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Studienauftrag | 03/2023

Erweiterung Kurhaus Sonnmatt 4 in Luzern (CH)

Teilnahme

Manetsch Meyer Architekten AG

Architektur

Ganz Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Architektur und Städtebau
Der eigenständige, sehr stark plastisch geformte Baukörper rückt möglichst weit vom Hauptbau ab und steht im Gegensatz zur Sonnmatt 1 senkrecht zum Hangverlauf. In seiner amorphen Grundlogik erscheint er in der Fernwirkung zurückhaltend und baut ein spannendes vis à vis zwischen Wald und Gebäude auf. Diese intelligent gewählte Grunddisposition führt zu einer, sehr gut mit dem Ort und Bestand harmonisierenden Gesamtkomposition und berücksichtigt die Anforderungen an Durchlüftung und Denkmalschutz, ausgehend von einer architektonischen Logik in angemessener Weise.

Durch das Abrücken entsteht auf dem Eingangsniveau eine grosszügige Ankunftssituation, die weniger als Teil des Gebäudes denn vielmehr als Terrainmodulation erscheint und den Blickbezug in der Falllinie maximal offenhält. Ein kleiner runder Hof und eine Wendeltreppe schaffen den Bezug ins Gartengeschoss. Hier liegt, zwischen den Hochbauten Sonnmatt 1 und 4 das Gartenrestaurant mit grosser vorgelagerter Terrasse. Noch ein Geschoss weiter unten ist der Therapiebereich situiert. Er wird ebenfalls mit einem runden Innenhof zusätzlich belichtet und als Raumcluster ausgebildet. Diese Verknüpfung führt zu einer hohen räumlichen Qualität im Übergang zum talseitig gelegenen, abfallenden Naturraum.

Bergseitig weitet sich die heute bestehende Allee zu einem `Kurpark` auf, welcher die bestehende Vorfahrt funktional und räumlich plausibel erweitert. Der Aussenbereich wird mit einer zweieinhalbgeschossigen Parkierung unterbaut, deren Zufahrt über eine westseitig gelegene Rampe erfolgt. Das Längsgefälle in der Einstellhalle erleichtert zwar die Zirkulation, ist aber aus funktionalen Gründen für den Betrieb nicht tauglich. Ebenfalls bemängelt wird die periphere Lage der Anlieferung am westlichen Ende des Neubaus, welche lange, geschossübergreifende Transportwege erfordert. Die Situierung des Gebäudes im Gelände und die Lage der Parkierung führen zu einem sehr hohen Aushubvolumen im Felsbereich und damit zu vergleichsweise hohen Tiefbaukosten.

Innere Organisation und Funktionalität
Die komplexe Form des Baukörpers basiert im Wesentlichen auf einer, der Zimmer- und Wohnungsanordnung folgenden Logik. Die versetzt angeordneten Zimmer werden mit einem gestaffelten Korridor ergänzt, der sich ausgehend von der zentralen Erschliessung nach Norden und Süden entwickelt und interessante Ausblicke in die Landschaft ermöglicht. Die Zimmer und Wohnungen sind allesamt nach Westen, teilweise mit einem Bezug nach Südwesten orientiert und verstehen die Waldkulisse als mindestens so attraktive Aussicht wie die südliche Seesicht.

Die Zimmer und Wohnungen sind typähnlich aufgebaut und versprechen eine gute Funktionalität. Sie sind grosszügig und wirken, vielleicht gerade wegen ihrer moderaten Abweichung von der konventionellen Form, elegant und zeitlos. Die sägezahnartig angeordneten privaten Aussenräume und deren Verschränkung mit dem Innenraum der Zimmer und Wohnungen versprechen attraktive Raumbezüge. Auch die zweigeschossige Lobby auf den Wohnungsgeschossen trägt zur Qualität der Innenräume bei.

