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Offener Wettbewerb | 04/2022

Entwicklung Quartier Spinnweberei in Uhingen

Schaubild Quartierseingang

Schaubild Quartierseingang

3. Preis

Superworld

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

studio audal

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Einleitung

Wir stellen uns das neue Spinnwebereiquartier als einen Ort der Inspiration für zukunftsorientierten Städtebau vor. Einen Ort, der die urbanen Qualitäten Uhingens erweitert, und neue Ideen zu Nachhaltigkeit, Inklusion und Diversität erprobt. Einen Ort, der mit differenzierten Freiräumen, Wohnformen und Synergien zwischen Funktionen besticht, und der Menschen allen Alters zusammenbringt und glücklich macht.

 Unsere Herangehensweise an das Quartier wird dabei auch von Prinzipien gelenkt, die wir als Triebfedern für einen innovativen Städtebau im 21. Jahrhundert ansehen. Diese beinhalten ökologische Parameter, wie den Übergang zu einer Baukultur der Zirkularität, erneuerbaren Energiegewinnung, und biologischer Baustoffe – aber auch Prinzipien der partizipativen Landentwicklung, und der Agilität und Adaptionsfähigkeit von Bauwerken an neue Bedürfnisse über deren Lebenszyklus hinweg. Zusammengefasst befürworten wir die Abkehr von der anthropozentrischen Stadt, und den Fortschritt hin zur ökozentrischen Stadt. In dieser machen wir uns die Natur und ihre Kreationen nicht länger untertan, sondern sehen sie als gleichberechtigt zu Homo Sapiens an, und integrieren ihre Bedürfnisse und Ansprüche in unsere Städte. Mit diesen Prinzipien als Leitgedanken wird das Spinnwebereiquartier als zukunftssichere und nachhaltige Stadterweiterung manifestiert, das einen ambitionierten Beitrag zur IBA’27 leisten wird.

 

Regionale Wirkung

Das Spinnwebereiquartier in seiner zentralen und gut erschlossenen Lage in Uhingen hat in unseren Augen das Potential, seine Wirkungskraft über seine Grundstücksgrenzen hinaus zu entfalten. Zum einen kann es eine Vorreiterrolle in der langfristigen Entwicklung des industriellen Streifens entlang der Bahntrasse spielen – diese können große Potentiale für Uhingen bieten, und der Grundstein dafür kann mit dem Spinnwebereiquartier gelegt werden. Auch im Sinne der Mobilität bietet das Quartier erhebliche Möglichkeiten – Park&Ride, Car-sharing und auch das gemeinsame Nutzen von Lastenräder und E-Bikes kann in einer so zentralen Lage das Bedürfnis nach Automobilen in der Umgebung verringern. Zum anderen findet sich das Areal auch an einer ökologischen Schnittstelle diverser Biotope, sodass erhebliche Beiträge zur Biodiversität heimischer Flora und Fauna geleistet werden können. Naturschutzgebiete in der Umgebung, die nahe Fils, der biologische Korridor entlang der Gleistrassen, sie alle kommen im Quartier zusammen und werden sorgfältig in diesen neuen Stadtbaustein integriert.

 

Städtebauliche Prinzipien

Auf seine unmittelbare Umgebung reagiert das Quartier sehr aufmerksam, um seine vergleichsweise hohe Bebauungsdichte harmonisch in die Stadtstruktur zu integrieren. Dafür werden verschiedene urbane Muster aus dem Kontext übernommen und neu interpretiert, wie die halboffene Blockstruktur mit ihren straßenseitig klar definierten Außenkanten und zusammengewürfelten und undefinierteren Innenhöfen.

Zugleich werden die Schnittkanten zwischen Quartier und Nachbarschaft besonders sorgfältig behandelt, um ein harmonisches Zusammenspiel zu ermöglichen. Hierfür werden die Bauhöhen der Neubauten entlang der Ulmer Straße und Ob. Bahnhofstraße an die der angrenzenden Bebauung angeglichen, und erst in zweiter und dritter Reihe graduell erhöht, um die erwünscht hohe Dichte im Quartier zu integrieren. Vor allem entlang der öffentlichen Routenführung durch das Areal, die die Bahnhofstraße mit der Wilhelmstraße verbindet, wird mit einer quartiersinternen Höhenentwicklung gespielt, um kinematographisch Akzente zu setzen und Menschen visuell durch das Areal zu führen.

