entwicklungsideen von TammerInnen für TammerInnen angenommen, koordiniert und begleitet. Für die gemeinsame (Weiter-)Entwicklung und Umsetzung werden hier FachexpertInnen hinzugezogen. Bei ähnlichen oder aufeinander aufbauenden Ideen zwischen den Pioneers vermittelt die Bürgerstiftung 2.0. Zusätzlich sensibilisiert sie das Thema Recycling und schafft ein ökologisches Bewusstsein innerhalb der Bevölkerung. Mit seiner Lage unter, am und über dem Bahnhof steht der Game-Changer für eine neu gedachte und optimierte Mobilität.
DER WERKZEUGKASTEN | TAMM BLÜHT AUF Der Game-Changer macht nur den Anfang des umfangreichen Werkzeugkastens für ein wandlungs- und anpassungsfähiges sowie vielfältiges neues altes Tamm. Die verschiedenen Werkzeuge sollen beispielhaft anhand einer möglichen Entwicklung Tamms in verschiedenen Phasen dargelegt werden. Der Anzahl der Phasen, sowie deren einzelnen Ausmaße sind keine Grenzen gesetzt. Sie werden einzig und allein von der Tammer Bevölkerung bestimmt.
PHASE 1 | DER POLLENFLUG Die Entwicklung von Flächen und Umsetzungen von Planungen benötigen Zeit und sind ein durchgehend wandelbarer Prozess. Daher werden die vorerst temporären Ideen der Tammer PioneerInnen in Form von CONTAINERN umgesetzt – von Galerien über Fahrradwerkstätten bis hin zu Cafés. Dies ermöglicht ein flexibles und rechtzeitiges Reagieren auf Unvorhergesehenes und stellt gleichzeitig die Testphase dar: wie wird es angenommen und nachgefragt. Feste Vorgaben zur Lage und Größte der CONTAINER-CITIES existieren nicht. Der ehemalige Parkplatz südlich der Gleise sowie die „neue Mitte“ nördlich des Game-Changers bilden jedoch zwei ideale Standorte. Dafür ist ein Infrastrukturnetz mit zentraler Ver- und Entsorgung vorgesehen. Direkt an der neuen Mitte und dem Bahnhof angrenzend entsteht der erste große Mobility Hub. Dieser bietet attraktive Sharing-Angebote, Fahrradwerkstatt, Infopoint sowie Abstellflächen für Auto und Fahrrad. Mit öffentlich wirksamen UMNUTZUNGEN, AUFSTOCKUNGEN und der Etablierung von DACHNUTZUNGEN auf den Bestandsgebäuden südlich der Bahntrasse sollen bestehende Potentiale in Tamms Mitte aktiviert und ausgeschöpft werden. Als weiterer Magnet und verbindendes Element dient das im Game-Changer angesiedelte KIEZGERWERBE. Es zieht sich vom neuen kulturellen Rathausplatz über die Unterführung zur neuen Mitte und bietet Platz für Kreative und GastronomInnen. Dessen Räume lassen sich je nach Anforderung durch Trennwände flexibel vergrößern oder verkleinern. In Kooperation mit dem ansässigen Unternehmen „Holzbau FALLER“ entsteht am Grünen Hang für die Tammer Tiny-Pioneers mit der WERKSTATT FALLER das Erfolgsrezept zum Verwirklichen der eigenen Wohnträume im GRÜNEN. Hier finden TräumerInnen und NaturburschInnen fachliche Unterstützung in der Umsetzung autarker und flächensparender TINY HOUSES oder BAUMHÄUSER. Für diese BewohnerInnen bildet das GRÜNE WOHNZIMMER die gemütliche Infrastruktur. Neben Sanitäranlagen stehen darin auch gemeinsam nutzbare Flächen für Bewegung und Sport sowie lebendige Gemeinschaftsräume zur Verfügung.
