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Projektwettbewerb im selektiven Verfahren | 10/2021

"Brücke über den Graben" Passerelle St. Gallen (CH)

5. Preis

Borgogno Eggenberger + Partner AG Bauingenieure

Bauingenieurwesen

Kollektiv Nordost

Landschaftsarchitektur

TOM MUNZ ARCHITEKT

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Verkehrsführung, Städtebau und Denkmalpflege
Der pragmatische Ansatz einer möglichst direkten und kurzen Brückenverbindung bestimmt den Entwurf des Fussgängerstegs. Dabei wird der präzise geometrische Bezug zum Parkhaus zur bestimmenden städtebaulichen Idee. Fast schon als verlängerter Arm des Parkhauses greift der Steg in den Strassenraum und stösst mit den nötigen chirurgischen Schnitten am Baumbestand in den St. Mangen Park, um dann am Rand der Plattform des leichten Kirchenhügels der Kirche St. Mangen aufzusetzen und sich zu verankern. Folgerichtig
sieht dieser Brückenschlag nur eine Abstützung am Rand des Parks vor und verstärkt damit die gestalterische Absicht der zielgerichteten Direktheit. Die Linienführung des Stegs führt dazu, dass die Verbindung vom Altstadtquartier St. Mangen zur Müller-Friedberg-Strasse auf zwei Ebenen angelegt und über die neue vertikale Erschliessung des Parkhauses verbunden wird. Mit der Durchführung des Stegs auf der unteren Verbindungsebene und der Anbindung an die äussere Treppenverbindung zum Unteren Graben erhält der Weg auch in diesem Bereich einen öffentlichen Charakter, was sich als durchgehende Öffnung auch wohltuend im Innenraum der neuen Vertikalerschliessung des Parkhauses zeigt. Trotz den einleuchtenden funktionalen und gestalterischen Überlegungen im Bereich des Parkhauses widerspricht die etwas umständliche Liftbenutzung der starken Grundidee mit der direkten Wegeführung.
Die Geometrie der Linienführung lässt den Fussgängersteg eher zufällig auf dem Kirchenhügel ankommen. Mit der räumlichen Ausweitung des Weges
und der Einbindung der neuen Pflästerung wird versucht, dieser Zufälligkeit zu begegnen, obwohl dabei zusätzlich ein bestehender Baum entfernt werden muss. Mit der Neupflanzung einer Linde und dem Einfügen einer runden Sitzbank wird versucht, dem Ort eine neue Aufenthaltsqualität und Öffentlichkeit zu verleihen. Die vorhandene atmosphärische Stimmung im hinteren Teil der
Kirche, die eher Ruhe und Beschaulichkeit ausstrahlt, sowie der Übergang in
die nicht öffentlichen Vorbereiche des Kirchgemeindehauses stehen jedoch eher im Kontrast dazu. Es wird bezweifelt, dass an diesem Ort der vom Verfasserteam gewünschte lebendige Ort entsteht.
Tragwerk
Die Brücke über den unteren Graben wird als gerader Zweifeldträger aus einem torsionssteifen stählernen Hohlkasten mit Spannweiten von rund 22 m
und 23 m ausgebildet. Die Kastenhöhe beträgt in den Feldern 1 m und über der Stütze, wo der Querschnitt infolge einer Voute anwächst, 1.25 m. Die Brücke endet auf der Seite des Parkhauses an einer 4 m auskragenden, vorgespannten Betonplatte. Parkseitig wird die Brücke im Widerlager voll eingespannt (Fixpunkt). Die mittlere Stütze ist mit dem Hohlkasten voll verschweisst und unten gelenkig mit dem Betonfundament verbunden. Auf der Seite des Parkhauses ist die Brücke längs verschieblich mit Augenblechen und
Bolzen aufgelagert. Die Annahmen und vorliegenden Nachweise der statischen Berechnungen sind nachvollziehbar und richtig geführt, wenn auch sehr rudimentär. Der Vorschlag für den Brückenquerschnitt ist aus statischer
Sicht (Kräftefluss im Querschnitt) nicht abschliessend nachvollziehbar und auf Grund des hohen Stahlverbrauchs unwirtschaftlich. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die oberhalb der Fahrbahn liegenden Konstruktionsteile notwendig sind. Auch das auskragende, vorgespannte Widerlager auf der Seite des Parkhauses erscheint als Pendant zum Widerlager im Park nicht adäquat. Zudem ist der Mehrwert des eingespannten Trägers beim Widerlager nicht nachvollziehbar, da die beiden Spannweiten der Brücke identisch sind. Aufgrund der kurzen und direkten Linienführung befindet sich die Brücke gegenüber den Konkurrenten deutlich im unteren Preisspektrum.
Konstruktion und Gestalt
Die vorgeschlagene Materialisierung der Brücke erscheint für die Idee des direkten Brückenschlags unverständlich. Die Wiederlager der Brücke sind beidseitig in Beton vorgeschlagen mit einer dazwischen gespannten kastenförmigen Stahlbrücke. Die Übergänge der unterschiedlichen Materialien erscheinen gestalterisch zufällig und erschweren, trotz der angedachten gleichartigen farblichen Behandlung, die Lesbarkeit dieser grossen städtebaulichen Geste.
Freiraum
Der schnörkellose Brückenschlag in direkter Linienführung bewirkt eine problematische, räumliche Halbierung des ohnehin kleinen Parks. Diese wird durch die Sitzstufen am Brückenpfeiler noch unterstrichen. Die Brücke selber weist ins Hinterland des Kirchgemeindehauses. Mit der Baumpflanzung und der Rundbank vor der Kirche entsteht ein Ort mit fraglicher Aufenthaltsqualität. Die Eingriffstiefe bezüglich der Bestandsbäume wird als moderat taxiert.
Gesamteindruck
Der Projektvorschlag überzeugt mit der Idee der direkten Linienführung, die sich aus der Geometrie des bestehenden Parkhauses und seiner städtebaulichen Setzung entwickelt und auf diese Weise zu einer selbstverständlichen Geste im Stadtraum wird. Leider vermögen die städtebaulichen, gestalterischen und technischen Antworten auf diese Rigorosität nicht zu überzeugen. Dies manifestiert sich insbesondere beim Anschluss des Fussgängerstegs an den Hügel des St. Mangen Parks sowie bei der konstruktiv-technischen Konzeption der Brücke.