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Einladungswettbewerb | 05/2020

Wohnen auf Spinelli in Mannheim

2. Preis

Preisgeld: 6.900 EUR

Prof. GrÀf Architekten GmbH

Architektur

ErlÀuterungstext

Der Entwurf orientiert sich stark an der stĂ€dtebaulichen Rahmenplanung einer offenen Blockrandbebauung mit innenliegenden Ruhezonen. Allerdings reagieren die beiden Baukörper orthogonal auf die Anna-Sammet-Straße, gewĂ€hrleisten so weiterhin die Durchwegung und Frischluftschneise, jedoch werden die Einsehbarkeit des Hofs und die LĂ€rmbelĂ€stigung fĂŒr den Innenbereich minimiert. Die nördliche Raumkante des Innenhofs wird gestĂ€rkt, zugleich erhöht sich der sĂŒdliche Fassadenanteil mit Ausblick auf den nahegelegenen GrĂŒnzug.

Im Westen öffnet sich die stĂ€dtebauliche Figur. Das Konzept sieht hier eine Fahrrad-rampe in das Souterrain vor. Neben den FahrradstellplĂ€tzen sind Gemeinschafts-flĂ€chen fĂŒr nachbarschaftliche Veranstaltungen und eine kleine Werkstatt angeordnet. Der Neubau der Vermietungsgenossenschaft Ludwig-Frank EG öffnet sich großzĂŒgig im SĂŒden ĂŒber eine Treppenanlage, trĂ€gt mit dem vielfĂ€ltigen Nutzungsangebot im Untergeschoss zu einer lebendigen Nachbarschaft bei und belebt den Innenhof. Zugleich erzeugt der halbgeschossige Höhenunterschied einen geschĂŒtzten Außenraum besonderer QualitĂ€t, eine „Sasse“.

Der Standort im Kerngebiet der Bundesgartenschau 2023 verpflichtet in der Grundrisskonzeption zu einem grĂ¶ĂŸtmöglichen Freiraumbezug der Wohnungen, wĂ€hrend bedingt durch das Hochparterre selbst die Erdgeschosseinheiten uneinsehbar bleiben. Die Erschließung erfolgt von der Anna- Sammet-Straße mittels dreier TreppenhĂ€user, konzipiert als ZweispĂ€nner. Diese Systematik ermöglicht ein Durchwohnen, eine Teilhabe aller Bewohner am gemeinschaftlichen, grĂŒnen Innenhof und trĂ€gt gleichzeitig dem Aspekt des Rettungswegekonzeptes mit ausschließlicher Anleiterbarkeit seitens der Anna-Sammet-Straße, sowie dem östlichen Anger Rechenschaft. Außenliegende KĂŒchen und BĂ€der, sowie der Verzicht auf Flure stĂ€rken den Eindruck des Wohnens im GrĂŒnen. Loggien und WohnrĂ€ume orientieren sich als „Gartenzimmer“ zum Hof. Diese Grundrisskonzeption spiegelt sich in der Fassadengestaltung wider. Die Nord- und SĂŒd-Fassade ist als „Rankgitter“ strukturiert, Loggien und Gartenzimmer ermöglichen ein Licht- oder Schattenspiel, korrespondieren mit dem GrĂŒngĂŒrtel. SĂ€mtliche geschlossene FassadenflĂ€chen werden bodengebunden berankt.

Der Entwurf sieht ferner vor, PKW- und FahrradstellplĂ€tze, eine Trafostation sowie MĂŒllunterstĂ€nde im GebĂ€ude selbst zu integrieren, um den Außenbereich den AktivitĂ€ten der Bewohner vorzubehalten und als Vegetationszone zu begrĂŒnen.

Maß baulicher Nutzung
Das nordwestliche GebĂ€ude/ Baufeld B11.2 orientiert sich in der Kubatur gemĂ€ĂŸ der vorliegenden Rahmenplanung an der Obergrenze von IV Vollgeschossen. Der Baukörper in B 11.1 bildet sich entlang der Anna-Sammet-Straße viergeschossig ab, vermittelt jedoch durch eine Abstaffelung der Geschoßigkeit in sĂŒdlicher Ausdehnung zu den niedrigeren Nachbarbauten am Wohnanger und ist somit hinsichtlich des Maßes der Baulichen Nutzung ausschließlich mit III Vollgeschossen zu bewerten. Die GebĂ€udekante entlang der Haupterschließung bleibt mit 26m deutlich unter der maximal zulĂ€ssigen Ausdehnung von 30m.

