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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2021

Neuentwicklung Wohngebiet Sieben-Höfe-Strasse in Tübingen

Städtebauliches Konzept

Städtebauliches Konzept

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

KLE | Freie Architekten BDA, Stadtplaner SRL

Stadtplanung / Städtebau

Eurich Gula Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Béla Berec Architektur-Modellbau-Gestaltung

Modellbau

Erläuterungstext

Städtebau

Die grundlegende Bildung von Baufeldern innerhalb des Entwurfsgebietes leitet sich aus der Struktur Derendingens als Straßendorf ab. Parallel zur Hauptstraße des Dorfes, der Sieben-Höfe-Straße, wird ein zweiter Raum zur Durchwegung entwickelt, der an möglichen Verbindungselementen im Südwesten und Nordosten anschließt und das Gebiet in zwei längliche Baufelder aufteilt, die sich beide zur Durchwegung und dem öffentlichen Freiraum hin orientieren.

Der historischen Struktur ist ebenfalls zu eigenen, dass es eine feinkörnige, kleinteilige Untergliederung der verschiedenen Gebäude gibt, die sich in der Tiefe variierend in erster und zweiter Reihe zum Straßenraum aufreihen. Diese Unterteilung und Verschiebung wird als Grundlage begriffen um einen Straßenraum im neuen Entwurfsgebiet zu schaffen, der ganz natürlich verschiedene Straßenatmosphären und Weitungen schafft und auf die jeweilige Stellung der Gebäude der Umgebung Bezug nehmen kann und das Quartier zusammenfasst, anstatt isoliert.

Durch eine Variation der Kuben in drei verschiedene Grundgrößen von 15x15, 12x12 und 9x9 Metern entsteht schlussendlich aus dem Ensemble kleiner Baugruppen ein gefälliges Gesamtquartier. Durch unterschiedliche Gebäudehöhen können sie flexibel auf umliegende Bestandsbauten, Blickachsen und topographische Verhältnisse eingehen. Das Prinzip aus Unterteilung, Verschiebung und Variation kann dabei konsequent auf die verschiedenen Teilelemente der Planung angewandt werden.


Freiraum

Ebenso wie die Baugruppen, wird auch der Freiraum auf einer zentralen Achse basierend, aufgebrochen und leicht mäandriert. Dadurch entsteht mittig ein extrovertierter Freiraum mit zwei Gemeinschaftshöfen. Der Übergang zwischen der öffentlichen Durchwegung und den ihr zugewandten Privatgärten wird durch einen fließenden Übergang des Wegebelags in Vegetation erreicht. Dieser Vegetationsübergang „Screen“ wird durch hochwachsende Gräser definiert. Auch dezentrale Retentionsmulden grenzen die extrovertierten Privatgärten unauffällig und trotzdem deutlich ab. Zu den Grenzen des Plangebietes werden dafür introvertierte, privatere Gärten angeboten, so auch für das Robuste Wohnen. Entsprechend der Gebäude-Ensemble wird der Freiraum nach einem einheitlichen Prinzip einer linearen Pflasterung aufgeteilt, die durch die Variation der Plattenbreite und dem verspringenden, fließenden Übergang des öffentlichen in den privaten Raum gekennzeichnet ist.

Freiraum und Gebäude bilden dabei eine Synthese, was auch in der Dachlandschaft erkennbar wird. Während größere Kubaturen modifizierte Satteldächer anbieten und so die Vielfalt der Dachformen des Dorfes weiterentwickelt und einbindet, verlängern Dachbegrünungen zusammen mit dem erhaltenen und weiterentwickelnden Baumwall das Naturschutzgebiet Rammert optisch in das Quartier hinein. Die Dächer können durch diese Vielfalt sowohl Solarnutzung, als auch Regenrückhaltung und Kühlung durch Begrünung und nutzbare Flächen anbieten.


