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Einladungswettbewerb | 08/2016

White City Center Tel Aviv - Establishment of an Israeli-German Center for Heritage and Architecture (Max Liebling House)

Mirror Baloon

Mirror Baloon

The Mirror Balloon

1. Preis

Preisgeld: 3.000 EUR

Holzer Kobler Architekturen

Architektur, Design, Innenarchitektur

Erläuterungstext

Stadt im Haus. Konzept für das White City Center, Tel Aviv.

BILD Ein Weg führt von der Straße zu dem Hauseingang, überdacht von einer Pergola, untypisch für die Bauweise von damals, eine Konstruktion, die vor allem die Funktion zu haben scheint den Übergang von Außen nach Innen und von Innen nach Außen zu markieren. Daneben eine Balkonterrasse, Menschen sitzen nebeneinander an einem die Brüstung entlanglaufendem Cafétresen, umgeben von reicher Vegetation. Sobald man in das Haus eintritt, befindet man sich in einem Vorraum mit einer gekachelten Wand, die einen kleinen Brunnen umschließt. Zu klein für eine Lobby, scheint der Raum eine Fortsetzung von dem Übergang von Stadt zu Haus zu sein, noch unberührt von der Gegenwart. Und dann, wenn man fünf Treppen emporsteigt und die Tür öffnet, ist man auf dem Platz. Bewohner tauschen sich über Neuigkeiten aus, Besucher informieren sich über das Leben und die Geschichte der Stadt und Erwachsene schauen ihren Kindern zu wie sie aus großen Styroporbausteinen weiße Häuser bauen und ihre ganz eigene White City zusammensetzen, nur dem Masterplan ihrer kindlichen Intuition folgend. Bücher über die Geschichte der White City, Bücher von jungen israelischen und deutschen Schriftstellern, Bücher, die vom Holocaust erzählen, über das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, über Zukunftsvorstellungen von Stadt und urbanen Leben, können auf den Stufen eines Sitzmöbels studiert werden bevor man sich entschließt sie zu kaufen. Zwischen den Buchladen und der Modellstadt schweift der Blick auf den Boden, dessen Muster eines von der Zeit gezeichnetes ist. Der ursprüngliche Terrazzoboden geht über in ein Parkett, das in den neunziger Jahren hinzugefügt wurde und beide sind unterbrochen von den Spuren der Wände, die vor kurzem entfernt wurden. Das Café indes weitet sich hinter der Rezeption bis nach draußen auf die Terrasse, laut, voll und hektisch. Wir sind im Erdgeschoß des White City Heritage Center angekommen.

ABSTRAKTION Im 15. Jahrhundert hat Leon Battista Alberti in seinen Zehn Büchern über die Baukunst das Haus als Stadt im verkleinerten Maßstab beschrieben und die Stadt zum Vorbild zur Erschließung des Hauses erklärt.
Der Masterplan für Tel Aviv, den Patrick Geddes 1925 entwickelt hat, war wiederum bestimmt von der Idee, dass eine Stadt eine urbane Einheit ist, die von sozialen Prozessen geprägt ist und als Organismus sich in permanenter räumlicher und zeitlicher Veränderung befindet. Ballung und Umgebung, Gebiet und Ort waren seine zentralen Begriffe, die er in ein hierarchisches Straßensystem mit Hauptstraßen, Wohnstraßen und Fußwegen gliederte, die Wohnblöcke definieren, die sich wiederum um Plätze gruppieren und in sich kleine Städte in der Stadt bilden.
Die Vorstellung Albertis aufgreifend und dem Plan Geddes folgend, basiert unser Konzept auf der Idee der Stadt im Haus: die Eigenschaften und Besonderheiten der Stadtstruktur der White City werden in eine vertikale Schichtung übertragen, indem sich die Programme dem Grundriss des Max Liebling Hauses auf ähnliche Weise anpassen wie die Häuser, Straßen und Plätze dem Geddes Plan.
Entscheidend dabei ist, dass wir die Architektur des Hauses ebenso wie die Architektur der Stadt als Struktur begreifen, in der nicht der einzelne Raum bzw. das einzelne Gebäude im Vordergrund steht, sondern das Zusammenspiel von räumlichen/städtischen Fragmenten, die im Kontext ihrer Umgebung und ihrer Geschichte stehen. Damit wird die Stadt/das Haus zur einer Collage, die sich aus Einzelteilen zusammensetzt, die jeweils zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt definiert worden waren und die Konzepte ihrer Entstehungszeit bewahren und gleichzeitig dieses Erbe mit der Gegenwart und Zukunft vereinen.

