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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2020

Neubau einer Wohnanlage im Ortsteil Burgrain in Garmisch-Partenkirchen

3. Preis

Preisgeld: 8.000 EUR

Hahn Wensch Architekten PartG mbB

Architektur

NMM [Nicole M. Meier] LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

LEITIDEE LOISACHHOF: Ein Nachbarschaftshof für Burgrain

Das neue Ensemble bietet nicht nur Wohnraum — sondern Lebensraum. In Anlehnung an die Typologie des Dreiseithofs einerseits und die Geschichte Burgrains als Siedlungsstandort andererseits erzeugt die städtebauliche Setzung der Wohnzeilen zueinander eine geschützte, nachhaltige und attraktive Nachbarschaft. Das Erscheinungsbild mit Holzverkleidung und Satteldach stellt sich bewusst in die örtliche Gestaltungstradition, ist aber durch Vorfertigung und klare Detailierung dezidiert zeitgenössisch. Den Siedlungsbaugedanken weitertragend wird Baukultur hier als langfristige gesellschaftliche Investition verstanden: mit zukunftsweisender Funktionalität, angemessener Wirtschaftlichkeit, und sozialer und architektonischer Integration in den Bestand.

KONSTRUKTION und MATERIAL: Nachhaltig, kontextbewusst und effizient

Ressourcenschonendes Bauen wird hier nicht nur technisch, sondern auch strukturell und sozial umgesetzt. Die Hybridkonstruktion aus Recyclingbeton und Holzrahmenbau vermittelt optimal zwischen komplexen Anforderungen (Hochwasser, Brandschutz, Schallschutz, Wirtschaftlichkeit und Erscheinungsbild) und vermeidet zukünftige Entsorgungskosten von Bausondermüll. Traditionelle und zeitgenössische Technik werden hier umsichtig eingesetzt und nachhaltig verbunden. Reduzierte Details und effiziente Konstruktion vermeiden aufgeblähte Kosten. So können z. B. in den überdachten Parkbereichen auf allen Plätzen Elektro-Autos geladen werden (Leitungsführung an der Decke). Gleichzeitig dienen die Parkbereiche mit robuster Betonkonstruktion als Hochwasser-Auffangbereiche, deren kostengünstige Pflasterung (statt Bodenplatte bzw. -wanne) ein Aufschwimmen verhindert.

Strukturell schützt die stringente Grundrissanordnung vor Lärm (z.B. durch die Anordnung schützenswerter Nutzungen zur lärmabgewandten Seite). Dank der vorgefertigten Holztafelbauweise in Schottenstruktur auf neutralem Raster können unterschiedliche Wohnungsgrößen erzeugt und kombiniert werden. Die Ausbildung des Hofes, der genau wie alle Wohnungen barrierefrei erreichbar ist, sorgt für ein offenes, attraktives soziales Zentrum, das durch die Anbindung an den Uferweg für den Ort sichtbar und zugänglich gemacht wird. Die langfristige Funktion des gesamten Ensembles ist somit nicht nur konstruktiv, sondern auch in Bezug auf Nutzung und Erhalt gesichert.

Die elementierte Holzfassade bezieht sich durch die vorspringende Stufung nach oben auf die Bauweise und Erscheinung traditioneller Holzbauten. Die Vorsprünge enthalten geschossweise Brandriegel, und durch die effiziente, wirtschaftliche Vorfertigung werden Bauzeiten verkürzt. Die Laubengänge werden auf den wetterabgewandten Gebäudeseiten angeordnet und mit Betonfertigteilen konstruiert. Auch in den hochwassergefährdeten Bereichen bleibt der robuste und wartungsarme Beton sichtbar (Parken bzw. Erdgeschoss), zeigt sich aber durch die Strukturmatritzen-Oberfläche mit dem Erscheinungsbild der Holzverkleidung verwandt.

