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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2024

Entwicklung Europaplatz in Königsbrunn

Perspektive Europahaus

Perspektive Europahaus

2. Preis / Realisierungsteil Europahaus

Preisgeld: 12.000 EUR

LOTAA ARCHITEKTUR GmbH

Architektur

StrasinskyLand

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Entwurfskonzept und Freianlagen:

Nachhaltig funktionierender Stadtraum mit zukunftsfähigen Aufenthaltsqualitäten und eine harmonische Integration des Gebäudes in seine Umgebung sind die Leitmotive der vorgeschlagenen Lösungsansätze. Satteldächer und Höhenentwicklung passen sich sensibel der umgebenden Architektur an und schaffen eine identitätsstiftende Kontinuität am Europaplatz in Königsbrunn. Die Weiterführung der Arkaden läuft im neugestalteten Europaplatz aus und schafft Qualitätsvolle Adressen für Einzelhandel, Gastronomie, Serviceshops und weitere sinnvolle Nahversorgungsangebote im Sinne einer 15-Minuten-Stadt.

Zur Verschmelzung des Stadtraums wird angedacht das bestehende Gestaltungskonzept der Bürgermeister-Wohlfarth-Straße in den Europaplatz einfließen zu lassen. In einem Prozess aus Subtraktion und Addition werden daraus Inselflächen gezielt aufgebrochen und mit der Schaffung von Wiesen im Stadtraum entsiegelt. Zusätzlich zieht sich der Belag über die Rathausstraße bis an die gegenüberliegende Gastronomiezone um einen fließenden Raum als Platz entstehen zu lassen. Anrainer und Lieferverkehre sollen weiter Erfolgen können. Des Straßenraum wird jedoch bewusst beruhigt und durch die gezielte Positionierung von wohl dimensionierten Pflanzbeeten als Pufferelemente gebrochen, so dass eine inselähnliche Verkehrslenkung und Schutz der Gastronomieflächen entsteht. Diese werden additiv als runde Holzinseln auf dem Europlatz angeboten und schaffen höchste Aufenthaltsqualität unter einer bunten Streuung Europäischer Platzbäume. Ähnlich der Qualitäten eines Biergarten soll hier eine natürlich Klimatisierung des urbanen Raums sichergestellt werden.

Der bestehende Schülerbrunnen soll unbedingt erhalten bleiben und erfährt eine Bewusste Inszenierung am Platzauftakt in einer der neu geschaffenen Grüninseln. Er dient als Treffpunkt und Gelenk zwischen Straßenraum und Platz.

Der Stadtraum wird zu einem Erlebnis: Verschiedene Ebenen vereinen feste Bodenbeläge, grüne Oasen, Holzdecks für gemütliche Gastronomiebereiche, einladende Bänke und geschickt platzierte Pflanzbeete, die nicht nur die Verkehrslenkung unterstützen, sondern auch ein Gefühl von Verbundenheit vermitteln. Die Auswahl europäischer Baumtypen symbolisiert den Europaplatz und betont die Wegeverbindungen auf charmante Weise.

Gebäudegestaltung und Nutzung:

Die architektonische Vision Stadträume mit höchster Aufenthaltsqualität und örtlich vernetzender Identität zu schaffen bezieht sich auch in Ihrer Farbgestaltung auf die umgebenden Bebauungen, in Pastellroten (gegenüberliegende Straßenseite) sowie Pastellegelben (direkt angrenzend) Fassaden. Dies trägt zur zusätzlichen Idenditätsbildung für die Stadt Königsbrunn und den Europaplatz bei und weicht bewusst von stereotypen und monotonen Architekturkonzepten in grau-beige ab.

Ein Sockel aus Betonfertigteilen in einheitlicher Farbgebung bildet die Basis und schafft eine robuste Vorzone sowie Räume für Gewerbliche Nutzungen. In den Darüberliegenden Geschossen entsteht qualitätsvoller Wohnungsbau in einer Holzhybridkonstruktion. Eine vorgelagerte Balkonkonstruktion über alle Geschosse dient als eine Art Atrium-Hybrid-Fassade als low-tech Ansatz zur natürlichen Temperierung des Gebäudes. Diese kann mit Falt-Schieb-Elementen geöffnet (Sommer) oder ganz geschlossen (Winter) werden und dient als thermische Pufferzone. Zusätzlich entsteht eine natürliche Barriere als Schallschutzfunktion, so dass qualitätsvolles Wohnen auch direkt an urbanen Plätzen ermöglicht wird. Gezielt platzierte Pflanztröge auf dem Balkoninseln, schaffen einen grünen Setzkasten, direkt am Europaplatz gelegen.