Das Wohnungsgemenge
Die 22 Wohneinheiten bilden ein vielfĂ€ltiges Raumangebot ab, untergliedern sich in sieben 2- Zimmerwohnungen (32%), zehn 3-Zimmerwohnungen (45%) und fĂŒnf 4-Zimmerwohnungen (23%). Über 90% der WohnungsgrĂ¶ĂŸen orientieren sich am Landeswohnraumförderungs-programm, um der Vermietungsgenossenschaft Ludwig-Frank EG in der weiteren Bearbeitung grĂ¶ĂŸtmögliche FlexibilitĂ€t und ein Errichten als öffentlich geförderten Wohnungsbau zu ermöglichen. Ausschließlich die drei grĂ¶ĂŸten Wohneinheiten im Nordosten des Komplexes ĂŒberschreiten die förderfĂ€hige GeschossflĂ€che.

GemĂ€ĂŸ §35 LBO BW in Verbindung mit DIN 18040 Teil 2 mĂŒssen die Wohnungen eines Geschoßes rollstuhlgerecht ausgefĂŒhrt werden. Allerdings ermöglicht die allgeschossige Erreichbarkeit durch die Aufzuganlagen, diese Anzahl auch in verschiedenen Etagen nachzuweisen. Jeweils die westliche Wohnung in B11.2 (TR1) als auch die nordöstliche Wohnung in B11.1 (TR3) werden gemĂ€ĂŸ der Bestimmungen rollstuhlgerecht ausgefĂŒhrt. Eine geschossweise Verteilung bedingt eine heterogene Nachbarschaft und verfolgt das Ziel generationenĂŒbergreifende und integrativen Wohnens.

Die Konstruktion
Die GebĂ€ude sollen in Hybridbauweise realisiert werden. WĂ€hrend das Sockel-geschoss einschließlich der Decke ĂŒber dem Souterrain und die Erschließungskerne aus BrandschutzgrĂŒnden und als Feuchteschutz in Stahlbeton ausgefĂŒhrt werden, erfolgt die Außen- und Trennwandkonstruktion in Holzrahmenbauweise. Die standardisierten SanitĂ€rkerne können aus 6cm Holzwerkstoff-Sandwich-elementen vorgefertigt werden.

Das Regen- & Grauwasserkonzept
Je Einheit fallen bei dem vorgeschlagenen Gemenge der 22 Wohnungen durch-schnittlich ca. 51m3 Grauwasser pro Jahr an. Dies entspricht einer Grauwasser-gesamtmenge von 1.122m3/a. Die Vermietungsgenossenschaft Ludwig-Frank EG wird voraussichtlich dem Mieter eine Brauchwassernutzung nicht zwingend vorschreiben sondern additiv anbieten, so dass zur Berechnung des Servicewasser-bedarfs die WCs mit 100%, Waschmaschinen jedoch ausschließlich mit 50% angesetzt werden sollten, also von der Annahme ausgegangen wird, nur jede zweite Einheit werde Bereitschaft zur Grauwassernutzung bei der FrischwĂ€sche zeigen.

Der errechnete Gesamtservicewasserbedarf von 814m3/a belegt einen jĂ€hrlichen WasserĂŒberschuss von 308m3. Im Sommer dient diese Menge der Garten-bewĂ€sserung, alternativ könnten in der angrenzenden Bebauung weitere acht Wohneinheiten angeschlossen werden. Eine synergetische Koppelung der Anlage als Nachbarschaftsanlage scheint auch mit Blick auf die jĂ€hrlichen Investitionen unverzichtbar, denn fĂŒr 22 Wohneinheiten ist eine relativ kleine und ökonomisch unrentable Membran erforderlich (wirtschaftlich ab 40 WE), so dass neben den jĂ€hrlichen Betriebskosten auch die Investitionssumme gesenkt werden könnte.

Nur als Nachbarschaftsanlage könnten die Kosten dahingehend modifiziert werden, dass eine Realisierung sinnvoll erscheint.