FUNKTIONALITÄT: Erschließung als integratives Konzept

Erschließung wird beim Loisachhof als Konzept verstanden: als offener Nachbarschaftshof ist er Zentrum für alle. Die Rampen im Norden und Westen sind rollstuhlgerecht, und alle Wohnungen und gemeinschaftlichen Nebenräume (z.B. für Kinderwägen) werden barrierefrei erreicht. Explizit rollstuhlgerechte Wohnungen sind im westlichen Kopfende von Haus 1 und im nördlichen Kopfende von Haus 2 untergebracht. Die Abstellräume der Wohnungen sind auf den Dachböden untergebracht.

Die Erreichbarkeit aller Wohnungen ist ohne Zufahrt der Feuerwehr aufs Gelände gesichert, was eine Erstellung von aufwendigen Fahrwegen erübrigt. Alle Wohnungen der Häuser 1 und 2 werden dank ihrer geringen Höhe mit der Handleiter als 2. Rettungsweg erreicht. Das 3. Obergeschoss des höchsten Bauteils Haus 3 Süd besitzt einen baulichen 2. Rettungsweg über eine Fluchttreppe an der Südseite. Die Wegelängen für die Feuerwehr mit Material liegen unter 50m.

FREIANLAGEN: Der Loisachhof als offenes Nachbarschaftszentrum

Das zentrale Element der Freianlagen bildet der von den drei Gebäuden umrahmte Innenhof, der als Kommunikationsort und Treffpunkt der Wohnanlage dient; er verbindet das Ensemble durch gezielte Durchwegung nach Norden zum benachbarten Wohngebiet, und öffnet sich gezielt nach Süden zur Loisach und dem Naherholungsgebiet. Der nördliche Zugang aus Richtung Steigfeldstraße führt den Besucher, begleitet von einer Baumreihe und Pflanzfläche, über Stufen oder die barrierefreie Rampe in die Mitte der Anlage. Hier lädt ein 50cm tiefer gelegenes Rasenfeld zum Entspannen ein. Zudem bietet eine Sandfläche im Schatten eines Baumes Spielmöglichkeiten für Kleinkinder. Zu den Wohnungen hin schaffen Pflanzflächen und eingestreute Heckensegmente eine Art „grünen Paravent“, der zwar keine Privatgärten schafft, und dennoch Privatsphäre vermittelt. Nach Westen führt ein Weg in den etwas tiefer gelegenen, 150m² großen Spielbereich, der neben Spielgeräten unter Bäumen auch Platz für freies Spiel lässt. Die Zufahrt zum Pumpenhaus ist von der Steigfeldstraße über eine kurze Rampe gegeben, Wenden ist zwischen Pumpen- und Schalthaus möglich; die Grundfläche des neuen Schalthauses ist so gewählt, dass sie eine Überbauung der existierenden Sparten (und damit eine kostenintensive Verlegung) vermeidet und gleichzeitig eine optimale Gestaltung des Spielplatzes erlaubt.

Das Dach der Parkgarage von Haus 1 wird begrünt, sodass die angrenzenden Balkone und der Laubengang in eine intensiv begrünte Fläche eingebettet werden. Auch entlang der Steigfeldstraße wertet eine Pflanzfläche aus Kleinsträuchern die Anlage nach außen auf. Die Stellplatzanlage im Osten entlang des Bahndammes wird mit Rasenfugenpflaster ökologisch aufgewertet. Vom zentralen Platz Richtung Süden erlaubt eine großzügige Treppe den direkten Zugang zum Uferweg. Beidseitig angeordnete Sitzstufen erlauben das Verweilen auf der Böschung mit Blick auf den Hof als Nachbarschaftszentrum der Wohnanlage. Vom Uferweg, der übergeordneten Radwegeverbindung, besteht der direkte Zugang zu den überdachten Fahrradstellplätzen an den Südfassaden von Haus 2 und 3.