Brandschutz und Feuerwehr:

Das Konzept berücksichtigt im Grundsatz Anforderungen an die Sicherheit der Nutzer und Bewohner. Ein durchlaufender Laubengang ermöglicht eine sichere Entfluchtung zu den Treppenhäusern. Zusätzliche Rettungswege sind sowohl von der Bürgermeister-Wohlfarth-Straße aus auch aus dem „Innenhof“ für die Feuerwehr ermöglicht.

Ökologie und Nachhaltigkeit:

Besonderes Augenmerk soll auf einer Nachhaltigen Gesamtkonzeption liegen. Der Einsatz von Holzbau und Gründächern, die Integration einer innovativen Hybrid-Fassade und die Verwendung von recyclebaren bzw. kreislauffähigen Betonfertigteilen sowie PV-Anlagen auf den Dächern unterstreichen das Engagement für eine Nachhaltige Bauweise. Das grüne Konzept umfasst Retentionsflächen, Fassadenbegrünung und schafft durch einen „Klimawald“ auf dem Europaplatz einen Ort der Erholung und natürlichen Temperierung für den urbanen Raum.

Erschließungs- und Anlieferungskonzept:

Die Umgestaltung der Rathausstraße verfolgt das Ziel einer ruhigen Verkehrsstraße, die durch geschickt platzierte Pflanzbeete in das Gesamtkonzept eingebunden wird. Die Rathausstraße soll nicht länger als trennendes Element wahrgenommen werden, sondern sich nahtlos in die harmonische Platzgestaltung einfügen.

Stellplatzkonzept:

Das Parkierungskonzept sieht eine kombinierte Lösung aus Besucher-Fahrradstellplätze oberirdisch mit einem unterirdischen Fahrradparkhaus in der Tiefgarage vor, um die Nutzung von Fahrrädern zu fördern und die urbane Mobilität zu unterstützen. Die erforderliche PKW-Stellplätze werden überwiegend in der Tiefgarage mit einem oberirdischem Besucherparkplatz angedacht. Hierfür wird eine Erweiterungsoption der Tiefgarage planerische nachgewiesen, jedoch empfohlen im Rahmen eines Mobilitätskonzeptes in Kombination mit dem Mobilitätshub einen reduzierten, zukunftsfähigen Stellplatzschlüssel zu verfolgen.

Vereinbarkeit von Wohnqualität und Platznutzung (Vermeidung von Lärmkonflikten):

Die vorgelagerte Fassadenkonstruktion des Wohngebäudes dient als funktionales Element mit gestalterischem Anspruch. Sie schafft in jeder Wohnung ein Gefühl der Gartenatmosphäre und dient gleichzeitig als effektiver Lärmschutz. Somit vereint sie hohe Wohnqualität mit der intensiven Nutzung des Platzes, ohne Lärmschwierigkeiten zu verursachen. Der östliche Wohnbaukörper verfügt über die, dem Platz zugeordnete, Laubengangerschließung einen zusätzlichen Lärmpuffer. Hier erforderliche Fensterflächen in funktionalen Räumen werden im Rahmen von bauphysikalisch sinnvollen Schallschutzfenstern gelöst.

Das Vorgeschlagene Konzept skizziert in Verbindung mit dem Ideenteil des Mobilitätshubs eine lebendige Vision für ein integriertes und nachhaltiges Stadt- und Architekturkonzept, welches Soziokulturelle Qualitäten, Funktionalität und Umweltbewusstsein in Königsbrunn vereint.

Ein zukunftsweisender Ansatz unter dem big picture Europaplatz – leben, teilen, bewegen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wunsch nach einem nachhaltig funktionierenden Stadtraum mit zukunftsfähigen Aufenthaltsqualitäten und einer harmonischen Integration der Gebäude ist nachvollziehbar, jedoch nicht in allen Teilen geglückt. Die Integration von großformatigen 4- bis 5-geschossigen Giebelhäusern mit unterschiedlichen Giebelbreiten und Dachneigungen scheint überzeichnet und vor allem an der östlichen Platzkante zu gezwungen. Während der breit ausladende hohe Giebel am Platzeingang im Westen in seiner Ausformung und Höhenentwicklung noch nachvollziehbar ist, erschließen sich die städtebauliche Setzung des östlichen Gebäudeensembles und die dadurch erzwungene Enge nicht. Beide Gebäudezeilen stehen hier nah aneinander und schaffen weder außen- noch innenräumlich besondere Qualität. Sie werden mit einer sehr geordneten Tiefgarage unterbaut, die sich bis zur nord- nordöstlichen Grundstücksgrenze erstreckt und zusammen mit der Baumasse der Gebäude und der Platzfläche das Grundstück weitgehend versiegelt. Ähnlich gewollt prägt sich der Anschluss an das nördliche Grundstück am Boulevard aus. Ein untergeordneter Fortsatz des Entreéhauses schließt hier die Lücke.