Die spannende, typologische Grundanlage des Entwurfs wird von der Jury gewürdigt. Zugleich stellt sie aus Sicht des Betriebs aber ein nicht zu lösendes Problem dar. So wird insbesondere die Ausrichtung der Zimmer zum Wald hinsichtlich Vermarktung stark in Frage gestellt. Ebenfalls kritisiert wird die komplexe Erschliessungsfigur der Korridore. Sie erschwert die Orientierung der Gäste und die Funktionalität im Betrieb. Durch die Vermischung der Zimmergeschosse mit den öffentlichen Geschossen ist zudem mit mehr Betrieb in Zimmernähe zu rechnen.

In der äusseren Erscheinung zeichnet sich der Bau durch eine angemessene Eleganz aus. Die durchlaufenden, gestaffelten Balkonplatten versprechen, zusammen mit den grosszügigen Fensterflächen, eine feine austarierte Massstäblichkeit und räumliche Grosszügigkeit. Hangseitig tritt der Bau durch eine reduzierte plastische Gliederung und höhere Anteile an geschlossenen Wandflächen zurückhaltender in Erscheinung und vermeidet eine direkte Konkurrenz zum Gebäude Sonnmatt 1. Die Konstruktion als Massivbau mit einer Mischung aus Stützen und tragenden Wänden ist plausibel. Präzise Antworten bspw. zur Ausformulierung und Lage der Sonnenstoren und innovative Ansätze zu Konstruktion und Materialwahl sind leider nur in Ansätzen ersichtlich. Hier wünschte man sich mehr Innovation, beispielsweise im Hinblick auf eine höhere Flexibilität in der Raumnutzung oder auf spätere Anpassungen.

Denkmalpflege
Durch den grossen Abstand zum historischen Kurhaus und durch die Situierung entlang des Waldes tritt der Neubau in der Fernwirkung nur sehr zurückhaltend in Erscheinung.

Umgebung
Das Umgebungskonzept nutzt die neuen ortsbaulichen Voraussetzungen durch den Neubau für eine klärende Neuordnung der Freiräume. Die historische Gartenanlage im Süden wird nur unwesentlich verändert und bleibt dem Hauptbau Sonnmatt 1 zugeordnet. Kleinkronige Ziergehölze sorgen für Schatten und bereichern mit ihrem Blütenaspekt den Garten. Der Neubau erhält im Osten einen Zugangsplatz und eine Parkterrasse für die Aussengastronomie. Beide Aussenräume verfügen über begrünte Innenhöfe, die eine Verbindung in das darunterliegende Geschoss schaffen. Der Ankunftsbereich im Norden wird im Übergang zum angrenzenden Kulturland zu einem landschaftlich geprägten Park umgestaltet. Die Gesamtanlage profitiert von einer zweiseitig gleichwertigen Ausrichtung der Freiräume, welche bezogen auf die tages- und jahreszeitlichen Wechsel von Besonnung und Schatten die Nutzungsmöglichkeiten der Aussenräume erweitert. Die ergänzenden Baumpflanzungen, der hohe Grünanteil und die reichliche Durchlüftungsmöglichkeit schaffen gute Voraussetzungen für eine klimaangepasste Umgebungsgestaltung. Das Umgebungsprojekt leistet einen wertvollen Gestaltungsvorschlag, der den Ort - insbesondere im nördlichen Ankunftsbereich - neu interpretiert und dadurch überraschende landschaftliche Qualitäten und eine angenehme Grosszügigkeit schafft.

Fazit
Das Projekt `Tiliqua` zeichnet sich durch eine sehr sorgfältige Lektüre des Ortes aus und überführt diese in einen typologisch und baukörperlich spannenden Entwurf. Bedauerlicherweise gelingt es den Verfassenden jedoch nicht, aus der faszinierenden Interpretation der Bedingungen ein in allen Teilen strukturell und funktional schlüssiges Projekt zu entwickeln. Spannende Raumsequenzen bleiben mitunter episodisch und werden oftmals durch ein fehlendes Verständnis für einen optimierten Pflege- und Hotelleriebetrieb geschwächt. Dabei erweisen sich insbesondere die Ausrichtung der Zimmer auf den Wald und die Nutzungsdurchmischung über viele Geschosse als ein projektspezifisches Problem, an dessen Lösung die Jury auch bei einer weiteren Vertiefung nicht glaubt.