Nichtoffener Wettbewerb | 09/2020
Franklin-Steg – Neubau einer Fuß- und Radwegbrücke über die B38 in Mannheim
©Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG / SCHOYERER ARCHITEKTEN_SYRA
ein 1. Preis
Preisgeld: 25.000 EUR
Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG
Bauingenieurwesen
Architektur
Erläuterungstext
InderAuseinandersetzungmitderAufgabenstellung ist dem Verfasser schnell klargeworden, dass die Kernaufgabe bei diesem Wettbewerb nicht in der Entwicklung eines Bauwerks, sondern einer ganzheitlichen Verbindung zweier Stadtteile - Vogelstang im Süden, Franklin im Norden – liegt. Dies führte zunächst zu einer Verkehrsstromanalyse mit dem Ziel die – sowohl unter aktuellen als auch zukünftigen Randbedingungen – für alle Nutzer sinnvollste und sicherste Wegführung zu bestimmen, die gleichermaßen barrierefrei als auch effektiv sein sollte.
Unter diesen Gesichtspunkten ergab sich auf natürliche Weise das hier vorgeschlagene, nahezu minimalistisch anmutende Brückentragwerk, welches sich optimal in das Landschaftsbild einfügt.
Integration in die Umgebung
Im Norden beginnt der Wegeverlauf des Franklin-Stegs am Columbus Pfad, der Ost-West- Verbindung durch das gesamte Columbus Quartier. Für den südlichen Anschluss des Franklin- Stegs wählen die Verfasser den aktuell noch als Kreisverkehr ausgebildeten Kreuzungsbereich zwischen Brandenburger- und Thüringer Straße. Somit wird die bestmögliche - weil unmittelbare - Steg-Anbindung an alle aktuellen und an alle künftigen Verkehrsrichtungen für Geh- und Radwegverbindungen sichergestellt. Aktuell werden die Verbindungen über die Thüringer Straße und die Brandenburger Straße angeschlossen und der Anschluss der Rad- und Fußwegeverbindung südlich der B38 ist bereits vorbereitet, wenn diese zum Stadtboulevard ausgebaut wird. Die Fläche des aktuell als Kreisverkehr genutzten Bereichs ist ausreichend bemessen für eine spindelartige Rampe und die Verfasser empfehlen den Übergang von Thüringer Straße zu Brandenburger Straße als Shared Space auszubilden, auf welchem sich die unterschiedlichen Verkehrsgeschwindigkeiten an das Radfahrer- und Fußgängertempo angleichen.
Architektur und Gestalt:
Die Verfasser schlagen an dieser Stelle eine Figur vor, welche durch eine starke Drehbewegung an Höhe gewinnt und in einem weiten Bogenverlauf geradezu bildhaft die quartiersübergreifende Verbindung darstellt. Eine spindelförmige Konstruktion an dieser Stelle wird aus verschiedenen Sichtachsen als Landmark und/ oder als Stadtportal wahrgenommen, denn nicht nur im Kreuzungspunkt von Thüringer Straße und Branderburgerstraße ist diese Figur gut sichtbar, sondern auch vom Columbuspark und von der B38, bzw. dem künftigen Stadtboulevard. Nicht nur die Drehbewegung und der Brückenverlauf zeigen eine dynamische Bewegung, auch der Brückenkörper selbst verändert sich von massivem Widerlager zu filigranem Steg und umgekehrt. Je nach Geschwindigkeit und Blickwinkel erscheint die Brückenfigur für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer nicht als statisches Bauwerk, sondern selbst als dynamische Figur. Das Geländer mit seinen schräg gestellten Stäben verstärkt diesen Eindruck, denn je nach Blickwinkel erwecken die Brückenbrüstungen Eindrücke von transparenten oder geschlossenen Texturen.
Entwässerung:
Das anfallende Regenwasser wird zunächst über die Querneigung nach außen geleitet und läuft dann längs über die Brücke bis es an den Enden der Rampen aufgefangen und in das vorhandene Entwässerungsnetz eingeleitet werden kann.
Herstellung:
Die Wahl eines Überbaus aus Stahl erlaubt außerdem eine einfache Montage, da das große Brückenelement, welches die B38 überspannt, vorgefertigt und in einer einzelnen Sperrpause eingehoben werden kann. Die Einschränkungen des Verkehrs auf der B38 werden somit minimiert. Die Spindel im Anschluss an Vogelstang sowie die Rampe im Columbuspark können kostengünstig auf Lehrgerüsten hergestellt werden.
Abmessungen und Nutzungsbereiche:
Im Vogelstang startet die Rampe mit einer Steigung von 6 % auf der Mittellinie, über der B38 verläuft der Steg horizontal, und im Bereich des Columbuspark neigt sich der Steg mit 6 % in Richtung Columbuspfad. Die Gesamtläge des Steges beträgt von Nullpunkt zu Nullpunkt 193 m und die erforderliche lichte Höhe von 4,70 m wird über den Fahrbahnen sichergestellt. Die nutzbare Rampenbreite beträgt durchgängig 4,50 m, lediglich im Startbereich der Spindel verkürzt eine Aufweitung auf 7,50 m die Wegeverbindung für eilige Fußgänger.
Beurteilung durch das Preisgericht
Auf subtile Art und Weise reagiert die Brücke durch ihre plastische Ausformung an ihren Enden auf Columbus und der Vogelstang. Auf der Vogelstang‐Seite wird der Einstieg landschaftsplanerisch gut inszeniert und damit eine lobenswerte Aufenthaltsqualität erzeugt. Leider wird der Lärmschutzwall zugunsten einer besseren Sichtbarkeit an dieser Stelle unterbrochen und der Schutz damit beeinträchtigt. Die Verfasser gehen hier von einer zeitnahen Umsetzung des Stadtboulevards aus. Im Bereich Columbus folgt sie den Vorgaben des Masterplanes. Hier wäre in der weiteren Bearbeitung die Abstimmung mit dem Landschaftsplaner erforderlich.
Trotz aller Komplexität präsentiert sich das Bauwerk unaufdringlich und einfach. Aufgrund ihrer baulichen Länge, die aber für den Gesamteindruck von Bedeutung ist, liegen die Kosten im mittleren wirtschaftlichen Bereich. Die Brücke bietet aber dem Betrachter Erlebniswelten auf unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen. Ein sehr guter Beitrag zur gestellten Aufgabe, der eine hohe Disziplin in der Umsetzung erfordert, insbesondere die qualitativ hochwertige Detailausbildung ist zwingende Voraussetzung für die gewünschte Gestaltungsabsicht.
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Fußgängerperspektive
©Arge "Leonhardt, Andrä und Partner + Schoyerer Architekten + BIERBAUM.AICHELE.landschaftsarchitekten"
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Vogelflug
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