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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023

Modellprojekt zur Wohnraumentwicklung Pfettenstraße in Landsberg am Lech

Axonometrie

Axonometrie

Preisgruppe

LIA Collective

Stadtplanung / Städtebau

studio audal

Landschaftsarchitektur

Superworld

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Einleitung
Das neue Quartier orientiert sich entlang eines zentralen Angers, einer sogenannten Allmende, welche als Gemeinschafts- und Begegnungsraum dient und unterschiedliche Platzsituationen, Aufenthaltsräume, soziale Interaktionen und vielfältige flexible Nutzungen fördert. Die Allmende, ähnlich einem Fluss, mäandert durch das Quartier, verbindet dabei als Begegnungszone die Akazienstraße und geht fließend in den öffentlichen Park über. Zwei unter- und oberirdische Sammelgaragen ermöglichen ein weitgehend autofreies Quartier. Eine essbare Landschaft in Form von Obstbäumen und Gartenbeeten bietet den Quartiersbewohner:innen saisonale Lebensmittel und gleichzeitig auch Orte des Miteinanders. Die organische Anordnung kleinteiliger Gebäude-Cluster schafft attraktive Sichtbezüge sowohl in den Anger hinein als auch aus dem Quartier hinaus. Zum Anger hin bilden die Gebäude eine urbane Kante, schaffen jedoch auch vielfältige Platzsituationen und Öffnungen gen Norden und Süden zu den jeweiligen halböffentlichen Innenhöfen. Entlang des Angers sind Co-Working-Spaces, Gastronomie und Nahversorgung, aber auch Wohnnutzungen in vielfältig bespielbaren Erdgeschossbereichen angeordnet. Zwei öffentlich genutzte Ankergebäude bieten zusätzlichen Raum für die Gemeinschaft, während sie den Anger aktivieren und räumlich definieren. Die Grundprinzipien des Entwurfs basieren auf den drei Eigenschaften der Zirkularität, Flexibilität und Biodiversität. Sie ermöglichen die Schaffung eines lebenswerten, umweltfreundlichen und anpassungsfähigen Lebensraumes, der in der Lage ist, auf zukünftige Herausforderungen und Bedürfnisse zu reagieren.
  • Zirkularität: Nachhaltigkeit durch ressourceneffiziente Kreisläufe, erneuerbare Energien, Wassermanagement und Recycling.
  • Flexibilität: Anpassungsfähige Gestaltung für veränderte Bedürfnisse und Umstände durch modulare Bauweisen und multifunktionale Räume zum Wohnen und Erholen.
  • Biodiversität: Schaffung und Erhaltung natürlicher Lebensräume und Artenvielfalt durch Grünflächen und vielfältige ökologische Elemente.

Das urbane Dorf als Bindeglied
Das neu entwickelte Areal zielt darauf ab, nicht nur das Stadtgebiet zu verdichten, sondern auch zu verbinden. Als urban-ländlich geprägtes hybrides Quartier vereint es eine Vielzahl von Eigenschaften in sich und fungiert als Mischgebiet, das Raum für Wohnen, Arbeiten und Erholung bietet. Die Qualitäten verschiedener funktionaler Stadtgebiete Landsbergs werden dabei vereint: der hochwertige öffentliche Raum des historischen Ortskerns mit seinen zwei Anger-Achsen, die ökologischen Qualitäten der Naturlandschaft im Süden und entlang des Lechs, die produktiven Qualitäten des Gewerbegebietes sowie die landwirtschaftlichen Qualitäten der östlichen Felderlandschaft. Durch die Schaffung von quantitativ und qualitativ hochwertigen öffentlichen Freiräumen und Strukturen im neuen Quartier wird die vertikale sowohl auch horizontale Achse durch das Stadtgebiet mit Freiräumen und öffentlichen Einrichtungen erweitert.