STADT / HAUS Laut Henri Lefebvre ist die Konzeption des Städtischen in einer urbanisierten Gesellschaft von Mediation, Zentralität und Differenz bestimmt. Mit Mediation meint er eine Vermittlung zwischen privater und globaler Ebene, mit Zentralität die Stadt als Zentrum, die Dinge und Menschen nicht länger voneinander trennt, sondern Orte der Gleichzeitigkeit von Begegnung, Kommunikation, Information und Unvorhersehbarem schafft. Die Differenz wiederum steht für die gleichzeitige Präsenz ganz unterschiedlicher Welten und Wertvorstellungen. Orte also, an dem sich Unterschiede kennen, anerkennen und erproben, sich bestätigen oder aufheben.
Auf Grundlage dieser Definition will unser Konzept der Stadt im Haus nicht nur das Alte für die Gegenwart und Zukunft nutzbar machen, sondern den Zusammenprall von Gegensätzen, von Vertrautem und Fremden, von Dichte und Transparenz, Intimen und Öffentlichen inszenieren. Um die Komplexität der Stadt zu begreifen und zu vermitteln, vergrößern wir für die Stadt im Haus einen Ausschnitt, der in seiner Vereinfachung uns ermöglicht die Geschichte der White City zu erzählen. Es ist die Geschichte der Emigranten, die kurz vor ihrer Flucht aus Europa einen revolutionären Baustil hervorgebracht hatten und diesen mit den neuen Bedingungen vor Ort weiterentwickelten. Daraus ist etwas Einzigartiges entstanden, das weder dem Funktionalismus noch dem Bauhaus zugeschrieben werden kann. Es ist eine Geschichte des sich Einlassen auf das vor Ort Gegebene, den Bedürfnissen und den Bedingungen. Das Stadtviertel, das daraus emporkam, kennt kaum Glas und ist geprägt von Balkons, die durch hohe Brüstungen und tiefliegende Stürze für frische Luft sorgen und gleichzeitig vor der Sonne schützen. Es ist gebaut aus Materialien, die im Rahmen des Haávara-Abkommens als Tauschwährung für Bargeld von Europa nach Israel geschifft wurden und die in den Gebäuden gespeichert sind. Die Individualität der White City liegt weniger in ihrer Gestalt, ihrer Funktion oder Erinnerungswert, als in dem Ereignis an sich, das sich verfestigte und zu Form wurde.
Das Max Liebling Haus als Synthese davon funktioniert als komprimierte Erzählung der komplexen Geschichte der White City, ein Haus, das in eine Stadt gesetzt wurde, wo es mit Leben und Geschichten des Verlustes und Neubeginns gefüllt wurde. Diese Geschichten trägt jedes Gebäude der White City weiter in sich, während täglich neue Geschichten hinzukommen. Das Haus ist keine historische Substanz, die zurückgebaut werden sollte, sondern eine Substanz, der die Möglichkeit des Erhalts und Weiterentwicklung gegeben werden soll.

ZIRKULATION Der ‚innerer Urbanismus’ im Haus entsteht einerseits durch ein Oszillieren zwischen Weite und Enge, Gleichzeitigen und Individuellen, Offenen und Intimen, und andererseits mit der Aneignung und Auseinandersetzung durch die Benutzer.
Das Erdgeschoß steht für den öffentlichen, nach außen hin orientierten Platz. Ein Zentrum des Hauses mit einem Café, Buchladen, Kinderspielplatz und Informationsstelle, das wie ein Platz von gleichzeitigen und unterschiedlichen Aktivitäten geprägt ist.
Der erste Stock ist bestimmt von Kommunikation, Austausch und Arbeiten, hier befinden sich die Vortrags- und Schulungsräume, die Fachbibliothek und ihr Leseraum, die Büros. Es ist ein Ort, an dem das I29 Urban Conservation Team zusammen mit externen Experten sich austauscht, in Ruhe und konzentriert arbeitet oder Vorträge hält, es ist der Ort, der vermittelt zwischen dem Haus und der Stadt.
Im zweiten Stock versammelt sich das Private, hier wohnen nicht nur die Stipendiaten, sondern das Wohnen in der White City wird exemplarisch als Wechselausstellung thematisiert. Indem israelische und deutsche Künstler und Designer aus dem Stipendiatenprogramm die Musterwohnung neu interpretierten, wird eine Sensibilisierung für das Zusammenspiel von Vorhandenen mit Neuen geschaffen und damit eine Zukunftsvision vom Wohnen in der Bausubstanz der White City.
Die Dachterrasse öffnet wieder den Blick in die Stadt, sie ist der Park, der die Umgebung aufnimmt, ein Ort zum entspannen, sich begegnen, privater als der Platz und doch öffentlich.
Das Treppenhaus entspricht dem Boulevard, der Hauptstraße und Verbindungsachse, die Korridore funktionieren wie kleine Straßen zur Erschließung einzelner Nutzungen, während die Balkons als Fußwege nirgendwo hinzuführen scheinen und trotzdem verbinden.
Die Geschichte der White City ist im Haus als Ganzes eingeschrieben und dementsprechend wird die geschichtliche Dauerausstellung nach Themen und Kapitel unterteilt an ausgewählten Stellen im Gebäude verteilt gezeigt. Die Dauerausstellung wird in Zusammenarbeit mit dem I29 Urban Conservation Team konzipiert, zum Beispiel soll nach historischen Material von dem Max Liebling Haus und vergangenen Leben in ihm geforscht werden und dieses an der jeweiligen Stelle im Haus als Foto oder kurze textliche Erzählung gezeigt werden.