ENERGETISCHES KONZEPT: Ressourcenschonend und nachhaltig

Die Verwendung von Recycling-Beton und vorfabrizierter Holzrahmenbauweise minimiert die aufgewandte Energie und die CO2-Emissionen für die Erstellung. Für die Beheizung der Wohnanlage ist in der Auslobung Gas vorgesehen. Wir schlagen daher eine gasbetriebene Grundwasserwärmepumpe zur nachhaltigen Wärmeerzeugung vor. Die Gaswärmepumpe nutzt neben dem Gas auch die Umweltwärme aus dem Grundwasser. Durch die Nutzung regenerativer Energie wird der CO2-Ausstoß gegenüber reiner Brennwerttechnik um weitere 20-30 % reduziert. Gelegentliche Verbrauchsspitzen werden ggf. durch einen zusätzlichen Brennwertkessel abgedeckt, die reguläre Versorgung findet über die von der Wärmepumpe erzeugte Energie statt. Die Wärme wird zentral für den gesamten Loisachhof erzeugt und über ein Nahwärmenetz innerhalb der Wohnanlage verteilt. Zur Stromerzeugung von Haushaltsstrom wird eine Photovoltaik-Anlage auf dem Süd-Dach Haus 1 vorgesehen. Die Beheizung der Wohnräume erfolgt durch eine Heizplattenvorsatzschale auf der Innenseite der Außenwand. In den Räumen über Erdreich ist eine Fußbodenheizung vorgesehen.

SCHALLSCHUTZ: Städtebauliche, architektonische und technische Maßnahmen

Das Wettbewerbsgebiet Burgrain ist erheblichen Lärmeinwirkungen insbesondere von der östlich gelegenen Bahnlinie ausgesetzt. Besonders laute Geräusche entstehen im Süden beim Befahren der Loisachbrücke, einer Stahlkonstruktion ohne Schallschutzausrüstungen. Der Entwurf sieht den Schallschutz städtebaulich, architektonisch und technisch vor. Um für unseren Beitrag einen genaueren Überblick der Schallausbreitung zu erhalten, wurde ein schalltechnisches Berechnungsmodell erstellt, das eine gute Übereinstimmung mit den Lärmkarten im Schallgutachten zeigt, siehe folgende Immissionsrasterkarte in 9 m Höhe über dem Gelände für den kritischen Beurteilungszeitraum Nacht (22:00 bis 06:00 Uhr). Im schalltechnischen Gutachten wird auf den gesundheitsgefährdenden Bereich > 60 dB(A) Nacht eingegangen, der an der Süd- und Ostseite von Haus 3 Süd überschritten wird.

Die Nord-Süd Orientierung von Haus 3 bildet eine Barriere zur Emissionsquelle Bahn; der höhere Südteil des Hauses schützt zudem vor Lärm-Immission von der Brücke. Die effiziente Erschließung über den witterungsgeschützen Laubengang bildet zusammen mit der Schicht der Nutzräume nach Osten in den Wohnungen eine Zonierung gegen den Lärm. Die schützenswerten Wohn- und Schlafräume orientieren sich zum Gemeinschaftshof nach Westen. Die an der Nordostecke des Gebäudes liegenden Schlafräume haben ihre Fenster nach Norden. Schallschutzfenster in Verbindung mit einer dezentralen schalldämmenden Raumlüftung sind hier eine angemessene Reaktion.

Haus 2 vermeidet ebenfalls Fenster nach Süden. Auf den Balkonen nach Osten werden Beurteilungspegel von bis zu 63 dB(A) am Tag und 58 dB(A) in der Nacht erreicht. Deshalb sind auch im Haus 2 die schützenswerten Schlaf- und Wohnräume nach Westen orientiert. Um die Ost-Balkone und die dahinterliegenden Fenster und Fenstertüren zu schützen werden diese durch zusätzliche Verglasungen abgeschirmt.