Die in Königsbrunn weit verbreiteten Arkaden nehmen die Entwurfsverfasser auf und ziehen diese vom Boulevard über Eck bis ans Platzende im Osten. Ein zweigeschossiger Sockel aus wohlgeformten Betonfertigteilelementen und großen Schaufenstern scheint eine gute Rahmung für den Platz und die öffentlichen Flächen zu sein und gliedert die Fassade an der richtigen Stelle. Ebenso kann das feingliedrigere Gerüst der Südfassade zum Platz hin und an der Ostfassade, das die Schallschutzverglasung für die Balkone in den oberen Geschossen aufnimmt, in Teilen positiv gewertet werden. Die Verwendung von Holzbauelementen in den oberen Geschossen ist nachhaltig, könnte aber als Fassadenbekleidung wenig Akzeptanz im Kontext des städtischen Platzes finden. Zur Materialkomposition lässt der farbige Detailausschnitt zur Fassade noch viel Spielraum, der verunsichert. Der Mix aus indentitätsstiftenden, konstruktiven und farbigen gestaltenden Elementen wird diskutiert und kann bedingt geteilt werden.

Der Entwurf bietet im Erd- und 1.Obergeschoss gut zugeschnittene und zum Platz orientierte öffentliche Nutzungen. Sie wird auf den ersten Blick mit nur drei Treppenhäusern und schmalen Laubengängen sparsam erschlossen und schafft auch in den oberen Geschossen einen guten Wohnungsmix für die zukünftige Bewohnerschaft. Die effektive Erschließung in Kombination mit dem weitgehend modularen Aufbau der Wohnzeilen führt jedoch dazu, dass nahezu alle Individualräume zwar lärmabgewandt, aber unmittelbar am Laubengang anliegen. Dies wird im Gremium kritisch gesehen. Auch die vielen Maisonette-Angebote, die jeweils über einen voluminösen, raumhaltigen Dachraum verfügen, zu dessen Nutzung keine Aussage getroffen wird, können nicht überzeugen. Ungelöste Restflächen und konstruktiv ungelöste Ecken lassen eine unwirtschaftliche Umsetzung der Maßnahme erwarten.

Das private Freiraumangebot zu den Wohnungen wird durch großzügige vorgelagerte Balkonzonen, Dachterrassen und einen schmalen Gartenstreifen im Norden nachgewiesen. Die Hauptaufenthaltsqualität liegt neben den Balkonen eindeutig in der Platzfläche. Der Zugangsverkehr zur Tiefgarage über die Rathausstraße lässt erhöhten Durchgangsverkehr im Wohngebiet und am Kindergarten erwarten und wird kontrovers diskutiert.

Der Beitrag bietet eine interessante Lösung für die Vereinbarkeit von Wohnen und urbaner Aufenthaltsqualität an. Die Themen Nachhaltigkeit und Klima sind teils positiv, teils negativ zu bewerten. So sind große Flächen des Grundstückes unterbaut und es wird nur ein Teil der Platzfläche für große Baumpflanzungen und Versicherungsflächen offengelassen. Der Begriff Klimawald erscheint hier überzogen. Die flächige Balkonverglasung nach Süd und Ost, die einerseits eine schöne Aufenthaltspufferzone für die Bewohner*innen schafft, scheint pflegeintensiv und birgt voraussichtlich auch die Gefahr der Überhitzung in den Sommermonaten und des Vogelschlages. Gleichzeitig könnte der Balkonraum ein Angebot sein, allzu viel an persönlichen Accessoires dort zu lagern. Es werden begrünte Dächer und Photovoltaikanlagen vorgeschlagen, die einen guten zusätzlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern.

Aus Sicht des Preisgerichtes kann das Projekt, das planungs- und baurechtlich grundsätzlich umsetzbar scheint, seine Unverwechselbarkeit nur dann entfalten, wenn die das städtebauliche und gestalterische Konzept konsequent und vollständig umgesetzt wird.

Bei dem Beitrag handelt es sich um einen mutigen Ansatz, der wertvolle Diskussionen provoziert und die Auseinandersetzung mit dem Ort und dem Thema Europaplatz in intensiver Weise aufzeigt. Die Zeitlosigkeit und der wirtschaftliche Unterhalt des Ensembles werden stark angezweifelt. Eine alles in allem ambitionierte Arbeit, die in Ihrer handwerklichen Ausfertigung noch einigen Nachholbedarf hat.
Perspektive Europaplatz mit Europahaus

Perspektive Europaplatz mit Europahaus

Perspektive Mobilitätshub

Perspektive Mobilitätshub

Fassadenausschnitt

Fassadenausschnitt

Konzept

Konzept

Lageplan

Lageplan

Konzept

Konzept

Konzept

Konzept

Konzept

Konzept