ELEMENTE Das Erleben der Stadt im Haus wird mit einer Reihe von Gestaltungselementen verstärkt. Es werden vorhandene Elemente des Hauses hervorgehoben, wiederholt und/oder im neuen Kontext platziert und neue Elemente hinzugefügt. Sie funktionieren als zusammenfassende Klammern ebenso wie als Heraushebung von Details.
Als verbindendes Element durchzieht im verkleinerten Maßstab die Gitterstruktur des Masterplans von Geddes das gesamte Haus. Für den Betrachter zuerst kaum wahrnehmbar, sind die Linien des Plans mit transparentem Lack nachgemalt und zeigen auf subtile Weise die Stadt im Haus. Neben einer Visualisierung des Gesamtkonzeptes können mit diesem Hidden Script die Orte definiert werden, an denen die unterschiedlichen Teile der Dauerausstellung installiert werden. In den Gitterfeldern im Treppenhaus werden zum Beispiel Abbildungen von den architektonisch wichtigsten Gebäuden der White City tapeziert und damit bildlich der Blick von der Hauptachse nach außen in die Stadt gelenkt.
Ein weiteres Element, das hinzugefügt wird, ist ein auf der Dachterrasse installierter Ballon, der verspiegelt ist. In seiner Reflexion nimmt er die umliegende White City auf, macht sie aus einer neuen Perspektive sichtbar und spendet gleichzeitig für die Dachterrasse Schatten. Platziert am obersten Ende des Rundgangs ist der Ballon die Essenz der Stadt im Haus, vereint das Gesamtkonzept als Bild und ist von der Stadt aus bereits von weitem sichtbar. Der Ballon, unser Design Detail, besitzt das Potential zum Zeichen des White City Heritage Center zu werden.
Die aus unterschiedlichen Bau- und Sanierungsphasen stammenden Bodenbeläge werden als zeitliche Schichtung offengelegt. An ausgewählten Orten wird der Parkettboden entfernt und der ursprüngliche Terrazzoboden freigelegt, an anderen Stellen wird ein neuer Boden hinzugefügt und dort, wo Wände entfernt wurden, bleiben die Spuren im Boden und an der Decke sichtbar.
Die Villeroy Boch Fliesen im Treppenhaus, die ein Zeugnis des Haávara-Abkommens sind und erhalten bleien, werden nach wie vor in Deutschland produziert und sollen als neues Material und künstlerisch gestaltet für die Balkonböden verwendet werden. Durch das Aufgreifen des Materials der Hauptachse wird die Bedeutung der Balkons als äußere Klammer des Wegesystems verstärkt. Die Balkons, die über alle Stockwerke am äußersten Rand des Gebäudes verteilt sind und als Ort keine eindeutige Funktion habe, bekommen damit Aufmerksamkeit und laden zum Heraustreten ein. Es sind die Räume des Hauses, die sich wahrscheinlich am stärksten mit der Stadt verbinden und am wenigsten vorgeben.
Diesem Prinzip folgend soll mit den Urbanisten, Historikern, Schriftstellern, Künstlern und Filmemacher des Stipendiatenprogramms weitere Aspekte der White City im Haus herausgearbeitet und sichtbar gemacht werden.

ZUSAMMENFASSUNG Unser Konzept für das White City Heritage Center lebt von der Dynamik, dem Wechselspiel und dem Ineinanderfließen von Innen- und Außenraum, von Haus und Stadt. Die zugrundeliegende Struktur des Masterplans von Geddes ermöglicht eine übersichtliche Aufteilung und zugleich eine wild wuchernde Überlagerung von Gegenwart und Geschichte. Diese Gleichzeitigkeiten sind in permanenter Bewegung, sie können interpretiert, rekonstruiert und neu zusammengesetzt werden. Ausgangspunkt ist dabei der Alltag, das Gewöhnliche und Banale, zentral ist die Teilhabe der Menschen.

Beurteilung durch das Preisgericht

The members of the jury appreciated the main conceptual idea of the proposal to bring the (white) city life inside the building. This clear concept was underlined by the different layers of activities shown. The jury was convinced that the proposed detail (the mirror balloon) could achieve both: draw attention towards the building and expose the concept of an open house to the public. All in all the concept was considered the best fitting. Even though the question was raised how the mirror balloon could be implemented this was considered as a feasible task (e.g. only to be shown temporarily and on special occasions).
Mirror Baloon Detail

Mirror Baloon Detail

Section View

Section View

Square Ground Floor

Square Ground Floor

Competition panel 1|2

Competition panel 1|2

Competition panel 2|2

Competition panel 2|2