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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2014

Kunst am Bau | Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum der UniversitÀt Potsdam (IKMZ)

2. Preis

Preisgeld: 2.500 EUR

inges idee

Kunst

ErlÀuterungstext

Auszug aus dem ErlÀuterungsbericht

„An beiden StirnwĂ€nden der Innenhöfe werden ĂŒber die gesamte Höhe und Breite unterschiedliche Satzzeichen und Ziffern angebracht, die, trotz großer Leerstellen zwischen den einzelnen Zeichen, den Eindruck eines systematischen, wenn auch abstrakten Textflusses vermitteln. Die Zeichen und Ziffern verfĂŒgen ĂŒber eine aus grĂ¶ĂŸerer Distanz wahrnehmbare GrĂ¶ĂŸe (8-30 cm – siehe Technik) und sind, wie etwa Buchstaben beim Bleisatz, plastisch erhaben. Die Wand wird durch den kĂŒnstlerischen Eingriff in ihrer gesamten GrĂ¶ĂŸe als Ausschnitt einer Textseite definiert, wobei der Putz der Wand – gleich dem Papier einer Buchseite - den Fond fĂŒr die Zeichen stellt. Beide Innenhöfe werden mit demselben „Text“ (Zeichensatz) bestĂŒckt, wobei bei einem der Innenhöfe die Zeichen gespiegelt werden. Dieser kaum merkliche Unterschied, der sich insbesondere an den Ziffern entschlĂŒsseln lĂ€sst, stellt eine subtile Differenz der beiden Höfe im ansonsten symmetrisch aufgebauten GebĂ€ude her (Ă€hnlich der unterschiedlich gefĂ€rbten Treppenbereichen).

Grundgedanke war, das Medium Buch sowie die Institution Bibliothek als InformationstrĂ€ger und Wissensspeicher zu thematisieren und gleichzeitig mit der besonderen architektonischen Situation und der TĂ€tigkeit der Studierenden (dem Studium) auf ungewöhnliche Art und Weise zu verknĂŒpfen. Wissenschaftliches Arbeiten beinhaltet - zum nicht unerheblichen Teil - Textabschnitte aus ihrem angestammten Kontext zu greifen und in einen neuen Zusammenhang zu stellen.
FĂŒr dieses Verfahren existieren verbindliche Regeln.

Dem kĂŒnstlerischen Entwurf liegt ein ebensolcher Textausschnitt zum wissenschaftlich korrekten Zitieren, Bibliografieren und Quellenangeben zugrunde*, wobei sĂ€mtliche Worte (Inhalt) entfernt, und nur Satzzeichen wie Klammer, Punkt, Doppelpunkt, Komma etc. sowie hochgestellte Ziffern (Fußnoten) belassen wurden. Die Satzzeichen und Ziffern befinden sich weiterhin an ihrem angestammten Platz im Fließtext sodass das VerhĂ€ltnis von Zeichen zu Leerraum noch immer auf eine Art durchgĂ€ngige Information schließen lĂ€sst, wenn auch diese nun nicht mehr zu entschlĂŒsseln ist. Die Zeichen können fĂŒr eine zur VerfĂŒgung gestellte Struktur stehen, wohingegen die Inhalte als Leerstellen auftauchen, die von den Studierenden zu fĂŒllen sind. Der so bearbeitete Text erscheint wie kryptiert und evoziert Assoziationen an die gestanzte Information einer Lochkarte, eine Art neuartigen digitalen Code oder aber an die Erscheinung der Braille Schrift, was durch eine Ă€hnliche Farbgebung der tragenden Wand und der plastischen Objekte noch verstĂ€rkt wird, die hier fast wie aus der Wand geprĂ€gt erscheinen. Als Bild betrachtet erscheint die Wand als abstrakte, rhythmisierte Struktur die musikalisch meditative ZĂŒge trĂ€gt. UnterstĂŒtzt wird dieser Eindruck durch die Monochromie von Zeichen und tragender Wand – feinste Schattierungen verleihen der Wand eine zurĂŒckgenommene, aber jederzeit lebendige Ausstrahlung, die sich, je nach Tageszeiten und WetterverhĂ€ltnissen, in permanenter VerĂ€nderung befindet und somit einen Bezug zur Welt außerhalb der Bibliothek darstellt. Die zahlreichen Leerstellen fordern die Vorstellung heraus und animieren zum VervollstĂ€ndigen der verborgenen Informationen. Der Entwurf nimmt auf vielfĂ€ltige Weise Bezug zur Architektur. Die ganzflĂ€chig bespielten StirnwĂ€nde können von allen Geschossen gut eingesehen werden und erwecken bereits im Erdgeschoss beim eintretenden Besucher Aufmerksamkeit und Neugier. Das im GebĂ€ude an gelegte Prinzip der punktsymmetrischen Spiegelung wird aufgenommen. Die WĂ€nde werden komplett– Ă€hnlich der Seite eines Buches - als tragender Grund fĂŒr die Zeichen definiert und somit das BibliotheksgebĂ€ude selbst als Wissensspeicher definiert – die Zeichen treten aus dem Grund hervor, werden plastisch und somit zum realen Teil des Baukörpers. Der Eingriff ist sichtbar und zurĂŒckgenommen zugleich, die differenzierten Licht- und RaumverhĂ€ltnisse werden durch die Monochromie von Buchstaben und Wand und die sich Ă€ndernden Schattenspiele unterstĂŒtzt und verstĂ€rkt. Die großflĂ€chige PrĂ€senz auf den StirnwĂ€nden schließlich verleiht der Arbeit emblematischen und identitĂ€tsstiftenden Charakter.