Diese dynamische Höhenentwicklung zur Nordseite des Quartiers hin erlaubt es, eine hohe Dichte zu erreichen, während die Grundflächenzahl und damit verbundene Bodenversiegelung in einem mittleren Bereich gehalten werden kann. Die dadurch resultierenden höheren Bauwerke werden gezielt in kleinere Volumina heruntergebrochen, die den Maßstab der Umgebungsbebauung referenzieren, und zugleich ein visuell faszinierendes und charaktervolles Ensemble zu schaffen. Dieser Effekt wird durch das spielerische Integrieren verschiedener Schrägdachformen in die Neubauten noch verstärkt. Diese greifen die bildbestimmende Architektursprache Uhingens auf, ohne sie zu imitieren, und tragen zu der urbanen Integration des Quartiers in seine Umgebung bei.

 

Quartiersstruktur

Das Spinnwebereiareal wird konzeptuell in drei Bereiche unterteilt, hauptsächlich begründet durch die öffentliche Verbindung zwischen Bahnhof- und Wilhelmstraße und funktionale Ansprüche an das Quartier. So werden infrastrukturelle Elemente, wie die optionale Dreifeldsporthalle und das Parkhaus an die Nordgrenze des Bauareals gesetzt, um zum eine effektive Lärmbarriere zu der Bahntrasse zu schaffen. Das Parkhaus wird aus Gründen der Nachhaltigkeit als oberirdische Struktur angelegt, und bildet das infrastrukturelle Rückgrat des Quartiers.

Zwischen Parkhaus und Ulmer Straße wird ein vertikaler Uhinger Block angelegt, der einen stärkeren Fokus auf Wohnfunktionen legt, die mit verschiedenen Gemeinschaftsfunktionen und der Sozialstation ergänzt werden. Hier finden verschiedenste Bevölkerungsgruppen Wohnräume, die ihren Bedürfnissen entsprechen, bunt durcheinandergemischt bezüglich Alter, Familienstatus, Wohnformen und Eigentumsverhältnissen.

Der dritte Quartiersbereich befindet sich an der Ecke Ob. Bahnhofstraße und Ulmer Straße. Hier, eingeschrieben in den Fußabdruck der alten Spinnweberei, wird Platz geschaffen für neue urbane Produktivität, experimentelle Bauweisen, und ein ungewöhnlich enges Verweben von Arbeits- und Wohnfunktionen. Auch an dieser visuell prominenten Ecke gilt „sharing is caring“, und so werden sowohl der Mobilitätshub für Fahrradverleih, Lastenräder und Reparatur hier angesiedelt, als auch ein Maker-space samt Baustoffsammlung, der die Kreislaufökonomie auch über die Quartiersgrenzen hinaus stimulieren wird.

Diese drei Zonen des Spinnwebereiquartiers sind nicht voneinander getrennt, ganz im Gegenteil. Sie stehen in starker Synergie zueinander – sie ergänzen einander, stärken differenzierte Funktionen und rahmen geteilte Freiräume, um ein durchmischtes und diverses Quartier zu schaffen, in dem sich so viele verschiedene Menschen wie möglich zuhause und eingebunden fühlen können.

 

Freiraum- und Landschaftsplanung

Die Freiräume im Spinnwebereiquartier spielen eine wichtige Rolle, um die zuerst genannten Stadtentwicklungsprinzipien umzusetzen, und um einen Stadtbaustein zu kreieren, in dem sich Menschen wohl und sicher fühlen. Wir sehen in diesem Areal das Potential, einen von Ideen der Biodiversität und klimatischen Resilienz geformten öffentlichen Raum zu schaffen, der eine Kulisse für vielfältiges städtisches Leben bietet, und Menschen zusammenbringt.

