modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 07/2023

Neue Stadtmitte – vom Torso zum urbanen Zentrum Stadt Neu-Anspach

Perspektive

Perspektive

Engere Wahl

studio2020 Matzat Henkel GbR

Stadtplanung / Städtebau

Thomas Eltner

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Neu-Anspach Inkubator: Die produktive Kleinstadt

Leitgedanke
Die Neue Mitte um den Walter-Lübcke-Platz wurde in den 70er Jahren als Zentrum der neu entstandenen Gemeinde Neu-Anspach errichtet und ist sozialer und kultureller Mittelpunkt der Stadt. Hier treffen sich die Bürger*innen vor und nach dem Einkaufen im Feldberg Center, dem Gottesdienst oder einem Besuch im Bür- gerhaus oder Restaurant. Die Unvollständigkeit des städtebaulichen Ensembles, zeugen davon, dass die da- malige Planung eines Zentrums aus 4 Solitären nie gänzlich umgesetzt wurde und sich nie in Gänze ein Stadt- kern mit urbanen Qualitäten entwickeln konnte. Das Potential für eine Weiterentwicklung des städtebaulichen Torsos zu einer lebenswerteren, funktional- und sozial durchmischten Stadtmitte wird auf diesen Brachflächen realisiert und die derzeitigen Qualitäten der Neu-Anspacher Mitte aufgegriffen.
Da Neu-Anspach vor allem durch reine Wohnquartiere geprägt ist, fahren viele Einwohner*innen täglich weite Strecken. Die hohe Zahl an Auspendlern belegt: Zum Arbeiten fahren die Neu-Anspacher*innen vornehmlich in die Rhein-Main-Region. Das erzeugt nicht nur Verkehr und Emissionen, sondern enthält der Mitte auch wichtige Funktionen und urbanes Leben vor. Gleichzeitig gehen mit dem deutschlandweiten Wandel der Be- völkerungsstruktur sich verändernde Wohnbedürfnisse einher. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, lohnt ein Blick in die bauliche Geschichte der Kleinstadt: Traditionelle Dörfer und Kleinstädte sind komplexe und funktional stark vernetzte Lebens- und Arbeitsorte. Diese Vernetztheit von Wohnen und Arbeiten trägt viel zur kleinstädtischen Kultur und Atmosphäre bei. Lebendige Zentren entstehen nicht allein durch bauliche Dichte und Kaufkraft, sondern durch wohlproportionierte, attraktiv gestaltete und aneigenbare öffentliche Räume, welche im Sinne der Multikodierung für einen möglichst großen Zeitraum am Tag belebt werden. Hier- für müssen nicht nur die Strukturen für ortskernverträgliche Arbeitsorte im Zentrum geschaffen werden, son- dern auch Wohnen und Arbeiten näher zusammenrücken – am besten unter einem gemeinsamen Dach. Mit der Neugestaltung und Neufassung des Walter-Lübcke-Platzes und der ihn umgebenden Bebauung kann die Stadt Neu-Anspach zur Vorreiterin und zum Inkubator für die Umsetzung eines neuen Raum- und Lebensmo- dells werden: Der produktiven und lebenswerten Kleinstadt.