PHASE 2 | TAMM SCHWÄRMT AUS Im Sinne des UPCYCLING-Gedankens wird Altes von den TammerInnen wiederverwertet und neu gedacht. Grundlage dazu schafft der in der zweiten Phase etablierte SCHROTTI mit einer großen Auswahl an verschiedenen – zuvor bereits anderweitig verwendeten – Materialien. Verwaltet wird das Schrotti-Areal ebenfalls vom „Holzbau FALLER“. Benötigte Materialien für weitere Tiny Houses, Baumhäuser oder sonstige Projekte aus der Bevölkerung sind hier vorrätig. Die fest etablierten Nutzungen in der CONTAINER-CITY finden im flexiblen, polyvalenten und anpassungsfähigen STADTREGAL ihren neuen Standort. Das STADTREGAL bietet mit seiner modulbauweise unterschiedlich viel Platz für die unterschiedlichsten Nutzungen. In den CO-WORKING-SPACES wartet ausreichend Platz für kreative Inspiration, Energie und Austausch. Auch das Leben & Wohnen im Stadtregal ist vielfältig. Im MEHRGENERATIONENWOHNEN treffen alle Generationen aufeinander und profitieren gegenseitig voneinander – helfende Hände treffen hilfreiche Lebenstipps. Im GENOSSENSCHAFTSWOHNEN wird das Motto „sharing ist caring“ gelebt. Das TEMPO-LIVING bildet für Unentschlossene ein temporäres Zuhause. Diejenigen, die diese Entscheidung schon gefällt haben finden während der Umsetzung ihres Wohnprojekts eine Bleibe. Die Bahnhofsstraße verwandelt sich in der zweiten Phase entlang der Container und um-/ weitergenutzten Bestandsgebäude in den KULTURBOULEVARD. Die neue Form der Mobilität wird hier erlebbar. Er bietet Platz für alle gleichberechtigten TeilnehmerInnen und wird links und rechts von verschiedensten öffentlich wirksamen Nutzungen bespielt. An den jeweiligen Eingängen im Osten und Westen sorgen die zwei weiteren Hubs für Abstellmöglichkeiten des Autos und Fahrrads und für weitere Bike- und Carsharing-Angebote. Sie ermöglichen die Umsetzung eines autoarmen Quartiers mit vielen kurzen, direkten Fußwegeverbindungen.
PHASE 3 – TAMM BLÜHT AUF Die letzte Phase beinhaltet keine weiteren Anwendungen neuer Werkzeugelemente, sondern steht für eine eigenständige und flexible Weiterentwicklung. Weitere etablierte Nutzungen können sich weiter verfestigen. Mögliche Fluktuationen anderer Nutzungen werden durch die Container-Struktur abgefangen. Tamm wächst dank der Werkzeugelemente nachhaltig und umweltbewusst von sich heraus und verfolgt dabei immer den Grundsatz: Erhalt von Natur und Bestand – auf Rohstoffrecycling basierte Entwicklung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der sorgfältig ausgearbeitete Entwurf setzt sich eingehend mit dem Bestand auseinander. Ziel ist es, die vorhandenen städtebaulichen Strukturen effektiv für ein Mobilitätskonzept und eine nachhaltige Innenentwicklung zu nutzen. Um ein Netz von Mobilitätshubs zu entwickeln, erfolgt dabei zunächst die stufenweise Umwidmung von Garagen und Parkplatz-Flächen. Langfristig sollen diese Hubs ausgedehnt und auch für Gemeinbedarfs- und Logistiknutzungen zur Verfügung stehen. Erst in der Weiterentwicklung entsteht ein Bahnhofsquartier am Haltepunkt Renningen Süd, das eher traditionell gemischt genutzt ausgestaltet ist. Die Gebäude sind gedacht als Typologie-Hybride für Wohnen und Nahversorgung, adressbildende Sonderbauten für Kultur und Büronutzung sowie Wohngebäude für unterschiedliche Wohnmodelle. Der angestrebte Transformationsprozess erfolgt insgesamt partizipatorisch und fokussiert sich in erster Linie auf die Innenentwicklung sowie auf die Aufwertung und Nachverdichtung des Bestandes. Der Entwurf zeigt sehr detailliert und nachvollziehbar den Weg dorthin auf und rückt die Erforderlichkeit eines vitalen und nachhaltigen Mobilitäts- und Wohnverhaltens in den Vordergrund.