Konkret werden in unserem Entwurf aber erst einmal die Bahnhofstraße und Wilhelmstraße zusammengebracht. Diese Verbindung wird durch eine Abfolge dreier Plätze geschlossen, die unterschiedlichen Aktivitäten Raum bieten. Während auf den zwei kleineren Plätzen gespielt, geskatet und Kaffee getrunken werden kann, finden sich auf dem zentralen Hauptplatz ein Wasserspiel und eine Liegewiese unter einem Eichbaum, der an die Stelle des ehemaligen Schornsteines der Spinnweberei gepflanzt wird. Diese Symbolik markiert den Aufbruch des Areals in seinen nächsten Lebensabschnitt, ohne seine Vergangenheit zu vergessen. Eine weitere subtile Anekdote wird mit den „Grünen Fäden“ in das Areal eingebracht. Diese Fäden werden durch verschiedene Baumsorten artikuliert, die zusammen den Hauptplatz definieren, und auch die Durchwegung durch das Quartier begleiten. Die gewählten Baumsorten sind, wie alle Vegetationselemente, lokalen Ursprungs, haben differenzierte Farben und Vegetationszyklen, um das Spinnwebereiquartier zu allen Jahreszeiten visuell interessant zu gestalten.

Ein relevantes Thema in der Freiraumplanung ist das des Wassermanagements. Die mangelnde Fähigkeit des Bodens, Sturmwasser effektiv aufzunehmen, bringt die Idee eines oberirdisch angelegten, Grün-Blauen Netzwerkes hervor, das Wasserüberschüsse temporär aufnehmen und verteilen kann. Dadurch wird nicht nur ein vielseitigerer Grünraum geschaffen, der eine höhere Diversität an Flora und Fauna aufnehmen kann, es wird auch eine kostengünstige und visuell ansprechende Alternative zu unterirdisch angelegten Entwässerungsanlagen vorgeschlagen. Die dadurch resultierenden grünen, sich wild anfühlenden Kanäle werden eines der Merkmale des Spinnwebereiquartiers werden, da Menschen sie über brückenartige Verbindungen queren werden, und so tagtäglich mit dem so wichtigen Thema der Klimaresilienz und nachhaltigen Stadt interagieren.

 

Infrastruktur, Energie, Mobilität

Wie bereits erwähnt wird das Teilen von Infrastrukturen und Mobilität als ein wesentlicher Baustein für ein zukunftsfähiges Quartier angesehen. Das beginnt bei den strukturellen Aspekten, wie geteilten und dadurch raumeffizienten Müll- und Fahrradräumen für mehrere Gebäude, und schließt Themen der Mobilität und Energie ein.

Bezüglich der Mobilität gibt es zwei relevante Knotenpunkte. Zum einen das Quartiersparkhaus, und zum anderen den vorab beschriebenen Hub für einspurige Mobilität. Diese sind räumlich getrennt, da der ruhende Automobilverkehr als Lärmschutz an der Bahntrasse genutzt wird, und der Mobilitätshub von Präsenz an der Hauptstraße stark profitieren kann. Erschlossen wird das Parkhaus über eine Straße an der Quartiersostseite, und abgesehen von mehreren Kiss&Ride und Behindertenparkplätzen and der Ob. Bahnhofstraße gibt es keine weiteren Parkangebote auf dem Areal. Alle benötigten Stellplätze, einschließlich Sozialstation und Park&Ride, finden im Parkhaus Platz, und auch die Erweiterungsoption auf den höheren Stellplatzschlüssel kann hier integriert werden. Parken findet oberirdisch statt, um nachhaltiger und agiler mit späteren Umnutzungsmöglichkeiten planen zu können.

Die Energiegewinnung im Quartier findet hauptsächlich über Solaranlagen statt, die vor allem auf dem Dach der Dreifachsporthalle großes Potential haben. Ziel ist es, so viel Energiebedarf wie möglich durch lokale Produktion abzudecken, und das selbe gilt für Wärmegewinnung, wofür eine Quartierswärmepumpe Anwendung finden kann. Mit diesen beiden Elementen kann ein lokales Anergienetz geschaffen werden, das ein nachhaltiges, lokales Modell für Energieversorgung ermöglicht. 

 

Architektur und Baumethoden

Wir interpretieren Architektur im Spinnwebereiquartier als die Aufgabe, die urbanen Ansprüche von baulicher Maßstäblichkeit mit der qualitativen Umsetzung nachhaltiger und leistbarer Bauweisen zu verbinden. Ein relevanter Aspekt in diesem Sinne wird das Verwenden von biobasierten Rohstoffen für Gebäude sein, und basierend darauf können auch experimentellere Ansätze in ausgewählten Gebäuden studiert werden – wie beispielsweise modulare Bauweisen, oder Bausysteme, die recycelte Elemente und Materialien integrieren.

