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Studienauftrag | 03/2023

Arealentwicklung Schützenmatt in Emmen (CH)

Teilnahme

Niklaus Graber & Christoph Steiger Architekten

Architektur

mavo Landschaften

Landschaftsarchitektur

TEAMverkehr

Tragwerksplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Grundkonzept der Verfassenden bleibt praktisch unverändert: Charakteristisch für ihren «Stadtbaustein» sind nach wie vor (1) die Implementierung des Aufforstungsprojekts, (2) die Umsetzung des Prinzips der «porösen Stadt» und (3) die Vernetzung des neuen Quartiers mit seinen städtebaulichen Nachbarschaften.

Im Zusammenspiel von Aufforstung, Freiräumen und dazwischen gestreuten Baukörpern soll diesen drei Anforderungen entsprochen werden. In diesem räumlich wie zeitlich, klimatisch und funktional porös gestalteten «Stadtwald», dessen Anordnung einer virtuellen geometrischen Matrix folgt, sollen die Bauvolumen so situiert werden, dass Sicht- und Bewegungsperspektiven räumliche Dialoge sowohl innerhalb des Quartiers wie über seine Grenzen hinaus zu kreieren vermögen.

Das Ziel Nummer 3, «kein selbstgezogenes Quartier» sein zu wollen, zeigt jedoch Schwächen. Auf die Frage in der Zwischenkritik, ob der neue Quartierbaustein nicht doch selbstbezogener wirke als beabsichtigt, da Baukörper wie Zwischenräume sich nach den diversen Kontexten hin nicht signifikant anders verhalten, wurde lediglich mit der Massnahme einer jeweils zweigeschossigen Verbindung zwischen je zwei Quadern entlang der Bahnlinie reagiert, die zwar aus der Nahperspektive eine Linearität erzeugt, jedoch an der übergeordneten Wahrnehmung der Körnung von sich ähnelnden Einzelbaukörpern nicht rüttelt. So bleibt die beabsichtigte spezifische Gewichtung über die jeweiligen Quartiersgrenzen hinaus bescheiden artikuliert.

Ein weiterer Konflikt des Konzepts zeigt sich im Zusammenspiel der geforderten baulichen Dichte und der Idee des Waldes. Das Gleichgewicht zwischen den beiden Grundpfeilern des städtebaulichen Grundgerüsts gerät in eine gewisse Schieflage. In der räumlichen Wahrnehmung drängt sich die umgekehrte Lesart auf: Viele grosse Gebäudevolumen lassen den Freiraum für Bäume übrig.
Für eine dominierende Wirkung der geometrischen Grün-Matrix fehlt schlicht Raum. Die Projektverfassenden kommen indirekt selbst dort auf das Problem zu sprechen, wo sie von der Verdichtung des Freiraums reden, welche die «Masse» ausbalancieren soll. Der Wald scheint zu klein zu sein, um Baukörper zum Tanzen zu bringen. So bleibt die städtebauliche Absicht, die Baukörper entlang der Ränder so in Bewegung zu bringen, dass sie erkennbar spezifische räumliche Atmosphären schaffen, schwach ausformuliert.

Das Team propagiert Porosität als Leitidee und schlägt relativ frei gesetzte, ungerichtete Bauten entlang der Grundstücksgrenze vor, um im Inneren einen grosszügigen grünen Stadtraum freizuspielen. Zwar wird die Absicht, der dichten Bebauung ein dichtes Baumvolumen gegenüberzustellen, sehr begrüsst. Dies gelingt aber leider nicht wirklich. Die Gebäude ragen durch ihre freie Stellung und den etwas sperrigen Fussabdruck massgeblich in die Mitte, zudem sind zahlreiche weitere Anforderungen auf der Fläche unterzubringen. Gleichzeitig sind die zumeist dreieckigen Vorzonen entlang der Strassen zu klein, um zum Stadtwald gelesen zu werden. Aus der konzeptionellen Logik der freien Bauten in einer kräftigen Landschaft bildet ein über das ganze Grundstück gelegtes Baumraster die Basis für die Baumstellung. Mit einem frühzeitig angelegten Baumlager soll die «Aufforstung» über verschiedene Etappen sichergestellt werden. Bäume, Wiesen und Strauchflächen sollen das Siedlungsgebiet durchdringen und in einen bunten, porösen Garten verwandeln. Im Plan und auch in der Etappierung erscheint dieses Versprechen allerdings nicht wirklich einlösbar. Die Hauptverbindung Richtung Emmencenter bildet ein breiter Weg, der an der Schützenmattstrasse wiederum in eine kleine Platzsituation mündet. Allerdings sind die direkte Verbindung und die Sichtachse durch das am Platz stehende Gebäude versperrt.
Entlang der Verbindungsachse soll ein öffentlicher Freiraum als Lichtung ausgebildet werden, während entlang der Gebäude die Bepflanzung sowie bewachsene Retentionsmulden für die nötige Privatheit sorgen. Sekundäre Wegverbindungen tragen zu einer guten Durchlässigkeit bei.

