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Award / Auszeichnung | 02/2014

Holzbrückenbaupreis 2014

Naturmonument Rheinschlucht Ruinaulta - Hängebrücke, Wanderweg + Aussichtsplattform

CH-7402 Bonaduz, Via Plazzas 14

HOLZBRÜCKENBAUPREIS 2014

Walter Bieler AG Ingenieurbüro

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Verkehr

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Im Bau

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2010

Projektbeschreibung

EINLEITUNG
Nach dem gewaltigen Flimser Bergsturz vor über 10 000 Jahren hat sich der Vorderrhein bei Ilanz bis zu 400 Meter tief ins Gelände gegraben und eine einzigartige Landschaft ge-schaffen. Entstanden ist ein naturnaher Ort voller geheimnisvoller Seen in einem Bergwald, seltener Orchideenarten und Brutstätten bedrohter Vogelarten. Sanfte Sandbänke wechseln mit wilden Stromschnellen ab und machen das Gebiet der Rheinschlucht für Wanderer, Biker, Rafter, Kanuten, Naturfreunde und Entdecker gleichermassen zum Erlebnis. Die Hängebrücke Punt Ruinaulta bei der Station Trin und ein Wanderweg zwischen Ilanz und Reichenau erschliessen die Naturlandschaft der Ruinaulta-Schlucht während den Sommermonaten einem sanften Tourismus. Die 14 Kilometer lange Schlucht mit den bizarren, weisslichen Felsformationen war bisher nur durch die Rhätische Bahn erschlossen. Die Erschliessung der Schlucht, die 1977 als eines der ersten Gebiete ins "Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler“ von nationaler Bedeutung auf-genommen wurde, soll aber nicht den Schutz der Natur beeinträchtigen.


HINTERGRUND DES PROJEKTS GRÜNDE FÜR DIE LANCIERUNG
Ziel des Projektes ist es, das beeindruckende Schlucht-Erlebnis der einheimischen Be-völkerung und Gästen mit den Infrastrukturbauten: HÄNGEBRÜCKE PUNT RUINAULTA, WANDERWEG und AUSSICHTSPLATTFORM zugänglich zu machen und eine vielseitige Nutzung des touristischen Potenzials der Rheinschlucht für die Region zu erhalten. Das Verständnis für den Naturschutz soll durch einen sanften Tourismus gefördert werden.

1. HÄNGEBRÜCKE PUNT RUINAULTA

Der rätoromanische Name ‚Ruinaulta’setzt sich aus den beiden Wörtern Ruina (Geröllhalde, Steinbruch) und aulta (hoch).


KULTURELLE LEISTUNG UND ÄSTHETISCHE QUALITÄT
Auf den charaktervollen Ort, der sich seine Kraft aus der Tiefe der Jahrtausende holt, dringt das Bauwerk durch seine formale Ausbildung und räumliche Konzeption sehr feinfühlig ein. Auch auf den äusserst sensiblen Naturraum nimmt das Bauwerk angemessen Rücksicht. Die Widerlager und die Pylonhöhen sollen die Leitungsmasten der Gebirgsbahn bewusst nicht überragen, um das Bauwerk Eisenbahn optisch nicht zu konkurrenzieren.


GESELLSCHAFTLICHE RELEVANZ UND SOZIALVERTRÄGLICHKEIT
Die Hängebrücke Punt Ruinaulta ist über seine Funktion als Weg hinaus auch ein Brückenschlag im Dienste der Allgemeinheit. Der Bau ist eine Gemeinschaftstat, die allseits kräftige Unterstützung gefunden hat und von umliegenden Gemeinden mitfinanziert wurde. Das Produkt benötigte sehr viel Zeit, Geduld und viel Reflektionsfähigkeit von der Gründung IG Ruinaulta im Jahre 1998 bis zur Vollendung im November 2010.


ÖKOLOGISCHE VERANTWORTUNG
Der ökologische Gedanke zeigt sich einerseits in der Materialwahl – Holz wächst in der Region nach und ist CO2 neutral. Andererseits aber auch in der Rücksicht auf den ausserordentlichen Lebensraum, den der Steg durch seine geschickte Wegführung schützt. Ein nachhaltig ökonomischer Gedanke liegt im Detail der Konstruktion. So besteht das Tragwerk aus den Wäldern der umliegenden Gemeinden.


TRAGWERK
Die 105 Meter lange Hängebrücke ist in zwei Feldern aufgeteilt, das mittlere Pylonpaar steht dabei auf dem gegenüberliegenden Flussufer, während sich das dortige Widerlager an den bewaldeten Hang schmiegt. Das Tragverhalten und die Funktion der Tragelemente sind trotz ihrer Komplexität gut lesbar. Sie ist ein schwebendes Bauwerk frei von jedem Zierrat und beeindruckt allein durch ihre filigrane Konstruktion. Es soll nicht das Bauwerk im Vordergrund stehen, sondern die heroische Umgebung.