Trotz und gerade wegen der Abstraktheit und des scheinbaren Fehlens von konkretem Inhalt verweist der Entwurf auf die unzĂ€hligen Möglichkeiten, Leerstellen durch KreativitĂ€t und Vorstellungskraft mit neuer und ĂŒberraschender Bedeutung zu fĂŒllen. Als aktuelles Beispiel kann hierfĂŒr das in der digitalen Kommunikation verbreitete PhĂ€nomen angefĂŒhrt werden, durch unkonventionellen Gebrauch Satzzeichen als ikonographische BildtrĂ€ger zu verwenden – so zu beobachten bei dem bei SMS und in sozialen Medien sehr gebrĂ€uchlichen „Smiley“, einem aus einer Klammer, Bindestrich und Doppelpunkt geformten „Gesicht“. Aus erlernten Inhalten neue Bedeutungen und BezĂŒge zu gewinnen ist Teil jedes sinnvollen Studiums - eine Bibliothek stellt einen physischen Ort dafĂŒr zur VerfĂŒgung. Diesen gebauten Ort durch kĂŒnstlerische Mittel ĂŒberraschend und stimulierend zu bereichern und mit der TĂ€tigkeit ihrer Nutzer zu verknĂŒpfen war Impetus dieses Entwurfs (...).“

Beurteilung durch das Preisgericht

Der „Fußnotenapparat“ besteht aus dreidimensionalen Satzzeichen und Zahlen, die an beiden Stirnseiten der Innenhöfe angebracht werden sollen. Die damit als Textseiten dienenden Stirnseiten, auf einer wird der Text in Bezug auf die Symmetrie des GebĂ€udes gespiegelt, sollen das Medium Buch sowie die Institution der Bibliothek als InformationstrĂ€ger
und Wissensspeicher thematisieren. Der verwendete Text, aus dem die Satzzeichen und Zahlen entnommen sind, ist eine Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten und gibt Auskunft ĂŒber das wissenschaftliche Zitieren. Mit dem abstrahierten, weil reduzierten Text wird angespielt „auf die unzĂ€hligen Möglichkeiten, Leerstellen durch KreativitĂ€t und Vorstellungskraft mit neuer und ĂŒberraschender Bedeutung zu fĂŒllen“ (Beschreibung der KĂŒnstler).

Das Preisgericht wĂŒrdigt die Arbeit als einen positiv zurĂŒckhaltenden Beitrag, der das BibliotheksgebĂ€ude mit einer feinen und subtilen Strukturierung ergĂ€nzt und die beiden StirnwĂ€nde der Innenhöfe leise, aber feinsinnig auflĂ€dt. Die Leerstellen werden als zuerst irritierend, aber dann als anregend angesehen, da sie den Betrachter zu einem „AuffĂŒllen“ animierend und auf unterschiedlichsten Ebenen dazu anregen, ĂŒber die Textsorte der wissenschaftlichen Texte als auch generell ĂŒber Texte und ihre Formate nachzudenken. Der positive Aspekt der Mehrdeutigkeit, z.B. Assoziationen als Kletterwand bzw. als Blindenschrift, entsteht dadurch, dass die vom Text verbliebenen Zeichen zuerst einmal kryptisch erscheinen und sich in ihrer Farbigkeit als auch ihrem geringen skulpturalen Volumen an bzw. in die WĂ€nde einschmiegen und fast nicht sichtbar sind. Der Blick aus den verschiedenen Etagen auf diese Arbeit ergibt immer wieder ein neues Bild und spielt mit haptischer NĂ€he und Distanz.

Kontrovers wird im Preisgericht die Frage und Deutlichkeit der Sichtbarkeit diskutiert. Frage ist auch, ob die GrĂ¶ĂŸe der Satzzeichen im VerhĂ€ltnis zur Dimension der StirnwĂ€nde stimmig ist oder eventuell grĂ¶ĂŸer sein mĂŒsste.