In der äusseren «Kruste» des Areals werden die Anforderungen an Erschliessung, Parkierung und Entsorgung untergebracht. Bäume und Vorgärten säumen die Strassenräume. Die Personenunterführung wird unter der gleisbegleitenden Promenade mit der Veloschnellroute hindurchgeführt und mit einer Treppe plus Lift auf den repräsentativen Bahnhofplatz geführt. Diese müsste allerdings noch mit einer Rampe ergänzt werden, welche die Platzfläche schmälert. Grosse Bäume sollen diesen Platz beschatten, der leider durch die Tiefgarage unterbaut ist. Gut gelöst scheint die Trennung der Veloroute vom Fussverkehr mit einem unterschiedlich breiten Gehölzband.

Der atmosphärisch und konzeptionell sehr ansprechende Ansatz zeigt leider in der Umsetzung Schwächen und vermag nicht richtig zu überzeugen.

Der jetzigen Visualisierung der Gebäudekörper ist eine gewisse gestalterische Rigorosität nicht abzusprechen. Auch wenn es sich nur um erste Impressionen handelt, zeigen sie doch ein weiteres Moment der Selbstbezogenheit: So bekräftigen sie als Antwort auf die Frage der Zwischenkritik - Wie verhalten sich die Volumina nach ihren verschiedenen Seiten im neuen Stadtwald? - ihre Insel-Zugehörigkeit.

Die Gebäudetypologien ermöglichen die erwünschte Vielfalt von Wohnungsgrundrissen. In den Erdgeschossen kann situativ angepasst gewohnt werden oder es können Gemeinschaftseinrichtungen und Gewerbe platziert werden. Die Hauptadressierungen der Gebäude von den Rändern her («harte Krusten») ist klar, rational, gut nachvollziehbar. Die unmittelbar um die Gebäude angedeuteten Bereiche zonieren den Übergang vom Privaten zum Halböffentlichen. Die Gestaltung der Hauszugänge mit Anbindung auch zur Waldseite hin dient der erwünschten Porosität auch im EG.

Das Parking ist in den Gebäudezeilen entlang der SBB-Geleise situiert, mit der Fussgängerunterführung verbunden, die Zufahrt liegt im Kopfgebäude Hochdorferstrasse zusammen mit der öffentlichen Velostation. Durch die Tieflegung der Verbindung Unterführung - Ankunftsplatz kann die Veloroute ungehindert befahren werden. Velo- und Autoparkplätze entsprechen den Soll-Vorgaben.

Die Nachhaltigkeit des Projekts zeigt sich primär beim Thema des Stadtwaldes: Weiche, durchlässige Oberflächen im Innern des Areals erlauben eine nachhaltige Speisung des Grundwassers, Retentions- und Sickermulden. Der hohe Anteil an unversiegelten Flächen (UGs existieren nur unter dem Fussabdruck der Gebäude) belässt den Stadtboden porös, reaktiv. Mit der Situierung der Baukörper wird auf die Durchlüftung des Quartiers Wert gelegt. Einfache Gebäudetypologien erlauben eine zeitliche Flexibilität für die Einfüllung gewünschter Nutzungen. Dachgärten gibt es keine, dies mit der etwas befremdlichen Begründung, dass man die Bewohnerschaft lieber auf dem Wald- resp.- Stadtboden haben möchte. Der jetzige Etappierungsvorschlag ist ambivalent zu bewerten: Es fragt sich, ob die Realisierung der gesamten Parkierung gleich in der ersten Etappe (im überlangen ersten UG) angesichts der ungewissen Entwicklung im Bereich der Bahn ideal ist, auch in Bezug auf möglicherweise ganz andere erwünschte zukünftige Nutzungen. Wie in der Kritik notiert, wäre eine innovativere Lösung erwünscht.

Die nachgewiesenen Geschossflächen liegen unter dem angestrebten Durchschnitt. Das Verhältnis zwischen Wohn- (84%) und Gewerbeanteil (15%) entspricht den im Programm genannten Zielgrössen.

Der Vorschlag zeigt einen für diese urbane Zentrumslage überraschenden, städtebaulich spannenden Ansatz, der allerdings in den genannten Punkten seinen eigenen Zielformulierungen nicht umfänglich zu entsprechen vermag: Der genannte Konflikt zwischen Wald-Wirkung und geforderter Dichte (ein zu kleiner Wald, um darin die Körper tanzen zu lassen), der noch immer hohe Grad an Selbstbezogenheit, der dazu führt, dass die proklamierten situativ spezifischen räumlichen Atmosphären schwach ausformuliert sind.