Architektur

Die Gebäudetypologie besteht aus in der Regel zwei miteinander verschalteten Bau-Kubaturen. So kann einerseits die Kleinteiligkeit der Umgebung durch passende Volumina aufgenommen werden und es bleiben trotzdem wirtschaftliche Erschließungsformen vom Zwei- bis zum Sieben-Spänner möglich. Die Ensemblewirkung erreicht eine starke Quartiersidentität, die durch verschiedene Baugruppen trotzdem eine große Diversität an Fassaden und Wohnformen ermöglicht. Neben gemeinschaftlich genutzten Dachterrassen, bietet die variierende Mischung der verschiedenen Grundgrößen der Kuben die Möglichkeit verschiedenste Grundrisse für eine diverse Nutzerstruktur zu beherbergen und sozial gefördertes und freifinanziertes Wohnen miteinander zu mischen. Beispielhafte Grundrisse für Betreutes Wohnen im Alter, die Mischung aus Single- und Familienwohnungen oder alternative Wohnformen wie WGs wurden hierfür vorgestellt. Die aneinandergesetzten, kubischen Hausformen bieten eine natürliche Grundlage für einen niedrigeren Energieverbrauch durch geringere Außenfläche.


Soziales

Am zentral gelegenen Gemeinschaftshof befinden sich die öffentlichen Nutzungen des Quartiers. Die vorgesehene Fläche wird dabei aufgeteilt auf den Gemeinschaftsraum und das „Kreativhaus“, ein Gewächshaus mit angeschlossenem Freiraum, welches zahlreiche Bespielungs-Möglichkeiten anbietet. Durch ein Haus im Haus wird eine kleinere sichtgeschützte Einheit geschaffen, die etwa für abendliche Aktivitäten von Jugendlichen und Nachbarn dienen kann. Auf der Stirnseite des Gemeinschaftshofes befindet sich der Gemeinschaftsraum mit Leseecke, größerer Küche und anderen dienenden Räumen. Hier können flexibler etwa Lesungen und Gruppenberatungen stattfinden. Zusätzlich wird explizit zu der Thematik des Robusten Wohnens in einem der entsprechenden Gebäude im Erdgeschoss zum Gemeinschaftshof hin eine Beratungs-/Betreuungs- und Eingliederungshilfe mit Werkstatt für diese Gruppe geschaffen.

Das Robuste Wohnen befindet sich als Gesamtheit im Norden des Quartiers auf zwei Gebäudekomplexe. Die Platzierung des Robusten Wohnens im Inneren des Gebiets bietet verschiedene Vorteile: Während gemeinschaftliche Nutzungen zur Öffentlichen Durchwegung gerichtet sind, können den Bewohnern niedrigschwellige Angebote der gesellschaftlichen Teilhabe gemacht werden und Vermüllung privater Flächen vorgebeugt werden. Städtebau und die durchgängige Freiraumgestaltung fügen das Robuste Wohnen unauffällig in die Umgebung ein. Die Eingangssituationen des Quartiers und Derendingen, selbst zur Kreisstraße, bleiben durch die durchmischten Wohnformen eher gepflegt. Trotzdem ergeben sich großflächige private Rückzugsräume hin zum Inneren des Blocks, bei dem durch vergleichsweise große Entfernungen zu den Terrassen von Nachbarn (direkt anschließend liegt der Pfarrgarten mit Scheune, die Zehntscheuer orientiert sich ausschließlich nach Westen…) Lärmbelästigungen geringer gehalten werden und die Gartengestaltung neben Sitzgruppen auch abgelegenere kleine Aufenthaltsflächen anbieten kann.


Mobilität

Dem Fahrrad als zentralem Fortbewegungsmittel wird innerhalb des Plangebietes die Priorität eingeräumt. Fahrradabstellräume werden auf Niveau des Erdgeschosses angesiedelt, damit eine barrierefreie Zuwegung zum eigenen Fahrrad und mit diesen in und aus dem Gebäude möglich ist. Zur Reduzierung des Platzverbrauches wird die Topographie hinter dem Gemeinschaftsraum genutzt und in den Hang eine Bikesharing-Station für das Quartier und Abstellräume für die Hausbewohner geschaffen.
Fahrradfahrer und Fußgänger haben Priorität, die Durchwegung bleibt zum Be- und Entladen und für Müllabfuhr frei. Die Einfahrt der Tiefgarage liegt direkt an der 7-Höfe-Straße, um das Quartier selbst nicht zu tangieren. Dahinter liegen vier Stellplätze für Carsharing.

Neben der Quartierstiefgarage haben die Besucher am Gebietsauftakt eine oberflächige Parkmöglichkeit. Die Quartiersgarage besitzt neben Zugängen zu den Treppenkernen der anliegenden Gebäude auch einen öffentlichen Zugang neben dem Kreativhaus. Dies ermöglicht auch Bewohnern des ersten Bauabschnittes von der später gebauten Tiefgarage zu profitieren.