Mobilität
Die Quartiere der Zukunft werden ähnlich jener der Vergangenheit autofrei sein. Die Straßen sind nicht durch Autos, sondern durch Fahrräder, Fußgänger:innen, spielende Kindern und weiteren Bewohner:innen und Besucher:innen gekennzeichnet. Eine unterirdische Garage unter der Kita und einem Wohnblock, sowie ein hybrides oberirdisches Parkhaus mit einem Untergeschoss bieten genug Raum für sämtliche benötigte Parkplätze. Der oberirdische Teil des Parkhauses kann bei einem zukünftig reduzierten Stellplatzbedarf flexibel umgenutzt werden. Alle Stellplätze sind über die Akazienstraße erschlossen und maximal 100 m von den jeweiligen Wohngebäuden entfernt. Die autofreie Hauptachse des Angers ist als Begegnungszone für Fußgänger und Fahrradfahrer geplant. Radabstellplätze sind über das gesamte Quartier verteilt. Das oberirdische Parkhaus bietet Raum für Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge, die dort direkt mit dem auf den Dachflächen produzierten Photovoltaikstrom (inkl. Wasserstoffspeicherung) versorgt werden. Zusätzlich bietet es flexible Möglichkeiten für Carsharing und Bikesharing, welche in Zukunft eine wichtige Rolle auf Quartiersebene spielen werden. Die Grüne Fassadenhülle und Dachbegrünung steigert die Energieproduktion (durch Kühlung im Sommer) und dient zusätzlich der Biodiversität und Hitzeminderung.

Landschaft
Ein Mosaik aus Grün- und Freiräumen sowie Retentionsflächen bildet das Grundgerüst für ein zukunftsfähiges klimaresilientes Quartier, welches natürlich gekühlte hochwertige Aufenthaltsräume für Mensch und Natur bietet und gleichzeitig vor Starkwetter-Ereignissen schützt. Die locker angeordneten Baumpflanzungen sowie weitläufige Wiesenflächen und ein dichtes Wegenetz ermöglichen eine hohe innere Durchlässigkeit des Areals und verknüpft es mit den umliegenden städtebaulichen und landschaftlichen Strukturen. Der Quartierswald bleibt vollständig erhalten und wird in seiner Funktion als Spiel- und Lebensraum gestärkt. Extensiv gepflegte Biodiversitäts- und Retentionsräume zwischen den Gebäudeclustern bieten natürliche Lebensräume für Flora und Fauna, Erlebnisräume für Kinder und Bewohner:innen. Weitere Spiel- und Sportflächen sowie der gesamte öffentliche Raum können von Kindern und Jugendlichen genutzt und gestaltet werden. Extensiv begrünte Biodiversitätsdächer in Kombination mit Photovoltaikpanelen erhöhen die Stromproduktion, dienen als Wasserspeicher, zur Hitzeminderung und der ökologischen Vielfalt.

Material & Architektur
Die kleinteilige und vielseitige Architektur im Quartier wird durch eine hohe Bausystematik und Modularität ökonomisch und ökologisch effektiv umgesetzt. Eine reduzierte Anzahl an Gebäudevolumina können organisch arrangiert werden, um einen kontextgerechten und wohltuend kleinteiligen Maßstab im Quartier zu schaffen. Die sich daraus ergebenden Gebäudecluster werden mit Laubengängen verbunden, und teilen sich gemeinsame Vertikalerschließungen. Die einzelnen Gebäudemodule können mit verschiedenen Wohnungstypen bespielt werden, um eine hohe Diversität an Bewohner:innenprofilen angemessenen Raum für ihre jeweiligen Bedürfnisse zu bieten. Der hohe Vorfertigungsgrad in einer quartiersübergreifend standartisierter Holzbauweise, kombiniert mit lokalen bio-basierten Materialien bringt eine hervorragende ökonomisch wie ökologische Bilanz mit sich. Die Ausformung von Pultdächern bindet das Quartier in seinen Kontext ein, während durch entsprechende Dachausrichtungen zusätzlicher Wohnraum über dem zugelassenen Höhenlimit geschaffen werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Hier liegt ein Projektansatz vor, der auf gute Nachbarschaft, gelebte Naturverbundenheit und wachsende, sich Zug um Zug organisch und prozesshaft entwickelnde Baustrukturen setzt. Ausgangspunkt für das neue Quartier ist das Anlegen des Landschaftsraumes und die Vorbereitung und Umwandlung von Freiraumflächen. Das Grundmotiv der inneren Quartierserschließung nimmt Anleihe beim dörflichen Anger und schafft fließende Wegestrukturen, die das Quartier im übergeordneten Wegenetz einbindet und somit eine gute Verknüpfung ins Umfeld ermöglicht, einzig die Nord-Südachse des Langsamverkehrs erscheint nicht bis zur Pfettenstraße öffentlich gesichert. Die Diagramme zur Erläuterung der Entwicklungen vom Freiraum aus und deren abschnittsweisen Realisierungen sind jedoch vielversprechend.