Die Seile von der Gehfläche sind rautenförmig eingehängt und bewirken somit eine Versteifung durch Fachwerkwirkung der schmalen Gehfläche. Speziell ausgebildet ist die flache, aufgehängte Gehfläche in Lärchenholz. Um die Windangriffsfläche zu reduzieren, ist der Querschnitt beidseitig in den Enden mit einer spitzen „Windnase“ versehen. Somit ist die Gehfläche windschlüpfrig und die Rippen bilden einen „Vierendeel – Träger“ mit dem positiven Aspekt, dass auf ein Wind- und Stabilitätsverband verzichtet werden konnte.

Zwischen den quer zur Längsrichtung verlaufenden Rippen, welche die Gehfläche bilden, bestehen Luftschlitze. Aufgrund dieser Schlitze kann das Regenwasser besser abfliessen und das Holz ist stets gut luftumspült. Die Schlitze garantieren ein schnelleres Trocknen des Holzes und damit dessen Langlebigkeit. Auf diese Weise kann auf einen chemischen Holzschutz verzichtet werden. Auf der linken Flussseite kann die Hängeseilbrücke nicht wie üblich rückverankert werden, da diese Verankerung in das Lichtraumprofil der Bahn positioniert würde.

Der Zugang zur Punt Ruinaulta erfolgt direkt durch das Widerlager. In diesem beschreibt der Weg einen rechten Winkel, um dann zur Brücke hinaus über den Rhein zu führen.
Das Widerlager aus Beton hat somit eine räumliche Qualität, die durch die geneigten Flächen und die Schattenwürfe gar zu einem sinnlichen Erlebnis wird. Der Raum im Widerlager verfügt zudem auch über eine Art Hinterausgang, eine schmaler gehaltene Öffnung, durch die hindurch dereinst der geplante Weg Richtung Ilanz begangen werden kann.


2. VIADUKT-STEG
KONTEXT / GESTALTUNG
Bislang war die Schlucht in ihrer Länge von 14 Kilometern einzig durch die Rhätische Bahn erschlossen. Nun wurde der 1904 eröffneten Bahnlinie einen Wanderweg zur Seite gestellt. Von Reichenau bis zur Station Trin führt der neue Weg linksrheinisch den Geleisen entlang, mitunter über zwei Viaduktstege, die das Schluchterlebnis noch intensivieren: Filigran und schlicht ist der Steg an die bestehenden Kunstbauten der Rhätischen Bahn angedockt. Durch die Luftschlitze zwischen dem längs verlegten Lärchen-Kernholz ist der Rhein direkt unter den Füssen ersichtlich. Für die Sicherheit sorgt dabei ein filigranes Eisengeländer, das die Ästhetik der Leitungsmasten der Bahn aufgreift und somit die Stege als Komplettierung der Bahnlinie erscheinen lässt.

TRAGWERK / KONSTRUKTION
Stählerne Konsolen sind im Raster von 2 Metern Abstand am Viadukt-Steg, teilweise auf neu erstellten Betonfundamenten montiert. Darüber liegt ein längsverlaufender Holzrost aus Lärchen-Kernholz mit einer bescheidenen Querschnittsabmessung von 60/80 mm. Der Rost ist 60 mm über der Stahlkonsole auf kleine Stahlfüsse montiert, um Verschmutzungsansammlungen zu vermeiden und um das vor der Witterung beanspruchte Holz möglichst rasch austrocknen zu lassen. Diese Massnahme ist für die Langlebigkeit des natürlichen Baustoffes Holz von grösster Wichtigkeit.



3. AUSSICHTSPLATTFORM

Gleich zu Beginn der Rheinschlucht windet sie sich unscheinbar das filigrane Stahlgeländer spiralförmig auf eine natürliche Erhebung und gibt einen überwältigenden Ausblick in die Rheinschlucht frei. Die Qualität dieses Entwurfs liegt im Eingehen auf die Topografie als Ansatz und in der achtsamen Einfügung in den Naturraum.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Ruinaulta-Brücke ist eine auf das Wesentliche reduzierte Hängebrücke, die durch ihre Leichtigkeit besticht, aber dabei dennoch eine eigene Prägnanz und Unverwechselbarkeit entwickelt. Sie geht sehr behutsam mit der Umwelt um, ist materialsparend und ressourcenschonend, und fügt sich wie selbstverständlich in die Landschaft ein – sie wirkt als Bereicherung und mit einer natürlichen Eleganz nicht als notwendige Belastung.

Mit der diagonalen Anordnung der Hängerseile wird eine ausreichende Gesamtsteifigkeit erreicht, um ein statisch und dynamisch günstiges Verformungsverhalten der leichten Konstruktion zu erreichen.

Holz, Stahl und Beton werden in idealer Weise kombiniert und fügen sich zu einem durchdachten, materialgerechten und einprägsamen Ensemble zusammen. Die Details sind mit Sorgfalt geplant. Hervorzuheben ist die gute Belüftung der Holzbauteile, womit eine robuste und langlebige Brückenkonstruktion erreicht wird.

Die Brücke ist ein herausragendes Beispiel des Holzbrückenbaus – modern, robust und mit natürlicher Eleganz. Sie zeigt in eindrücklicher Weise die Leistungsfähigkeit des Holzes im Kontext der Natur und im Zusammenspiel mit anderen Materialien.