Bauphasen

Aus der bestehenden Anlage wird die Hälfte der Wohneinheiten für den ersten Bauabschnitt weichen. Hierfür sollte außerhalb des Gebietes für den Zeit des Baus ein Ersatzquartier für die Bewohner gefunden werden. Die Zugänglichkeit kann durch das bestehende Gebiet oder das Flurstück Nummer fünf erfolgen. Der erste Bauabschnitt enthält sowohl die 50 Wohneinheiten des Robusten Wohnens und die Beratungsstelle, als auch bereits Flächen für sozial geförderte und freifinanzierte Wohnungen, um von Anfang an, dem Gebiet eine größere soziale Durchmischung zu bieten. Während des zweiten Bauabschnittes mit Tiefgarage bleiben die verschiedenen Gebietsabschnitte immer zugänglich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser:innen entwickeln die neue Bebauung entlang einer parallel zur Sieben-Höfe-Straße verlaufenden Durchwegung und sehen diese in der Tradition des Straßendorfs. Dieses Prinzip ist zusammen mit dem t-förmigen Anschluss nach Norden schlüssig, auch weil platzartige Schwerpunkte eher beiläufig aber zusammen mit gemeinschaftlichen Nutzungen richtig gesetzt sind.

Die Baukörper werden aus drei verschieden großen Quadraten unterschiedlicher Größe und Ausformung gebildet, die in diversen Variationen addiert werden. Dadurch entsteht eine interessante Baukörperkompositionen, die teilweise mit geneigten Dächern die Verwandtschaft zum Kontext sucht, aber ansonsten eher eine gestalterische Unabhängigkeit von Derendingen sieht. Die entstehende kleingliedrige Rhythmik wird in ihrer Höhenentwicklung positiv gesehen. Im städtebaulichen Grundriss dagegen erzeugen die stark zurückspringenden Räume mit ihren einerseits tiefen privatisierten Vorgärten und andererseits fließenden Bodengestaltung eine indifferente Erscheinung. Gemeinschaftliche Nutzungen springen richtigerweise nach vorne in den Erschließungsraum. Die Erdgeschoßwohnungen über die dazwischen liegenden großen Vorgartenflächen werden aber zu stark bevorzugt, während die weit weg vom Erschließungsraum liegenden Hauszugänge zur Belebung der gemeinschaftlichen Flächen weniger beitragen können.

Die Verfasser sehen die robusten Wohnungen im Herzen der Anlage. Dies wird von der Jury als problematisch gesehen. Konflikte in der Bewohnerschaft führen zur negativen Teilhabe für die umliegenden Anwohner. Auch im Inneren können die Grundrisse nicht überzeugen. Eine Erschließung über einen Gemeinschaftsraum mag gut gedacht sein wird aber leider eher zu einer Erzeugung von Konflikten beitragen als zu deren Vermeidung.

Die Grundrisstypologie ist entsprechend der selbstgesetzten quadratischen Grundformen problematisch. Es entstanden eine Reihe von unbelichteten Innenflächen, sowohl in den Wohnungen selbst, als auch bei den internen Erschließungen. Die innenliegenden Treppenläufe um die Aufzüge laden zudem wenig zum Begehen ein, da sie dunkel und übersichtlich sind. Dies ist Insbesondere beim robusten Wohnen schwierig.

Da die Kombination unterschiedlichsten Volumen konstruktiv anspruchsvoll und das Grundriss-Volumen-Verhältnis im Vergleich zu anderen Arbeiten weniger günstig ist, werden die Erstellungskosten eher im oberen Bereich gesehen. Anerkannt wird das Bemühen die Fahrräder dezentral unterzubringen, auch wenn sie beim robusten Wohnen eine zu prominente Lage besetzen.

Insgesamt liefert die Arbeit einen interessanten Beitrag im Spannungsfeld zwischen baulicher Interpretation und Eigenständigkeit kann jedoch hinsichtlich der typologischen Holprigkeiten die aus den selbst definierten Quadraten resultieren nicht überzeugen.
Grünvernetzung

Grünvernetzung

Körnung

Körnung

Ausschnitt urbaner Gemeinschaftshof

Ausschnitt urbaner Gemeinschaftshof

Perspektive Eingangssituation

Perspektive Eingangssituation

Perspektive Kreativhaus

Perspektive Kreativhaus

Längsschnitt

Längsschnitt

Querschnitt

Querschnitt