Entlang der Ost-West Hauptader, die abgesehen von Not- und Dienstfällen nur Fußgängern und Fahrradfahrerinnen vorbehalten ist, gruppieren sich beidseitig Häuserensembles unterschiedlicher Größenordnungen und Höhenentwicklungen. Zwei von ihnen sind strategisch situiert – am Quartiersplatz und angrenzend zum Multifunktionszentrum – und sind für Co-living, Mehrgenerationenhaus und alternative Wohnformen reserviert. Insgesamt zielt der Ansatz auf verschiedene Wohnungstypologien, Werkstätten, Arbeitsräume und Erschließungsarten ab. Akzente in diesem freien Spiel der Baukörper setzen das Multifunktionszentrum, die Kita und die oberirdische Sammelgarage. Seitens der Bauträgerschaft und der Stadtverantwortlichen erscheint der Nutzungsdruck sehr hoch und wird hinterfragt, ob das Areal diesbezüglich eventuell überfrachtet wird (Multifunktionszentrum, Bäckerei, etc.). Hinsichtlich Materialisierung wird auf ressourcenschonende, modulare Bauweise verwiesen, Aussagen zu Schwellen zwischen privatem Wohnraum und öffentlichem Bereich sind im Falle einer weiteren Bearbeitung zu formulieren.

Was zum einen aus Nutzer*Innensicht vielschichtig und flexibel wirkt, ist zum anderen aus städtebaulicher Sicht sehr kleinteilig und heterogen angelegt, die üblicherweise klar formulierten Kanten eines Angers werden umgemünzt in einen losen Saum von vor- und rückspringenden Häuserfronten – hier wünschte man sich mehr eindeutigere Gebäudekanten zur Stärkung des Angers. Die Vermittlung des neuen Quartiers über Wege und städtebauliche Körnung zur Nachbarschaft ist zwar gelungen, sollte jedoch insbesondere bezüglich prägnanterer und wirtschaftlicherer Kubaturen gestärkt werden. Zumal manche Einzelvolumen dieser Häusergruppen teilweise vergleichbar sind denen eines Einfamilienhauses; hier werden Defizite geortet, der geförderte Wohnbau verlangt nach anderen Größenordnungen. Dies führt zum Rückschluss, dass die Ensembles auf einem zu kleinen Maßstab basieren und skaliert, respektive weniger dispers angelegt werden sollten. Insbesondere der Quartiersplatz und die Flächen um das Gemeinschaftshaus haben noch zu wenig Halt und sind unausgegoren bzgl. räumlicher Fassung und Ausstattung. Hingegen erscheinen Schwammstadtprinzipien und Ansprüche zur Biodiversität gut umsetzbar, Unterbauungen durch Quartiersgaragen sind zu vermeiden.

In Summe überzeugt der Entwurf durch seinen durchgängigen Gedanken der Quartiersbildung, Ressourcenschonung und dem Weiterschreiben des Bestandes in eine vielfältige, ortsverträgliche Gebäudestruktur. Ein Alleinstellungsmerkmal dieses Projektes ist die Einbindung der zukünftigen Bewohner*Innen und das etappenweise Entwickeln gemeinschaftsorientierter Lebenswelt und Wohn- und Freiräumen. Der robuste Angertypus ist dafür eine geeignete Grundstruktur, dessen räumliche, städtebauliche Fassung verspricht ausbaufähig und skalierbar zu sein für ein zukunftsträchtiges, lebendiges Quartier als Pendant zur hermetischen JVA.
Konzept Lech-Anger

Konzept Lech-Anger

Quartiersplan

Quartiersplan

Quartiersschnitt

Quartiersschnitt

Visualisierung - Anger

Visualisierung - Anger

Visualisierung - Grünraum

Visualisierung - Grünraum