Die Quartiersidentität und differenzierte Gebäudevolumina sollen darüber hinaus farblich und materiell in den Fassaden lesbar sein – eine Farbgebung innerhalb eines natürlichen Farbspektrums scheint angemessen, und die Anwendung individueller Materialspektren auf individuelle Gebäudevolumen wird ein kohärent lesbares, jedoch diverses Quartier ermöglichen.

Der Charakter des Areals wird durch einige architektonische Elemente noch weiter verstärkt. Darunter fällt auch das Parkhaus mit der Dreifachsporthalle, die als „urbanes Fenster“ weitgehend einsehbar ist, und die sportlichen Aktivitäten, die in ihr stattfinden, in die Stadt hinaus projiziert. Die ungewöhnliche Position der Sporthalle wird durch eine erhöhte Agilität in der Planungsphase begründet, und die Möglichkeit, die Halle als „Krone“ des Quartiers zu artikulieren, bringt ein einzigartiges Merkmal nach Uhingen, das Sport und Gesundheit als wesentliche Themen im Quartier visuell verankert.

Das Parkhaus selbst wird als innovative Struktur geplant. Zum Einen wird ihr auf der Südseite ein Riegel an flexibel programmierbarer produktiver Räumlichkeiten vorgesetzt, um die Lärmbelastung durch Automobile zu verringern. Zum anderen können die Parkgeschosse selbst auch umgewandelt werden, sollte der Bedarf an Stellplätzen in Zukunft abnehmen. In diesem Fall kann jedes zweite Geschoss aus der Superstruktur entnommen werden, und die resultierenden, doppelgeschossigen Flächen können einer Vielzahl an Funktionen Raum bieten.

Diese Agilität ist ein wesentliches Konzept im Quartier für alle Funktionen, die nicht auf Wohnen ausgelegt sind. Städtische und gesellschaftliche Bedürfnisse ändern sich über die Jahrzehnte hinweg, und um ein anpassungsfähiges Quartier zu schaffen, wird jetzt schon der Rahmenwerk für zukünftige Adaption baulich geschaffen. Zugleich sehen wir jedes Gebäude im Areal als eine Materialbank an sich, die im Falle ihrer Abtragung voll demontierbar sind, und Baustoffe für neue Gebäude bereitstellen.

 

Demographie, Landentwicklungsmodelle & soziale Diversität

Das Spinnwebereiquartier soll zu einer durchmischten Nachbarschaft werden, die so vielen Bevölkerungsschichten wie möglich qualitativen Wohn- und Arbeitsraum anbieten soll. Dafür wird ein diverses Wohnungsangebot geschaffen werden, das interaktionsfördernd durcheinandergemischt wird.

Ein Beispiel hierfür findet sich in dem Mehrgenerationenhaus, in dem sich die Sozialstation befinden soll. Prominent am Hauptplatz angrenzend, kann hier betreutes Wohnen direkt oberhalb der Sozialstation angeboten werden, was durch die unmittelbare Nähe Vorteile für Bewohner und Betreuer bringt. Zugleich werden im selben Gebäude geteilte Wohnungen für Berufseinsteiger und Singles untergebracht. Mit verschiedenen Programmen um im gemeinsamen Dachgarten können Alt und Jung zusammengebracht werden, einander unterstützen, bereichern und unterhalten – stets mit der freien Möglichkeit des Rückzuges, wenn dies bevorzugt wird. Diese Art der demographischen Synergien können viel Qualität in das Spinnwebereiquartier bringen, und soziale Probleme, die viele während der letzten Jahre als herausfordernd empfunden haben, entschärfen.

Eine weitere Maßnahme, um das Spinnwebereiquartier inklusiver und partizipativer zu gestalten, ist das konsequente Anwenden alternativer Landentwicklungsmethoden für den später erfolgenden Bauprozess. Für mehrere Gebäuden sollen Genossenschaften als Bauträger agieren, während andere Baufelder als Erbbaurecht vergeben werden können, da sich das Areal in kommunalem Besitz befindet. Diese Ausgangsposition bietet eine hervorragende Grundlage für innovativen Städtebau, in dem Land als wertvolle Ressource angesehen wird, die von einer Gemeinschaft verwaltet werden kann.

Gestaltungsplan

Gestaltungsplan

Schnitte & Ansicht

Schnitte & Ansicht

Entwurfsprinzipien

Entwurfsprinzipien

Schaubild Luftaufnahme

Schaubild Luftaufnahme