ErgĂ€nzend wird das anfallende Regenwasser nicht nur ĂŒber die intensive Dach-begrĂŒnung, sondern ergĂ€nzend mittels Drain- bzw. Speicherschutzmatten zurĂŒck-gehalten, um auch die Vegetation im Innenhof, sowie die FassadenbegrĂŒnung zu speisen. Eine erhöhte Verdunstungsrate begĂŒnstigt so das Mikroklima und ein Entgegenwirken des urbanen Hitze-Insel-Effekts.

Der Anschluss an das Mannheimer FernwĂ€rmenetz und die unterstĂŒtzende PV-Anlage mit Kleinlamellen (Höhe 50cm) trĂ€gt der Energieeffizienz Rechenschaft.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit ĂŒberzeugt durch ihre angemessene, spannungsreiche stĂ€dtebauliche Komposition aus einem punktförmigen in Kombination mit einem winkelförmigen GebĂ€ude. Gestalterisch werden die zwei aufgehenden Bauteile auf einen gemeinsamen Sockel gestellt, wodurch die angestrebte Wirkung eines Gesamtensembles erreicht wird.

Als einzige unter allen eingereichten Arbeiten haben die Planer dem Untergeschoss zur Hofseite durch die Entwicklung eines Tiefhofs TageslichtqualitĂ€t ermöglicht. Dort werden GemeinschaftsrĂ€ume und eine Fahrradgarage angeordnet, die hohe Aufenthalts- und FreiraumqualitĂ€ten fĂŒr die zukĂŒnftigen Mieter bieten können. Unter diesem Aspekt ist es der Arbeit gelungen, einen Mehrwert zu generieren und den Konflikt zwischen öffentlichen und halböffentlichen Nutzungen im Bereich des Innenhofes rĂ€umlich zu entflechten.

Gleichwohl wirft die Lösung die planungsrechtliche Frage auf, ob es sich um ein oder zwei GebĂ€ude im Sinne des B-Plans handelt. Dies ist in der weiteren Betrachtung zu klĂ€ren. Ebenso wird das derzeit hohe Maß an Versieglung zulasten der GrĂŒn- und VersickerungsflĂ€chen kritisch betrachtet.

An der Nord-Ost-Ecke des GrundstĂŒcks sind erdgeschossig der zentrale MĂŒllstandort und zwei in das GebĂ€udevolumen integrierte StellplĂ€tze angeordnet, was kontrovers diskutiert wurde.

Die Erschließung der Wohnungen erfolgt ĂŒber drei TreppenhĂ€user. Trotzdem gelingt es den Verfassern eine hohe Wirtschaftlichkeit zu erreichen und im Rahmen der planungsrechtlichen Vorgaben ĂŒberdurchschnittlich viele Wohnungen bzw. NutzflĂ€chen anzubieten. Von den 22 Wohnungen sind 19 in den Rahmenbedingungen des Wohnungsförderprogramms vorgesehen. Abgesehen von einer ungeklĂ€rten Ecksituation im Erdgeschoss sind alle Wohnungen hervorragend organisiert und ĂŒberzeugen durch ein gutes VerhĂ€ltnis von Transparenz und Offenheit, von aktiven und gemeinschaftlichen RĂ€umen zu ruhigen und intimen Bereichen.

Aus der Wahl der Konstruktion als Holzbau in Verbindung mit den dargestellten Details spricht die technische Expertise der Verfasser. Die Konstruktion ist systematisch und stringent und lÀsst eine qualifizierte und wirtschaftliche Abwicklung des Bauvorhabens erwarten.

Die Fassaden sind im Rahmen des gewĂ€hlten Konstruktionsprinzips ausdifferenziert nach Nutzung und Orientierung. Insbesondere die Grit- Ă€hnliche Fassade zum Innenhof löst elegant die Einbindung der Loggien in die Fassadenkonzeption und trĂ€gt damit zu einer großen gestalterischen Ruhe bei.

GrundsĂ€tzlich leistet die Arbeit einen herausragenden Beitrag zur gestellten Aufgabe, nicht nur unter den Aspekten des StĂ€dtebaus / Ensemblebildung, sondern auch durch die Entwicklung von Potentialen, die der Aufgabenstellung einen einzigartigen Mehrwert zuordnen. Die Arbeit zeigt ein hohes Maß an Innovation in Bezug auf soziale Themen, Ă€sthetische QualitĂ€t und Nachhaltigkeit auf.