Da sich hier die größten Wohnungen (u.a. für Familien) befinden, ist die doppelseitige Einsehbarkeit beider Spielplätze bei den durchbindenden Wohnungen optimal. Die Nord-Süd Orientierung von Haus 2 und 3 erlaubt zum einen die Öffnung des Hofs zu Bergpanorama, Fluss und Hochufer (die durch eine Riegelbildung im Süden nicht möglich wäre), die Kopfseiten schließen sich aber gleichzeitig zur Lärmquelle Gewerbegebiet auf der südlichen Uferseite.

Die Südfassade von Haus 1 ist überwiegend gut vom Verkehrslärm abgeschirmt. Schlafräume im Bereich > 50 dB(A) Nacht erhalten Schallschutzfenster in Verbindung mit einer schalldämmenden Raumlüftung. Von Süden her ist von einer Überschreitung des Immissionsrichtwerts Tag der TA Lärm für ein WA um 1 – 2 dB(A) auszugehen. An den Südfassaden von Haus 2 und 3 sind keine Fenster schutzbedürftiger Aufenthaltsräume vorgesehen. An den senkrecht zur Schallquelle liegenden Ost- und Westfassaden nimmt der Beurteilungspegel um 2 – 3 dB(A) ab. Somit treten vor den Fenstern schutzbedürftiger Aufenthaltsräume keine Überschreitungen des Immissionsrichtwerts der TA Lärm auf und damit auch keine Lärmkonflikte.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Qualität
Insgesamt vier Baukörper begrenzen einen nach Süden offenen, etwas zu knapp, dimensionierter Hofbereich. Die vorhandene Struktur der umgebenden Bebauung wird sinnvoll fortgeschrieben.

Qualität der Freianlagen und Nebenanlagen
Durch die versetzte Gebäudeanordnung entsteht ein vielfältiger, gut gegliederter Freiraum im Zentrum. Der zusätzliche im Westen situierte Spielplatz dagegen wirkt isoliert. Die Erreichbarkeit der Nebenanlagen ist gut, jedoch sind diese deutlich zu gering bemessen.

Architektonische und gestalterische Qualität
Die Gestaltung und Abwicklung der Gebäude ist mit ortstypischen Elementen gut gelungen. Die verwendeten Materialien sind konstruktiv sinnvoll eingesetzt. Der östlich gelegene Baukörper ist bezüglich der Geschossigkeit überdimensioniert. Die Verschattung der Baukörper durch die enge Gebäudestellung wirkt sich negativ auf die Belichtungsqualität einzelner Wohnungen aus.

Effizienz der inneren und äußeren Erschließung
Die Erschließung der Wohnungen ist, dem angestrebten Baustandart entsprechend, gut und wirtschaftlich. Während die fußläufige Erschließung der Freiräume gut gelöst ist, fehlt die Anbindung des Radverkehrs an das bestehende Netz.

Erfüllung des Flächen- und Raumprogramms
Die Anforderungen des Flächen- und Raumprogramms sind vollständig erfüllt, lediglich einige Wohnungen sind etwas zu groß dimensioniert.

Wirtschaftlichkeit in Bau und Betrieb
Die geschickt geplanten Baukörper werden so in das Gelände eingepasst, dass der Aushub auf dem Plangrundstück wieder verwendet werden kann (Massenausgleich). Auf Bauteile unterhalb der natürlichen Geländeoberfläche wird verzichtet. Auch die Vorfertigung der Bauteile sowie die schon erwähnte Erschließung lassen eine hohe Wirtschaftlichkeit in Bau und Betrieb erwarten.

Lärmschutz
Der Schallschutz zur Bahn wird durch den Gebäuderiegel mit durchgesteckten Grundrissen gelöst. Es entstehen lärmabgewandte Fassaden für die Belüftung von Schlaf- und Wohnräumen sowie ruhige Außenbereiche. Die Unterschreitung des Mindestabstands zum Gewerbe wird durch den Verzicht von Fenster an der Südseite, bzw. durch Vorbauten vor den Fenstern, gelöst. Ggf wird vereinzelt eine Festverglasung notwendig.
Lageplan

Lageplan