Städtebauliches Konzept
Der Walter-Lübcke-Platz liegt an der Schnittstelle unterschiedlicher Stadtstrukturen: Im Westen die Adolf- Reichwein-Straße mit einer überwiegend geschlossenen Bebauung aus zwei- bis dreigeschossigen Reihen- und Mehrfamilienhäusern sowie dem Feldberg Center, dessen Fassade sich an deren Rhythmus orientiert. Im Osten finden sich, beginnend mit dem Bürgerhaus und der Katholischen Pfarrkirche, größere, solitäre Bau- körper wie die Evangelische Freikirche, das Jugendhaus, das VZF Mitte und die Diakoniestation. Zu diesen Strukturen stellt der Walter-Lübcke-Platz keine Bezüge her und liegt als undefinierter Raum zwischen ihnen. Die „Produktiven Höfe“ nehmen den städtebaulichen Maßstab an der Adolf-Reichwein-Straße auf und geben dem Walter-Lübke-Platz eine neue, gefasste Kante. Zur Adolf-Reichwein-Straße bilden sie ein urbanes Rück- grat aus und öffnen das Zentrum über einen Auftaktplatz im Südwesten sowie den urbanen Boulevard westlich des Bürger*innenzentrum. Mit ihrer kleinteiligen Fassadengliederung und vielfältigen Dachformen geben Sie der Bestandsbebauung ein stimmiges, zeitgemäßes Gegenüber. Östlich davon wird das Bild der Stadtland- schaft aus „Solitären im Park“ durch die Ergänzung eines Geschäftsgebäudes südlich des Bürger*innenzent- rum gestärkt, welches flexibel etwa als Ärztehaus genutzt werden kann. Die Neuordnung der Grünflächen schärft den Leitgedanken des Entwurfs und verbessert die Adressbildung der Bestandbebauung vor allem von Osten. Hierzu werden die ebenerdigen Stellplatzflächen entsiegelt und zu einem Bürgerpark umgestaltet, der als zentrumsnaher Naherholungsbereich neben seinem stadtökologischen Mehrwert auch eine autofreie Anbindung der Neuen Mitte an den Bahnhof stärkt. Der neu gefasste Walter-Lübcke-Platz wird so zum Mit- telpunkt, Bindeglied und Übergang zwischen den stadträumlichen Leitgedanken des urbanen Rückrats und den Solitären im Park. Die neu ausgewiesenen Baufelder werden zu ca. 50 Prozent bebaut, sodass bei der vorgeschlagenen zwei- bis dreigeschossigen Bauweise eine Grundflächenzahl von ca. 1,2 realisiert wird.

Architektonisches Konzept
Die Produktiven Höfe und neuen Wohnbebauungen orientieren sich in Maßstab, Ausformulierung, Gliederung und Maß der baulichen Nutzung an der Kleinteiligkeit der Wohnbebauungen des vorgefundenen Kontextes und schaffen durch ihre Dreigeschossigkeit und geneigten Dachformen im Wechsel mit Flachdächern, die zu kollektiven Dachterrassen aktiviert werden, eine dörfliche und dennoch urbane Atmosphäre mit angenehm gefassten öffentlichen Räumen. Die großmaßstäblicheren Nutzungen wie das Gründerzentrum und die Mobi- litätsscheune adaptieren im Sinne des Leitbilds der „Solitäre im Park“ die Gliederung von Bürger*innenzent- rum und Kirche und schaffen mit Ihren „geshapten“ Kubaturen spannungsvolle fließende Zwischenräume. Flachdächer der Solitäre werden als fünfte Fassade für Aufenthalt, Begrünung und zur Stromerzeugung akti- viert. Durch die Ausarbeitung eines Gestaltungshandbuchs für die Gebäude, in dem Vorgaben in Bezug auf Materialien, Fensterflächenanteile, Ausgestaltung von Loggien und Farbigkeiten gemacht werden, wird ge- währleistet, dass trotz der Vielfältigkeit der Bebauung ein stimmiges Gesamtensemble entsteht.

Nutzungsverteilung
Mit dem Ziel, Neu-Anspach zur produktiven Kleinstadt zu machen, soll die Bebauung rund um den Walter- Lübcke-Platz das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten unter einem Dach oder innerhalb eines funktio- nalen Komplexes ermöglichen. Traditionelle, zur Straße geöffnete Hofstrukturen bestehend aus Wohn- und Wirtschaftseinheiten sowie Ladengeschäften, wie sie zum Beispiel in der Anspacher Billgasse zu finden sind, werden zeitgemäß adaptiert. Die so entstehenden Produktiven Höfe bieten flexiblen Raum für alle Nutzungen, für die ein enges Miteinander von Wohnen und Arbeit förderlich ist – vom klassischen Handwerksbetrieb bis zum Kunsthandwerk. So kann etwa der Lokale Fliesenleger mit einer neuen Ausstellung und Räumlichkeiten für Büros und Materiallager ins Zentrum rücken. Digitalpioniere, die sich in Neu-Anspach ansiedeln möchten oder eine inspirierende Umgebung für einen Arbeitsurlaub suchen, finden im Neu-Anspacher Gründerzentrum mit Co-Working, Boardinghouse und öffentlicher Kantine die passenden Angebote. In einem Geschäftshaus an der Gustav-Heinemann-Straße entstehen moderne Büro- und Praxisräume, während die Mehrfamilienhäu- ser im Norden Platz für mehrgenerationen- und seniorengerechtes Wohnen bieten. Das Feldberg Center wird durch einen Anbau zur Vergrößerung des Rewes modernisiert und um eine mehrgeschossige Parkgarage mit direkter Anbindung ergänzt, um auch zukünftig als regionales Nahversorgungszentrum zu funktionieren.

Freiraumkonzept
Der Freiraum wird geprägt durch das Spannungsverhältnis zwischen urbanem Rückgrat und den Solitären im Park, zwischen denen der Walter-Lübcke-Platz vermittelt. Der Raum zwischen dem Bürgerhaus und den Pro- duktiven Höfen wird als Kleinstadt-Boulevard mit verschiedenen Sitzgelegenheiten gestaltet und durch das Treiben in den zum Boulevard geöffneten Produktiven Höfe bespielt. Besucher*innen und Flaneur*innen wer- den über den neuen, einen Auftakt bildenden Platz an der Gustav-Heinemann-Straße intuitiv auf den Walter- Lübcke-Platz geleitet. Im Osten wird mit den Solitären im Park eine fließende Stadtlandschaft geschaffen, in die neben schattigen Sitzgelegenheiten verschiedene Aktivitätsangebote für diverse Altersgruppen wie Out- door-Fitness und Spielplatz sowie eine Fallobstwiese integriert sind. Der Walter-Lübcke-Platz selbst steht weiterhin als multifunktional nutzbare Freifläche für Veranstaltungen zur Verfügung. So wird durch das Projekt der Naherholungswert des Neu-Anspacher Zentrums entscheidend gesteigert und es Entstehen diverse kon- sumfreie Aufenthaltsorte, die vorhandenen und funktionierenden Nutzungen ergänzen und stärken.

Erschließungskonzept
Zur Schaffung des Bürgerparks und der neuen Bebauungen rund um den Walter-Lübcke-Platz werden die großflächigen ebenerdigen Stellplatzanlagen rückgebaut. Dadurch können die Zugänge zum Platz übersicht- lich und verständlich gestaltet werden und neu geordnete Freiräume mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen. Der Stellplatzbedarf wird flächeneffizient in zwei Quartiersgaragen, einer Tiefgarage und straßenbegleitendem Kurzzeitparken organisiert. Eine große Quartiersgarage befindet sich im Süden und wird über die Gustav- Heinemann-Straße erschlossen. Im Norden wird das Feldberg Center durch eine weitere Quartiersgarage er- gänzt, welche zur flächensparenden Erschließung den Geländeversprung zwischen Adolf-Reichwein-Straße und Hans-Böckler-Straße nutzt. Die Tiefgarage unter dem Gründerzentrum und die untere Ebene des Quar- tiersgarage werden von Osten erschlossen, so dass in direkter Nähe des Feldberg Centers alle nötigen Kun- denparkplätze erhalten bleiben. Optional angedacht ist eine über die Adolf-Reichwein-Straße erschlossene Tiefgarage unterhalb der Produktiven Höfe. Eine potenzielle Fläche für eine weitere Quartiersgarage ist der nördlich ans Plangebiet angrenzende Garagenhof. Der Bereich rund um den Walter-Lübcke-Platz wird auto- frei und der südliche Teil der Hans-Böckler-Straße zu einem wassergebundenen Parkweg umgestaltet. Über diesen Parkweg und den Boulevard sind alle Gebäude für Lieferverkehr, Müllabfuhr und Rettungsfahrzeuge anfahrbar. Hinter der Kirche entstehen multifunktional nutzbare Flächen, die bei hoher Nachfrage im Falle von Veranstaltungen als Parkplätze genutzt werden können.
Schwarzplan

Schwarzplan

Lageplan

Lageplan

Piktogramme

Piktogramme

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Funktionen

Funktionen

Schnitte

Schnitte

Architekturdetail

Architekturdetail

Modellfoto

Modellfoto